13.12.2012

Zu den Anforderungen an die von einem Anlageberater geschuldete Plausibilitätsprüfung eines Prospekts

Ist ein einem Anlageprospekt im Zusammenhang mit der Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds u.a. die Position "Avale Bauzeit" ausgewiesen, so ist davon auszugehen, dass sich der Sinngehalt dieser Formulierung dem kundig Prüfenden nicht verschließt. Allein Aufgrund der Verwendung des Begriffs "Avale Bauzeit" ist der Anlageberater nicht zur Nachfrage verpflichtet, was es mit dem diesem Begriff zugeordneten Betrag (hier: rd. 1 Prozent der für die Anschaffung von Gebäude und Außenanlagen ausgewiesenen Summen) auf sich habe.

BGH 15.11.2012, III ZR 55/12
Der Sachverhalt:
Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadensersatz wegen seiner Meinung nach fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit der Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds.

Nach Gesprächen mit dem Geschäftsstellenleiter W der Beklagten zeichnete der Kläger im April 1996 eine Beteiligung an der I-GbR (Immobilienfonds) in Höhe eines Nominalbetrags von 25.000 DM zzgl. eines Agios von 5 Prozent. Gegenstand des Immobilienfonds waren laut Prospekt "Erwerb und Vermietung" einer damals im Bau befindlichen "Vorsorge- und Rehabilitationsklinik mit 240 Betten".

Nachdem der Kläger in den Jahren 1998 und 1999 noch Ausschüttungen erhalten hatte, geriet der Immobilienfonds in der Folgezeit wegen verringerter Pachtzahlungen der Klinikbetreiberin in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Der Kläger hat die Beklagte wegen verschiedener Pflichtverletzungen auf Schadensersatz in Anspruch genommen.

Das LG gab der Klage im Wesentlichen statt; das OLG wies sie ab. Die Revision des Klägers blieb vor dem BGH ohne Erfolg.

Die Gründe:
Das OLG hat rechtsfehlerfrei eine Pflichtverletzung der Beklagten verneint.

Im Anlageprospekt ist im "Investitions- und Finanzierungsplan" u.a. die Position "Avale Bauzeit" mit einem Betrag von 782.568 DM aufgeführt. Das OLG hat in diesem Zusammenhang darauf abgestellt, dass sich der Sinngehalt dieser Formulierung dem kundig Prüfenden nicht verschließe. Nach allgemeinem Sprachgebrauch verstehe man unter einem Aval die (meist von Banken) abgegebene Erklärung, für einen Schuldner einzuspringen, falls dieser seinen Verpflichtungen nicht nachkomme. Dass während der Bauzeit solche Avale zu stellen seien, sei weder ungewöhnlich noch gar auffällig. Bei dem im Prospekt insoweit in die Planung eingestellten Betrag handele es sich nur um rd. 1,1 Prozent der für die Anschaffung von Gebäude und Außenanlagen ausgewiesenen Summen. Es sei nicht ersichtlich, inwiefern dieser Wert einen kritisch Prüfenden auf ein Risiko hätte schließen lassen oder zu weiteren Nachforschungen hätte Anlass geben müssen.

Die gegen diese Würdigung gerichteten Angriffe der Revision überzeugen nicht. Der Einwand, bereits die Verwendung des Begriffs "Avale Bauzeit" hätte der Beklagten Anlass zur Nachfrage geben müssen, was es mit dem diesem Begriff zugeordneten Betrag auf sich habe, ist genauso wenig begründet wie die Annahme, die Beklagte hätte den Kläger darauf hinweisen müssen, dass der Begriff Aval üblicherweise für eine Sicherheit einer Bank stehe und eine konkrete Bank im Prospekt nicht genannt werde.

Der Begriff "Aval" wird gemeinhin als Synonym für Bürgschaft verstanden. Die im Investitionsplan aufgeführte Kostenposition "Avale Bauzeit" bezog sich insoweit erkennbar auf während der Bau- bzw. Investitionsphase anfallende Kosten für Bürgschaften oder vergleichbare Garantien. Einer näheren Aufschlüsselung dieser - angesichts der Gesamtkosten von rd. 90,5 Mio. DM - eher geringfügigen Position bedurfte es an dieser Stelle nicht. Anlass für kritische Nachfragen hätte allenfalls dann bestanden, wenn der Anfall einer Avalprovision nicht plausibel gewesen wäre, es insoweit hierfür im Rahmen des prospektierten Investitionsvorhabens keinen nachvollziehbaren Grund gegeben hätte, oder wenn bzgl. eines solchen Grunds sich die Höhe der Avalprovision offensichtlich außerhalb des vertretbaren Rahmens bewegt hätte. Dies war jedoch vorliegend nicht der Fall.

Auch hinsichtlich der im Anlageprospekt aufgeführten "Finanzierungskosten" i.H.v. 2,285 Mio. DM bleiben die Angriffe der Revision erfolglos. Dass es sich bei den Finanzierungskosten nicht um Zinsverbindlichkeiten, die auf die Fremdfinanzierung entfielen, handeln könne, weil diese keine Kosten der Investitionsphase, sondern laufende Kosten der Fondsgesellschaft seien, überzeugt nicht. Im Prospekt wird in der sog. Prospektergänzung von Februar 1996 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Zinsen, die für die Endfinanzierung vor dem 1.1.1997 anfallen, im Investitionsplan bei den Finanzierungskosten kalkuliert worden sind. Dem entspricht es, dass im Prospekt im Rahmen der "Ergebnisvorschau" bei den laufenden Kosten Zinsen nicht bereits für 1996, sondern erst ab 1997 - für dieses Jahr mit 2,28 Mio. DM - eingestellt worden sind. Dass aber bereits während der Bau- bzw. Investitionsphase ein Bedarf für Fremdkapital bestand und dann Zinsen anfallen würden, hat das OLG rechtsfehlerfrei angenommen. Einer näheren Aufschlüsselung zum Grund und zur Höhe der in die Planung eingestellten Finanzierungskosten bedurfte es im Prospekt nicht.

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