23.04.2012

Zu den urheberrechtlichen Pflichten eines Videoportalbetreibers

Der Betreiber eines Videoportals (hier: YouTube) haftet für Urheberrechtsverletzungen durch von Nutzern hochgeladene Videos nur dann, wenn er in Kenntnis der Rechtsverletzung gegen bestimmte Verhaltens- und Kontrollpflichten verstößt. Erst nach einem Hinweis auf eine Urheberrechtsverletzung trifft ihn die Pflicht, das betroffene Video unverzüglich zu sperren und im zumutbaren Rahmen geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um erneuten Rechtsverletzungen vorzubeugen; eine Verpflichtung zur Kontrolle sämtlicher hochgeladener Videoclips besteht dagegen nicht.

LG Hamburg 20.4.2012, 310 O 461/10
Der Sachverhalt:
Klägerin ist die Verwertungsgesellschaft GEMA, Beklagte ist die Betreiberin des Videoportals YouTube. Das Verfahren betrifft mögliche Urheberrechtsverletzungen durch Videos, die von YouTube-Nutzern auf der Plattform hochgeladen wurden. Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage, dass der Beklagten verboten wird, zwölf Musikwerke, an denen die GEMA die Rechte wahrnimmt, weiterhin via YouTube in Deutschland zugänglich zu machen.

Die Beklagte lehnte eine Unterlassungsverpflichtung ab, da sie für etwaige Urheberrechtsverletzungen nicht hafte. Zum einen stelle sie ihre Videoplattform lediglich den Nutzern zur Verfügung und habe die fraglichen Videos weder selbst erstellt noch hochgeladen. Zum anderen habe sie alle ihr zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um Urheberrechtsverletzungen zu begegnen.

Das LG gab der Klage teilweise statt und verurteilte die Beklagte im Hinblick auf sieben der zwölf streitbefangenen Musikwerke zur Unterlassung. Im Übrigen wies es die Klage ab. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Die Gründe:
Die Beklagte ist hinsichtlich der Urheberrechtsverletzungen im Hinblick auf sieben der zwölf Musikvideos als "Störerin" zur Unterlassung verpflichtet.

Da die Beklagte die urheberrechtsverletzenden Videos weder selbst hochgeladen, noch sich deren Inhalte zu Eigen gemacht hat, haftet sie nicht als Täterin. Allerdings hat sie durch das Bereitstellen und den Betrieb der Videoplattform einen Beitrag zu den Rechtsverletzungen geleistet. Daher treffen sie Verhaltens- und Kontrollpflichten, die sie vorliegend verletzt hat. So hat die Beklagte gegen die Pflicht verstoßen, die betroffenen Videoclips unverzüglich zu sperren, nachdem sie von der Klägerin über die Urheberrechtsverletzungen informiert worden war. Hinsichtlich der fraglichen sieben Videos ist eine Sperre erst gut eineinhalb Monate nach der Benachrichtigung durch die Klägerin erfolgt. Bei einem solchen Zeitraum kann von einem unverzüglichen Handeln nicht mehr gesprochen werden.

Hinsichtlich weiterer Prüfungs- und Kontrollpflichten ist im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung sicherzustellen, dass der Beklagten keine Anforderungen auferlegt werden, die ihre grundsätzlich zulässige Tätigkeit unverhältnismäßig erschwerten. Zumutbar ist es jedoch, nach Erhalt eines Hinweises auf eine Urheberrechtsverletzung durch den Einsatz einer Software künftige Uploads zu verhindern, die eine mit der gemeldeten Musikaufnahme übereinstimmende Aufnahme enthielten. Eine dazu geeignete Software steht der Beklagten in Form des von ihr entwickelten Content-ID-Programms zur Verfügung. Die Beklagte muss dieses Programm allerdings selbst anwenden und kann die Anwendung nicht den Rechteinhabern überlassen.

Dagegen ist die Beklagte nicht verpflichtet, ihren gesamten Datenbestand mittels des Content-ID-Programms auf Urheberrechtsverletzungen zu durchsuchen. Die Prüfungs- und Kontrollpflichten einer als Störer in Anspruch genommenen Person beginnen erst ab Kenntnis von einer konkreten Rechtsverletzung. Eine Verpflichtung zur Vorsorge gilt daher nur für die Zukunft. Um die Anzahl der von der Software der Beklagten nicht erfassten Rechtsverletzungen zu reduzieren, ist die Beklagte außerdem verpflichtet, einen Wortfilter zu installieren, weil mit dem Content-ID-Programm nur Tonaufnahmen identifiziert werden, die mit der gespeicherten Referenzaufnahme identisch sind. Abweichende Aufnahmen (z.B. Live-Darbietung) erkennt die Software nicht.

Hinsichtlich fünf der zwölf von der Klägerin benannten Musikwerke ist nicht ersichtlich, dass es nach dem Hinweis der Klägerin an die Beklagte auf die Rechtsverletzungen noch zu weiteren Uploads gekommen ist. Damit konnte nicht festgestellt werden, dass die Pflichtverletzung der Beklagten für weitere Rechtsverletzungen ursächlich geworden ist, und entsprechend war die Klage hinsichtlich dieser Musikwerke abzuweisen.

LG Hamburg PM vom 20.4.2012
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