02.12.2025

Wegen Nachlässigkeit des Verwalters nicht verwertete Gegenstände sind der Nachtragsverteilung zuzuführen

Zur Masse gehörende, vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht verwertete Gegenstände sind im Regelfall der Nachtragsverteilung zuzuführen, selbst wenn die Verwertung nur aufgrund einer Nachlässigkeit des Verwalters unterblieben ist. Die Anordnung der Nachtragsverteilung hinsichtlich eines noch nicht feststehenden Steuererstattungsanspruchs aus Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer ist unabhängig davon zulässig, welche Umstände zu einer Steuererstattung führen können.

BGH v. 25.9.2025 - IX ZB 13/25
Der Sachverhalt:
Mit Beschluss vom 13.3.2019 eröffnete das AG - Insolvenzgericht - das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners, bestellte den weiteren Beteiligten zum Insolvenzverwalter und stellte die Restschuldbefreiung in Aussicht. Der Schuldner beantragte am 10.3.2022, ihm nach Ablauf von drei Jahren seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens Restschuldbefreiung zu erteilen, und machte geltend, dass die Voraussetzungen des § 300 Abs. 1 Nr. 2 InsO mit Ablauf des 13.3.2022 erfüllt seien. Mit Beschluss vom 16.5.2022 erteilte das AG dem Schuldner die vorzeitige Restschuldbefreiung. Mit weiterem Beschluss vom 18.10.2022 hob es das Insolvenzverfahren nach Durchführung des Schlusstermins im schriftlichen Verfahren und Vollzug der Schlussverteilung auf. Zugleich beschloss es, dass der Insolvenzbeschlag für näher bezeichnete Steuererstattungsansprüche des Schuldners für die Veranlagungszeiträume 2019 bis 2022 und für solche, die bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens entstanden sind, aufrechterhalten bleibe. Es ordnete die Nachtragsverteilung der Erstattungsbeträge an und beauftragte den Beteiligten mit ihrem Vollzug.

Die sofortige Beschwerde des Schuldners gegen diese Entscheidung wies das LG durch den Einzelrichter zurück. Auf die von dem Einzelrichter zugelassene Rechtsbeschwerde hob der BGH die Beschwerdeentscheidung mit Beschluss vom 26.9.2024 - IX ZB 5/24, (u.a. ZIP 2024, 2607) auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an das LG zurück. Daraufhin wies das LG mit dem angefochtenen Beschluss die sofortige Beschwerde mit der Maßgabe zurück, dass die Aufrechterhaltung des Insolvenzbeschlags für Steuererstattungsansprüche auf die Veranlagungszeiträume 2019, 2020, 2021 und 2022 bis einschließlich 15.5.2022 beschränkt ist und gab der sofortigen Beschwerde im Übrigen statt. Mit seiner Rechtsbeschwerde möchte der Schuldner eine vollständige Aufhebung der Aufrechterhaltung des Insolvenzbeschlags und der Anordnung der Nachtragsverteilung erreichen.

Auf die erneute Rechtsbeschwerde des Schuldners hob der BGH den Beschluss des LG unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels insoweit auf, als der Insolvenzbeschlag für Steuererstattungsansprüche des Schuldners für den Veranlagungszeitraum 2022 auch für die Zeit vom 13.3.2022 bis zum 15.5.2022 aufrechterhalten und insoweit die Nachtragsverteilung angeordnet worden ist, und verwies die Sache in diesem Umfang zur erneuten Entscheidung an das LG zurück.

Die Gründe:
Die Ausführungen des LG halten einer rechtlichen Nachprüfung im Wesentlichen stand. Nur soweit es die Anordnung für Steuererstattungsansprüche des Schuldners im Veranlagungszeitraum 2022 auch auf die Zeit vom 13.3.2022 bis einschließlich 15.5.2022 bezogen hat, fehlt es an ausreichenden Feststellungen.

Rechtsfehlerfrei hat das LG angenommen, dass die Voraussetzungen für eine Nachtragsverteilung gem. § 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO für Steuererstattungsansprüche aus Einkommen-, Umsatz-, Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag, aus Kfz-Steuer sowie für Kirchensteuererstattungsansprüche gegeben sind, soweit diese Ansprüche vor oder während des Insolvenzverfahrens insolvenzrechtlich begründet worden sind. Nach dieser Bestimmung ordnet das Insolvenzgericht auf Antrag des Insolvenzverwalters oder eines Insolvenzgläubigers oder von Amts wegen eine Nachtragsverteilung an, wenn nach dem Schlusstermin Gegenstände der Masse ermittelt werden. Eine Nachtragsverteilung hat grundsätzlich auch noch nach Erteilung der Restschuldbefreiung zu erfolgen.

Der Tatbestand des § 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO ist weit auszulegen. Die Vorschrift setzt nicht voraus, dass die Existenz oder der Ort eines Massegegenstands dem Verwalter während der Dauer des Insolvenzverfahrens unbekannt war. Die Vorschrift erfasst vielmehr auch Gegenstände, von deren Existenz der Verwalter wusste, die er aber irrtümlich für nicht verwertbar hielt und deswegen nicht zur Masse zog. Gleiches gilt, wenn Gegenstände während der Verfahrensdauer tatsächlich (noch) nicht verwertbar waren oder wenn die Verwertung nur aufgrund einer Nachlässigkeit des Verwalters unterblieben ist. Zur Masse gehörende, vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht verwertete Gegenstände sind folglich im Regelfall gem. § 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO der Nachtragsverteilung zuzuführen.

Rechtsfehlerfrei hat das LG die Nachtragsverteilung ohne weitere Prüfung der von dem Schuldner geltend gemachten steuerlichen Ursprünge der Steuererstattungsansprüche angeordnet. Ob ein pfändbarer Steuererstattungsanspruch aus Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer auch in voller Höhe zugunsten der Insolvenzmasse zu verwerten ist, ist allenfalls und erst im Rahmen der tatsächlichen Durchführung der Nachtragsverteilung zu prüfen. Für die allein in Frage stehende Anordnung der Nachtragsverteilung ist unerheblich, welche Umstände zu einer Steuererstattung führen können. Insbesondere steht der Anordnung der Nachtragsverteilung nicht entgegen, dass der Steuererstattungsanspruch - wie die Rechtsbeschwerde geltend macht - der Höhe nach von einer von § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG abweichenden Berechnung der steuerlichen Einkünfte des Schuldners abhängen kann.

Mehr zum Thema:

Kommentierung | InsO
§ 203 Anordnung der Nachtragsverteilung
Depré in Kayser/Thole, Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 11. Aufl. 2023

Rechtsprechung (erste Entscheidung des BGH in dieser Sache)
Massezugehörigkeit eines Steuererstattungsanspruchs unabhängig von Berechnung des pfändbaren Betrags des Arbeitseinkommens
BGH vom 26.09.2024 - IX ZB 5/24
ZIP 2024, 2607
ZIP0072525

Beratermodul Insolvenzrecht
Otto Schmidt Answers ist in diesem Modul mit 5 Prompts am Tag enthalten! Nutzen Sie die Inhalte in diesem Modul direkt mit der KI von Otto Schmidt. Neuer Inhalt: Scholz GmbHG Kommentar. Enthält mit den §§ 15 ff., 135 InsO umfassende und neue Kommentierungen des Insolvenzrechts der GmbH. 4 Wochen gratis nutzen!

BGH online