24.05.2022

Webshop Awards: Zur Frage der Objektivität des Veranstalters einer Konsumentenbefragung

Eine geschäftliche Handlung, die eine i.S.v. § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 1 UWG unwahre Angabe enthält, kann unabhängig davon i.S.v. § 5 Abs. 1 UWG irreführend sein, ob diese Angabe einen der in § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 UWG aufgeführten Umstände betrifft. Die fehlende Unabhängigkeit oder Neutralität des Veranstalters einer Konsumentenbefragung kann nicht allein daraus gefolgert werden, dass der Veranstalter den zu bewertenden Unternehmen Werbematerialien zur Verfügung stellt, mithilfe derer Verbraucher zur Abgabe einer Bewertung aufgefordert werden können. Zweifel an der Objektivität einer Verbraucherbefragung können sich allerdings dann ergeben, wenn die Werbematerialien geeignet sind, die von den Kunden abzugebende qualitative Bewertung der Unternehmen oder das Abstimmungsergebnis zu beeinflussen.

BGH v. 12.5.2022 - I ZR 203/20
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist die Berufsvertretung der Apotheker im Bezirk Nordrhein. Die Beklagte ist eine in den Niederlanden ansässige Versandapotheke und darauf spezialisiert, Arzneimittel nach Deutschland zu liefern. Im Jahr 2019 warb die Beklagte in verschiedenen Werbespots mit dem Slogan "S. -Apotheke - Die beste Online-Apotheke Deutschlands". Am rechten Bildrand erschien das Logo "Webshop Awards Germany 2018 - 2019 Online Apotheke" und am unteren Bildrand in sehr kleiner Schrift der Hinweis "Online-Verbraucher-Befragung in Deutschland im Zeitraum 15.05. bis 03.09.2018, durchgeführt von Q., insgesamt 87.650 Bewertungen in 20 Kategorien. Mehr Informationen unter 'www.webshopawards.de'". Auf dieser Internetseite finden sich u.a. die folgenden Erläuterungen:

"In einer Online-Befragung, durchgeführt von Q., wählen die Verbraucher in Deutschland jährlich die besten Handelsketten und Online-Shops in verschiedenen Kategorien. Qualitativ bewertet werden die Handelsketten nach folgenden Kriterien: Preisniveau, Aktionen und Angebote, Produktqualität, Zusammenstellung des Sortiments, Service, Fachkenntnisse Personal, Kundenfreundlichkeit Personal, Erscheinungsbild und Erfahrung, Atmosphäre, Vertrauenswürdigkeit. Die Ergebnisse werden ausgewertet und notariell überprüft.

Um den Titel "Händler des Jahres Deutschland" und/oder "Webshop Awards Germany" zu tragen, muss Ihr (Online-)Geschäft nominiert sein. Sie brauchen hierfür 380 Beurteilungen. Diese Beurteilungen bekommen Sie durch Ihre Kunden, die können Sie online oder in den Geschäften zur Wahl aufrufen. Natürlich helfen wir Ihnen dabei. Darum stellen wir Ihnen die folgenden Werbematerialien zur Verfügung:

Gold - 1.500 €  |  Silber - 750 €  |  Bronze - Gratis"

Die Klägerin mahnte die Beklagte wegen der Werbung ab. Die Beklagte gab daraufhin eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab.

Im Juni und Juli 2019 warb die Beklagte erneut im Fernsehen mit dem Slogan "S. -Apotheke - Die beste Online-Apotheke Deutschlands". Darunter befand sich nunmehr der durch einen roten Balken hervorgehobene Zusatz "Von Verbrauchern gewählt!".

Die Klägerin mahnte die Beklagte auch wegen dieser Werbung ab und forderte sie zur Zahlung einer Vertragsstrafe auf. Die Beklagte wies die Ansprüche zurück. Mit ihrer daraufhin erhobenen Klage beantragte die Klägerin, die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, gegenüber Endverbrauchern mit der Angabe "Die beste Online-Apotheke Deutschlands" zu werben (Klageantrag zu 1.1), und/oder ohne darauf hinzuweisen, dass der Sitz der Beklagten in den Niederlanden ist (Klageantrag zu 1.2). Außerdem nahm sie die Beklagte auf Zahlung der Vertragsstrafe und Erstattung ihrer Abmahnkosten in Anspruch.

LG und OLG gaben der Klage statt. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Klage hinsichtlich des Klageantrags zu 1.1 ab.

Die Gründe:
Eine irreführende geschäftliche Handlung i.S.v. § 5 Abs. 1 UWG kann nicht angenommen werden.

Für den Erfolg des Rechtsmittels kommt es nicht darauf an, ob das OLG zu Recht angenommen hat, dass die Herausstellung der "Webshop Awards Germany" eine Angabe über die Ergebnisse eines Tests im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Fall 2 Nr. 1 UWG darstellt. Zunächst kommt nach dem Vorbringen der Klägerin grundsätzlich auch ein Anspruch auf Unterlassung aus § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Fall 1 UWG wegen des Vorliegens einer unwahren und irreführenden Tatsachenbehauptung in Betracht. Jedenfalls aber kann eine irreführende geschäftliche Handlung auf der Grundlage der Feststellungen des OLG nicht angenommen werden.

Es kommt nicht darauf an, ob § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 UWG (Art. 6 Abs. 1 Fall 2 der Richtlinie 2005/29/EG) einen abschließenden Katalog der Umstände enthält, über die zur Täuschung geeignete Angaben mit der Folge gemacht werden können, dass eine irreführende Handlung vorliegt. Eine geschäftliche Handlung, die eine i.S.v. § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 1 UWG unwahre Angabe enthält, kann unabhängig davon i.S.v. § 5 Abs. 1 UWG irreführend sein, ob diese Angabe einen der in § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 UWG aufgeführten Umstände betrifft. Bei § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 1 UWG (Art. 6 Abs. 1 Fall 1 der Richtlinie 2005/29/EG) handelt es sich um einen völlig offenen Tatbestand. Die in § 5 Abs. 1 UWG (Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG) enthaltene Aufzählung ist durch das Wort "oder" eindeutig allein dem zweiten Fall, also dem der zur Täuschung geeigneten Angaben, zugeordnet. Es kommt daher nicht darauf an, ob es sich bei der von der Klägerin als unwahr und irreführend beanstandeten Behauptung der Beklagten, ihre Apotheke sei von Verbrauchern zur besten Online-Apotheke Deutschlands gewählt worden, um eine Angabe über das Ergebnis eines Tests (§ 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 Nr. 1 UWG) bzw. eines Tests oder einer Untersuchung (Art. 6 Abs. 1 Fall 2 Buchst. b der Richtlinie 2005/29/EG) handelt.

Die Begründung, mit der das OLG eine fehlende Übereinstimmung zwischen dem durch die Werbung hervorgerufenen Verkehrsverständnis und den tatsächlichen Verhältnissen bejaht hat, vermag die Annahme einer Irreführung nicht zu tragen. Zwar können sich Zweifel an der Objektivität eines Tests oder einer Kundenbefragung dann ergeben, wenn (etwa mit Hilfe von Werbung) auf das Abstimmungsverhalten der Befragten oder das Abstimmungsergebnis Einfluss genommen werden soll. Das OLG hat allerdings keine Feststellungen getroffen, die seine dahingehende Annahme tragen könnten. Nach dessen Feststellungen hat die Q. auf ihrer Internetseite erläutert, in einer von ihr durchgeführten Online-Befragung würden jährlich die besten Handelsketten und Online-Shops gewählt, wobei diese nach bestimmten Kriterien wie u.a. Preisniveau, Produktqualität, Service und Kundenfreundlichkeit qualitativ bewertet würden. Um den Titel "Webshop Awards Germany" zu tragen, müsse ein (Online-)Geschäft nominiert sein. Hierfür würden 380 Beurteilungen durch Kunden benötigt. Die Kunden könnten online oder in den Geschäften zur Wahl aufgerufen werden. Dabei helfe die Q. , indem sie Werbematerialien in den Ausführungen "Gold", "Silber" und "Bronze" zur Verfügung stelle.

Aus diesen Erläuterungen ergibt sich, dass die von der Q. zur Verfügung gestellten Werbematerialien die teilnehmenden Unternehmen dabei unterstützen sollen, Kunden zur Wahl zu motivieren, um die für eine Nominierung erforderliche Anzahl an Beurteilungen zu erreichen. Anhaltspunkte dafür, dass die (im Übrigen auch nicht durch die Q. eingesetzten, sondern den Unternehmen für eine eigene Werbung angebotenen) Werbematerialien in irgendeiner Weise geeignet sein könnten, die dem Award zugrundeliegende qualitative Bewertung der teilnehmenden Unternehmen durch die Kunden und damit das Abstimmungsverhalten oder das Abstimmungsergebnis zu beeinflussen, hat das OLG nicht festgestellt und sind auch sonst nicht erkennbar. Der entsprechenden, nicht näher begründeten Annahme des OLG fehlt es damit an einer sie rechtfertigenden Grundlage im Tatsachenstoff. Auch seine Annahme einer fehlenden Unabhängigkeit oder Neutralität des Veranstalters der Kundenbefragung hat das OLG nicht ausreichend begründet. Insbesondere kann eine solche Annahme nicht (allein) daraus gefolgert werden, dass der Veranstalter den teilnehmenden Unternehmen Werbematerialien zur Verfügung stellt.

Mehr zum Thema:

  • Rechtsprechung: Urteil | OLG Düsseldorf vom 10.02.2022 - 15 U 16/21
  • Aufsatz: Hugendubel, Zarm - "Gekaufte" Kundenbewertungen (IPRB 2020, 135)
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