30.11.2023

Zulässige Berichterstattung über Besuch eines Geistlichen im Privathaus einer prominenten Person

Eine Textpassage in einer Berichterstattung über den Besuch eines Geistlichen im Privathaus einer prominenten Person (mehrfacher Formel-1-Weltmeister) war zulässig. In dem Text wurde lediglich die übliche und erwartbare Geste eines hohen katholischen Geistlichen (ein mit dem Daumen auf die Stirn gezeichnetes Kreuzzeichen) am Ende seines Besuchs bei dem ihm vertrauten und sich zum christlichen Glauben bekennenden Prominenten geschildert.

BGH v. 24.10.2023 - VI ZR 1074/20
Der Sachverhalt:
Der Kläger, mehrfacher Formel-1-Weltmeister, nimmt die Beklagte auf Unterlassung von Teilen einer Presseberichterstattung in Anspruch. Bei einem Skiunfall Ende 2013 ist der Kläger schwer verunglückt. Seither ist er nicht mehr persönlich öffentlich aufgetreten. Die Beklagte verlegt die Zeitschrift "Freizeit Revue". In der Ausgabe Nr. 50 vom 5.12.2018 erschien folgender hier auszugsweise wiedergegebener Artikel unter voller Namensnennung:

"S[...] ist wieder da!
Er sieht aus wie früher!
Vor zwei Wochen berichtete Freizeit Revue über die enge Freundschaft zwischen der Familie S[...] und dem Papst-Vertrauten G[...] G[...]. Jetzt enthüllt er, wie er die Formel-1-Legende bei einem Besuch erlebt hat.
Zäune, dichtes Gebüsch und hohe Bäume umgeben M[...] S[...]s (49) etwa 60 Hektar großes Anwesen [...]. Wer das gusseiserne Eingangstor passieren, zum Haupthaus fahren und in die heiligen Hallen eintreten darf, entscheidet seine Familie. Nur wenigen Vertrauten wurde diese Ehre zuteil. Und wer drin war, legte den Mantel des Schweigens über das, was er sah und erlebte. Bis jetzt!
Wie Freizeit Revue vor Kurzem berichtete, gehört zum Kreis der Vertrauten auch Erzbischof Dr. G[...] G[...] (62). Der Privatsekretär von Papst Franziskus (81) hatte schon verraten, dass er als Priester gern für die Familie da sei. Jetzt sprach er über einen persönlichen Besuch bei S[...]. "Ich unterhielt mich zunächst mit C[...] S[...] und ihrer Mutter, dann brachte ein Therapeut M[...] S[...] ins Wohnzimmer", offenbart G[...] in "Bild".
[...]
Ausblick. "Die Familie ist das schützende Nest, das M[...] unbedingt benötigt. Seine Frau ist die Seele der Familie." Bevor sich der Geistliche verabschiedete, zeichnete er mit dem Daumen noch ein Kreuzzeichen auf S[...]s Stirn. Versprach, für ihn zu beten. Das war 2016. Heute soll es M[...] deutlich besser gehen, als viele denken. Das macht doch Hoffnung!"

Das LG verurteilte die Beklagte unter Ziffer 4 des Tenors seines Urteils, es zu unterlassen, in Bezug auf den Kläger zu behaupten/behaupten zu lassen und/oder zu verbreiten/verbreiten zu lassen: "Bevor sich der Geistliche verabschiedete, zeichnete er mit dem Daumen noch ein Kreuzzeichen auf S[...]s Stirn", so wie dies in der FREIZEIT REVUE (s.o.) geschehen ist. Die Berufung der Beklagten hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH die Urteile von OLG und LG hinsichtlich Ziffer 4 des Tenors auf wies die Klage insoweit ab.

Die Gründe:
Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Entgegen der Auffassung des OLG steht dem Kläger hinsichtlich der noch im Streit stehenden Textpassage "Bevor sich der Geistliche verabschiedete, zeichnete er mit dem Daumen noch ein Kreuzzeichen auf S[...]s Stirn." kein Unterlassungsanspruch gem. § 1004 Abs. 1 Satz 2 analog, § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK zu.

Das OLG ist zunächst zu Recht davon ausgegangen, dass die Veröffentlichung der Textpassage das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers in seiner Ausprägung als Recht auf Achtung der Privatsphäre beeinträchtigt. Hinsichtlich der angegriffenen Textpassage überwiegt jedoch das Schutzinteresse des Klägers das durch Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK geschützte Recht der Beklagten auf freie Meinungsäußerung nicht. Die vorzunehmende Abwägung führt dazu, dass das berechtigte Interesse des Klägers am Schutz seines Persönlichkeitsrechts das von der Beklagten verfolgte berechtigte Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihr Recht auf Meinungsfreiheit nicht überwiegt.

Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit wird durch die große Bekanntheit des Klägers und den Umstand, dass ein hoher Geistlicher der katholischen Kirche den Kläger, dem aufgrund seiner Prominenz eine Leitbild- und Kontrastfunktion zukommt, zu Hause besuchte, begründet. Die Öffentlichkeit hat auch ein Interesse an der kritischen Auseinandersetzung der Presse damit, dass dieser hohe katholische Geistliche nach dem Aufenthalt im Wohnhaus des Klägers über Einzelheiten seines Besuchs - entgegen den Gepflogenheiten anderer Vertrauter des Klägers - nicht schwieg, sondern mit der Presse sprach.

Die angegriffene Textpassage beeinträchtigt die Privatsphäre des Klägers nur geringfügig. Zu berücksichtigen ist, dass der Kläger die Berichterstattung der Beklagten nicht angegriffen hat, soweit im Artikel erwähnt wird, dass der Geistliche den Kläger in seinem Wohnhaus besucht habe und "zum Kreis der Vertrauten" des Klägers und seiner Familie gehöre sowie "als Priester gern für die Familie da sei". Auch soweit mitgeteilt wird, dass der Geistliche dem Kläger am Ende seines Besuchs versprochen habe, für ihn zu beten, hat der Kläger die Berichterstattung nicht angegriffen. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des OLG hat der Kläger bzw. seine Familie bereits bei anderer Gelegenheit eine Verbindung zu diesem Geistlichen in der Öffentlichkeit demonstriert und ist öffentlich bekannt, dass der Kläger sich zum christlichen Glauben bekennt.

Vor diesem Hintergrund enthält die Textpassage lediglich die Schilderung einer üblichen und erwartbaren Geste eines hohen katholischen Geistlichen am Ende seines Besuchs bei dem ihm vertrauten und sich zum christlichen Glauben bekennenden Kläger. Weder wird über die Reaktion des Klägers auf diese religiöse Geste des Geistlichen berichtet, noch wird mitgeteilt, ob der Kläger eine eigene religiöse Handlung vorgenommen hat. Hinzu kommt, dass die Beklagte diese Information nicht auf rechtswidrige oder indiskrete Weise erlangt, sondern der Geistliche sie der Presse preisgegeben hat. Damit liegt eine nur unerhebliche Beeinträchtigung der Privatsphäre des Klägers vor, weshalb im Rahmen der Abwägung sein Persönlichkeitsrecht das erhebliche berechtigte Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der Berichterstattung nicht überwiegt.

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Aufsatz:
Verdachtsberichterstattung über Politiker
Christian Conrad / Marvin Damian Hubig, AfP 2023, 121
AFP0051150

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