Widerruf: Feststellungsantrag des Darlehensnehmers zielt allein auf vertragliche Erfüllungsansprüche aus Darlehensvertrag
BGH v. 29.4.2025 - XI ZR 140/23
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen der Kläger. Die Kläger erwarben im Oktober 2019 einen Gebrauchtwagen BMW 118d zum Kaufpreis von rd. 26.700 €. Zur Finanzierung des über eine Anzahlung von 4.000 € hinausgehenden Kaufpreises sowie der Prämien für eine Ratenschutzversicherung Tod und AU (Arbeitsunfähigkeit) i.H.v. rd. 1.200 € und für eine Shortfall GAP Versicherung i.H.v. rd. 600 € schlossen die Parteien mit Datum vom 9.10.2019 einen Darlehensvertrag über rd. 24.400 €. Das mit einem gebundenen Sollzinssatz von 2,95% p.a. verzinsliche Darlehen sollte in 59 Monatsraten zu je rd. 270 € und einer Schlussrate von 11.200 € zurückgezahlt werden.
Im Darlehensvertrag informierte die Beklagte die Kläger über deren Widerrufsrecht. Mit Schreiben vom 9.2.2022 und 17.2.2022 erklärten die Kläger den Widerruf ihrer auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen. Die Beklagte wies den Widerruf als verfristet zurück. Die Kläger halten die Widerrufsinformation und die Pflichtangaben über den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung, über den Zugang des Darlehensnehmers zu einem außergerichtlichen Beschwerde und Rechtsbehelfsverfahren sowie zur Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung für fehlerhaft. Mit ihrer Klage begehrten die Kläger erstinstanzlich (1.) die Feststellung, dass sie der Beklagten aus dem streitgegenständlichen Darlehensvertrag infolge der Widerrufserklärungen vom 9.2.2022 und 17.2.2022 weder Zins- noch Tilgungsleistungen schulden würden, (2.) die Zahlung von rd. 12.300 € nebst Zinsen nach Herausgabe des finanzierten Fahrzeugs und (3.) die Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
Das LG gab dem Feststellungsantrag statt und wies die Klage im Übrigen ab. Auf die hilfsweise erhobene Widerklage der Beklagten stellte es antragsgemäß (1.) fest, dass die Kläger verpflichtet seien, jeden über den bereits bezifferten Wertverlust hinausgehenden Wertverlust sowie jeden weiteren Wertverlust bis zur tatsächlichen Rückgabe des Fahrzeugs, der auf einen Umgang mit dem Fahrzeug zurückzuführen sei, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise nicht notwendig gewesen sei, zu ersetzen. Ferner verurteilte das LG (2.) die Kläger zur Herausgabe des Fahrzeugs einschließlich Fahrzeugschlüssel, Zulassungsbescheinigung Teil I und Bord-/ Wartungshandbuch an die Beklagte. Dagegen legten beide Parteien Berufung ein. Das OLG gab der Klage teilweise statt und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von rd. 950 € nebst Zinsen nach Herausgabe des Fahrzeugs und erhielt den Ausspruch zur Hilfswiderklage aufrecht. Die weitergehenden Berufungen wies es zurück. Die Revision der Kläger hatte vor dem BGH keinen Erfolg. Auf die Rechtsmittel (Anschlussrevision und Berufung) der Beklagten wies der BGH die Klage insgesamt ab.
Die Gründe:
Rechtsfehlerhaft hat das OLG den Feststellungsantrag teilweise für unzulässig gehalten. Der Feststellungsantrag der Kläger, den der Senat als Prozesserklärung selbst auslegen kann, zielt allein auf die vertraglichen Erfüllungsansprüche aus dem Darlehensvertrag gem. § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB (vgl. u.a. Senatsbeschluss vom 19.9.2023 - XI ZR 58/23, WM 2023, 1955). Die Auslegung des Klageantrags in diesem Sinne ist auch nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig und entspricht der wohlverstandenen Interessenlage.
Wäre der Antrag der Kläger dagegen dahin zu verstehen, sie leugneten nicht (nur) Ansprüche der Beklagten aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB, sondern einen Anspruch der Beklagten aus dem nach Widerruf entstandenen Rückgewährschuldverhältnis gem. § 358 Abs. 4 Satz 1 BGB in der bis zum 27.5.2022 geltenden Fassung (a.F.) i.V.m. § 357a Abs. 3 Satz 1 BGB a.F., fehlte insoweit das erforderliche Feststellungsinteresse. Bei einer negativen Feststellungsklage entsteht das Feststellungsinteresse des Klägers regelmäßig aus einer vom Beklagten (nicht notwendig ausdrücklich) aufgestellten Bestandsbehauptung ("Berühmen") der vom Kläger verneinten Rechtslage. Da die Beklagte die Wirksamkeit des Widerrufs und damit das Zustandekommen eines Rückgewährschuldverhältnisses bestreitet, berühmt sie sich keines Anspruchs aus § 358 Abs. 4 Satz 1 BGB a.F. i.V.m. § 357a Abs. 3 Satz 1 BGB a.F.
Unrichtig ist des Weiteren auch die weitere Begründung des OLG für die Verneinung eines Feststellungsinteresses, der (wirksame) Widerruf der Kläger löse deren Rückzahlungspflicht des zu diesem Zeitpunkt noch offenen Darlehens aus, wobei an die Stelle der im Vertrag vorgesehenen ratenweisen Rückzahlungspflicht die sofortige Rückzahlungspflicht wegen des noch nicht zurückgeführten Teils des Darlehens trete. Dies trifft nicht zu.
Bei Widerruf des mit einem Kaufvertrag verbundenen Darlehensvertrags (§ 358 Abs. 2 BGB) tritt gem. § 358 Abs. 4 Satz 5 BGB hinsichtlich der Rückgewähr der empfangenen Leistungen der Darlehensgeber in die Rechte und Pflichten des Verkäufers ein, wenn - wie hier - das Darlehen dem Unternehmer bei Wirksamwerden des Widerrufs bereits zugeflossen ist. Aufgrund dessen hat der Darlehensnehmer gemäß § 358 Abs. 4 Satz 1 BGB a.F. i.V.m. § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB die finanzierte Ware an den Darlehensgeber herauszugeben und ihm nach § 358 Abs. 4 Satz 1 BGB a.F. i.V.m. § 357 Abs. 7 BGB a.F. unter den dort genannten Voraussetzungen Wertersatz für einen Wertverlust der Ware - hier des Kfz - zu leisten. Dagegen schuldet er nicht die Rückzahlung der noch offenen Darlehensvaluta.
Entgegen der Auffassung des OLG haben die Kläger den streitgegenständlichen, gem. § 358 Abs. 3 BGB mit einem Kaufvertrag über ein Kraftfahrzeug sowie mit Beitritten zu Ratenschutz- und GAP-Versicherungen verbundenen Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag nicht wirksam widerrufen. Das OLG ist zwar noch zutreffend davon ausgegangen, dass den Klägern bei Abschluss des Darlehensvertrags gem. § 495 Abs. 1 i.V.m. § 355 BGB ein Widerrufsrecht zustand und die Widerrufsfrist nicht zu laufen begann, bevor die Kläger die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten hatten. Dies war aber vorliegend bei Abschluss des Darlehensvertrags im Oktober 2019 der Fall, so dass die Widerrufserklärungen vom 9.2.2022 und 17.2.2022 verspätet waren. Aufgrund dessen hätte der Klage nicht - auch nicht teilweise - stattgegeben werden dürfen.
Mehr zum Thema:
Rechtsprechung (siehe Leitsatz)
Feststellungsantrag des Darlehensnehmers, aufgrund des Widerrufs seiner Vertragserklärung nicht mehr zur Zahlung von Zins- und Tilgungsleistungen aus dem Darlehensvertrag verpflichtet zu sein, gezielt allein auf die vertraglichen Erfüllungsansprüche aus dem Darlehensvertrag gemäß § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB
BGH vom 19.09.2023 - XI ZR 58/23
WM 2023, 1955
Beratermodul WM / WuB Wirtschafts- und Bankrecht
WM und WuB in einem Modul: Die WM Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht informiert wöchentlich aktuell und umfassend im Rechtsprechungsteil über Urteile und Beschlüsse der Gerichte. Die WuB Entscheidungsanmerkungen zum Wirtschafts- und Bankrecht informieren monatlich aktuell und praxisbezogen kommentiert über alle wichtigen wirtschafts- und bankrechtlichen Entscheidungen. 4 Wochen gratis nutzen!
BGH online
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen der Kläger. Die Kläger erwarben im Oktober 2019 einen Gebrauchtwagen BMW 118d zum Kaufpreis von rd. 26.700 €. Zur Finanzierung des über eine Anzahlung von 4.000 € hinausgehenden Kaufpreises sowie der Prämien für eine Ratenschutzversicherung Tod und AU (Arbeitsunfähigkeit) i.H.v. rd. 1.200 € und für eine Shortfall GAP Versicherung i.H.v. rd. 600 € schlossen die Parteien mit Datum vom 9.10.2019 einen Darlehensvertrag über rd. 24.400 €. Das mit einem gebundenen Sollzinssatz von 2,95% p.a. verzinsliche Darlehen sollte in 59 Monatsraten zu je rd. 270 € und einer Schlussrate von 11.200 € zurückgezahlt werden.
Im Darlehensvertrag informierte die Beklagte die Kläger über deren Widerrufsrecht. Mit Schreiben vom 9.2.2022 und 17.2.2022 erklärten die Kläger den Widerruf ihrer auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen. Die Beklagte wies den Widerruf als verfristet zurück. Die Kläger halten die Widerrufsinformation und die Pflichtangaben über den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung, über den Zugang des Darlehensnehmers zu einem außergerichtlichen Beschwerde und Rechtsbehelfsverfahren sowie zur Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung für fehlerhaft. Mit ihrer Klage begehrten die Kläger erstinstanzlich (1.) die Feststellung, dass sie der Beklagten aus dem streitgegenständlichen Darlehensvertrag infolge der Widerrufserklärungen vom 9.2.2022 und 17.2.2022 weder Zins- noch Tilgungsleistungen schulden würden, (2.) die Zahlung von rd. 12.300 € nebst Zinsen nach Herausgabe des finanzierten Fahrzeugs und (3.) die Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
Das LG gab dem Feststellungsantrag statt und wies die Klage im Übrigen ab. Auf die hilfsweise erhobene Widerklage der Beklagten stellte es antragsgemäß (1.) fest, dass die Kläger verpflichtet seien, jeden über den bereits bezifferten Wertverlust hinausgehenden Wertverlust sowie jeden weiteren Wertverlust bis zur tatsächlichen Rückgabe des Fahrzeugs, der auf einen Umgang mit dem Fahrzeug zurückzuführen sei, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise nicht notwendig gewesen sei, zu ersetzen. Ferner verurteilte das LG (2.) die Kläger zur Herausgabe des Fahrzeugs einschließlich Fahrzeugschlüssel, Zulassungsbescheinigung Teil I und Bord-/ Wartungshandbuch an die Beklagte. Dagegen legten beide Parteien Berufung ein. Das OLG gab der Klage teilweise statt und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von rd. 950 € nebst Zinsen nach Herausgabe des Fahrzeugs und erhielt den Ausspruch zur Hilfswiderklage aufrecht. Die weitergehenden Berufungen wies es zurück. Die Revision der Kläger hatte vor dem BGH keinen Erfolg. Auf die Rechtsmittel (Anschlussrevision und Berufung) der Beklagten wies der BGH die Klage insgesamt ab.
Die Gründe:
Rechtsfehlerhaft hat das OLG den Feststellungsantrag teilweise für unzulässig gehalten. Der Feststellungsantrag der Kläger, den der Senat als Prozesserklärung selbst auslegen kann, zielt allein auf die vertraglichen Erfüllungsansprüche aus dem Darlehensvertrag gem. § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB (vgl. u.a. Senatsbeschluss vom 19.9.2023 - XI ZR 58/23, WM 2023, 1955). Die Auslegung des Klageantrags in diesem Sinne ist auch nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig und entspricht der wohlverstandenen Interessenlage.
Wäre der Antrag der Kläger dagegen dahin zu verstehen, sie leugneten nicht (nur) Ansprüche der Beklagten aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB, sondern einen Anspruch der Beklagten aus dem nach Widerruf entstandenen Rückgewährschuldverhältnis gem. § 358 Abs. 4 Satz 1 BGB in der bis zum 27.5.2022 geltenden Fassung (a.F.) i.V.m. § 357a Abs. 3 Satz 1 BGB a.F., fehlte insoweit das erforderliche Feststellungsinteresse. Bei einer negativen Feststellungsklage entsteht das Feststellungsinteresse des Klägers regelmäßig aus einer vom Beklagten (nicht notwendig ausdrücklich) aufgestellten Bestandsbehauptung ("Berühmen") der vom Kläger verneinten Rechtslage. Da die Beklagte die Wirksamkeit des Widerrufs und damit das Zustandekommen eines Rückgewährschuldverhältnisses bestreitet, berühmt sie sich keines Anspruchs aus § 358 Abs. 4 Satz 1 BGB a.F. i.V.m. § 357a Abs. 3 Satz 1 BGB a.F.
Unrichtig ist des Weiteren auch die weitere Begründung des OLG für die Verneinung eines Feststellungsinteresses, der (wirksame) Widerruf der Kläger löse deren Rückzahlungspflicht des zu diesem Zeitpunkt noch offenen Darlehens aus, wobei an die Stelle der im Vertrag vorgesehenen ratenweisen Rückzahlungspflicht die sofortige Rückzahlungspflicht wegen des noch nicht zurückgeführten Teils des Darlehens trete. Dies trifft nicht zu.
Bei Widerruf des mit einem Kaufvertrag verbundenen Darlehensvertrags (§ 358 Abs. 2 BGB) tritt gem. § 358 Abs. 4 Satz 5 BGB hinsichtlich der Rückgewähr der empfangenen Leistungen der Darlehensgeber in die Rechte und Pflichten des Verkäufers ein, wenn - wie hier - das Darlehen dem Unternehmer bei Wirksamwerden des Widerrufs bereits zugeflossen ist. Aufgrund dessen hat der Darlehensnehmer gemäß § 358 Abs. 4 Satz 1 BGB a.F. i.V.m. § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB die finanzierte Ware an den Darlehensgeber herauszugeben und ihm nach § 358 Abs. 4 Satz 1 BGB a.F. i.V.m. § 357 Abs. 7 BGB a.F. unter den dort genannten Voraussetzungen Wertersatz für einen Wertverlust der Ware - hier des Kfz - zu leisten. Dagegen schuldet er nicht die Rückzahlung der noch offenen Darlehensvaluta.
Entgegen der Auffassung des OLG haben die Kläger den streitgegenständlichen, gem. § 358 Abs. 3 BGB mit einem Kaufvertrag über ein Kraftfahrzeug sowie mit Beitritten zu Ratenschutz- und GAP-Versicherungen verbundenen Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag nicht wirksam widerrufen. Das OLG ist zwar noch zutreffend davon ausgegangen, dass den Klägern bei Abschluss des Darlehensvertrags gem. § 495 Abs. 1 i.V.m. § 355 BGB ein Widerrufsrecht zustand und die Widerrufsfrist nicht zu laufen begann, bevor die Kläger die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten hatten. Dies war aber vorliegend bei Abschluss des Darlehensvertrags im Oktober 2019 der Fall, so dass die Widerrufserklärungen vom 9.2.2022 und 17.2.2022 verspätet waren. Aufgrund dessen hätte der Klage nicht - auch nicht teilweise - stattgegeben werden dürfen.
Rechtsprechung (siehe Leitsatz)
Feststellungsantrag des Darlehensnehmers, aufgrund des Widerrufs seiner Vertragserklärung nicht mehr zur Zahlung von Zins- und Tilgungsleistungen aus dem Darlehensvertrag verpflichtet zu sein, gezielt allein auf die vertraglichen Erfüllungsansprüche aus dem Darlehensvertrag gemäß § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB
BGH vom 19.09.2023 - XI ZR 58/23
WM 2023, 1955
Beratermodul WM / WuB Wirtschafts- und Bankrecht
WM und WuB in einem Modul: Die WM Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht informiert wöchentlich aktuell und umfassend im Rechtsprechungsteil über Urteile und Beschlüsse der Gerichte. Die WuB Entscheidungsanmerkungen zum Wirtschafts- und Bankrecht informieren monatlich aktuell und praxisbezogen kommentiert über alle wichtigen wirtschafts- und bankrechtlichen Entscheidungen. 4 Wochen gratis nutzen!