16.01.2025

Zahlung auf Geldauflage zur Einstellung eines Strafverfahrens kann insolvenzrechtlich angefochten werden

Auch von der Strafjustiz beschlossene Geldauflagen können insolvenzrechtlich angefochten und zurückgefordert werden. Das Land ist dabei auch für Zahlungen, die nicht der Landeskasse, sondern gemeinnützigen Einrichtungen zugutekommen, richtiger Anfechtungsgegner.

OLG Frankfurt a.M. v. 15.1.2025 - 4 U 137/230
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist seit Mai 2021 Insolvenzverwalter über das Vermögen des Schuldners. Ein gegen den Schuldner eingeleitetes Strafverfahren wegen vorsätzlicher Marktmanipulation war im März 2021 vom LG Frankfurt a.M. gegen Zahlung einer Geldauflage von 100.000 € nach § 153a Abs. 2 StPO (vorläufig) eingestellt worden. Leistungsempfänger der Geldauflage sollten u.a. das hier beklagte Land Hessen und drei gemeinnützige Einrichtungen sein. Um die Geldauflage zu erfüllen, schloss der Schuldner Darlehensverträge über 100.000 € mit Gesellschaften ab, deren Anteile seinen Eltern gehörten. Anschließend zahlte er noch im März 2021 die Geldauflage an die vorgesehenen vier Empfänger. Der Kläger begehrt nunmehr diese Zahlungen zurück.

Das LG wies die Klage ab. Auf die Berufung des Klägers gab das OLG der Klage statt. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Die Revision zum BGH wurde zugelassen.

Die Gründe:
Die vom Schuldner gezahlten Geldauflagen sind insolvenzrechtlich anfechtbar, sodass ein Rückgewähranspruch besteht.

Dabei ist das Land auch für Zahlungen, die an gemeinnützige Einrichtungen geleistet worden sind, richtiger Anfechtungsgegner. Eine insolvenzrechtlich relevante Rechtsbeziehung besteht trotz einer Geldauflage für eine gemeinnützige Einrichtung nur zwischen dem Angeklagten eines Strafverfahrens und der Strafjustiz des Landes. Der Angeklagte wollte ausschließlich an das Land leisten, damit dessen Strafjustiz das gegen ihn gerichtete Strafverfahren einstellt.

Das Land Hessen als Anfechtungsgegner ist hinsichtlich der Geldauflage auch einem Insolvenzgläubiger gleichgestellt. Geldauflagen nach § 153a StPO ähneln trotz strafprozessualer Unterschiede den in der InsO aufgeführten Geldzahlungsverpflichtungen in Form von Geldstrafen, Geldbußen und Ordnungsgeldern, die kraft Gesetzes die Stellung eines (nachrangigen) Insolvenzgläubigers begründen.

Zudem erfasst die hier maßgebliche Anfechtungsvorschrift (§ 131 InsO) auch solche Anfechtungsgegner, die objektiv keinen Anspruch auf Befriedigung haben, ihren Anspruch also nicht einklagen können. Hier hatte das Land keinen klagbaren Anspruch auf Erfüllung der Geldauflagen. Denn hätte der Schuldner die Geldauflagen nicht gezahlt, wäre das Strafverfahren fortgesetzt worden und die Einstellung hinfällig gewesen. Damit ist eine Gleichstellung mit einem Insolvenzgläubiger i.S.d. InsO gerechtfertigt.

Auch die weiteren Voraussetzungen der Anfechtung liegen vor. Der Schuldner war zum Zeitpunkt der Begleichung der Geldauflagen zahlungsunfähig. Die Zahlungen wurden auch innerhalb der kurzen Anfechtungsfrist von bis zu drei Monaten vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeführt.

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Kommentierung | InsO
§ 131 Inkongruente Deckung
Thole in Kayser/Thole, Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 11. Aufl. 2023

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OLG Frankfurt a.M. PM vom 15.1.2025