18.11.2013

Zu den Voraussetzungen eines Benachteiligungsvorsatzes und dessen Kenntnis

Eine inkongruente Deckung bildet nur dann ein Beweisanzeichen für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und für die Kenntnis des Gläubigers von diesem Vorsatz, wenn die Wirkungen der Rechtshandlung zu einem Zeitpunkt eintrat, als zumindest aus der Sicht des Empfängers der Leistung Anlass bestand, an der Liquidität des Schuldners zu zweifeln. Ein Benachteiligungsvorsatz und dessen Kenntnis kann auch nicht allein aus dem Umstand hergeleitet werden, dass der Schuldner seinem Gläubiger eine sofort bei Bestellung und nicht erst im Insolvenzfall wirksame Sicherung gewährt.

BGH 7.11.2013, IX ZR 248/12
Der Sachverhalt:
Der Kläger war Gesellschafter und Geschäftsführer der Schuldnerin, einer GmbH & Co. KG. Im Jahr 1993 hatte ihm die Schuldnerin eine Pensionszusage von monatlich 6.000 DM erteilt. Zur Sicherung verpfändete die Schuldnerin durch Nachtrag vom 29.11.1996 ihr zustehende Versicherungen zugunsten des Klägers.

Im Januar 2008 übertrug der Kläger seine Gesellschaftsanteile schuldenfrei auf seinen Sohn sowie einen weiteren Erwerber. Im Rahmen der Anteilsübertragung bestellte die Schuldnerin dem Kläger nach Ablauf der verpfändeten Versicherungen zur Absicherung seiner Rentenansprüche eine Grundschuld i.H.v. 500.000 € an ihrem Grundbesitz. Die Eintragung in das Grundbuch fand im April 2008 statt.

Im Dezember 2010 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Kläger begehrte die Feststellung, dass ihm hinsichtlich der Grundschuld ein Absonderungsrecht zustehe. Demgegenüber beantragte der Beklagte widerklagend, den Kläger zur Übertragung der Grundschuld an ihn zu verurteilen.

Das LG gab der Klage statt; das OLG wies die Klage ab und gab der Widerklage statt. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil teilweise auf und wies die Berufung des Beklagten zurück.

Gründe:
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des allein in Betracht kommenden § 133 Abs. 1 InsO - die hier erfolgte nachträgliche Bestellung einer Sicherheit für eine eigene, entgeltlich begründete Verbindlichkeit war nicht gem. § 134 Abs. 1 InsO als unentgeltliche Leistung anfechtbar - lagen nicht vor, da es an einem Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin fehlte.

Zwar hatte der Kläger durch die Bestellung einer Grundschuld seitens der Schuldnerin eine inkongruente Deckung erlangt. Das Beweisanzeichen der Inkongruenz griff hier jedoch nicht durch, weil im Zeitpunkt der Grundschuldgewährung keine Zweifel an der Liquidität der Schuldnerin bestanden. Eine inkongruente Deckung bildet nach BGH-Rechtsprechung nur dann ein Beweisanzeichen für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und für die Kenntnis des Gläubigers von diesem Vorsatz, wenn die Wirkungen der Rechtshandlung zu einem Zeitpunkt eintrat, als zumindest aus der Sicht des Empfängers der Leistung Anlass bestand, an der Liquidität des Schuldners zu zweifeln.

Das Erfordernis einer zweifelhaften Liquiditätslage war nicht erfüllt. Bei Eintragung der Grundschuld waren keine greifbaren Anhaltspunkte für Zweifel an der Liquidität der Schuldnerin ersichtlich. Vielmehr hatte der Kläger das Unternehmen schuldenfrei an seinen Sohn und dessen Miterwerber übergeben. Die Inkongruenz der Deckung allein stellt kein ausreichendes Beweisanzeichen für einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin dar, wenn es - wie hier - an einer finanziell beengten Lage fehlt.

Ein Benachteiligungsvorsatz und dessen Kenntnis konnte auch nicht allein aus dem Umstand hergeleitet werden, dass der Schuldner seinem Gläubiger eine sofort bei Bestellung und nicht erst im Insolvenzfall wirksame Sicherung gewährte. Da die Sicherung außerhalb einer Insolvenz der Schuldnerin verwertet werden konnte, brauchte der Kläger nicht mit einer erst durch die Verfahrenseröffnung bedingten Gläubigerbenachteiligung zu rechnen. Bei einer sofort wirksamen und unbedingten Sicherheitenbestellung kann ein Benachteiligungsvorsatz und dessen Kenntnis nur angenommen werden, wenn die Beteiligten den Eintritt einer Insolvenz während der Dauer des Sicherungsgeschäfts konkret für wahrscheinlich halten. Dafür war im Streitfall jedoch nichts ersichtlich.

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