02.10.2025

Zulässige Vollstreckung eines Auskunftstitels nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners ist die Vollstreckung eines Auskunftstitels nach § 888 ZPO weiter möglich, auch wenn die Auskunft der Vorbereitung eines Schadensersatzanspruchs dient, der als Teil der Insolvenzmasse nach Verfahrenseröffnung nicht mehr der Einzelzwangsvollstreckung unterläge. Der Gläubiger hat weiterhin ein berechtigtes Interesse an der Vollstreckung der Auskunft, da die bezifferte Schadensersatzforderung dann jedenfalls zur Tabelle angemeldet werden könnte.

OLG Frankfurt a.M. v. 18.9.2025 - 6 W 117/25
Der Sachverhalt:
Die Gläubigerin erwirkte im April 2023 ein vorläufig vollstreckbares Urteil des Senats, mit dem die Schuldnerin u.a. zu Auskunft und Rechnungslegung verurteilt wurde. Auf Antrag der Gläubigerin verhängte das LG im Januar 2025 ein Zwangsgeld i.H.v. 10.000 € wegen Nichterteilung der Auskunft. Hiergegen legte die Schuldnerin sofortige Beschwerde ein. Im April 2025 ordnete das AG Charlottenburg nach § 270b Abs. 1 Satz 1 InsO die vorläufige Eigenverwaltung der Beklagten an. Maßnahmen der Zwangsvollstreckung einschließlich der Vollziehung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung gegen die Schuldnerin wurden untersagt, soweit nicht unbewegliche Gegenstände betroffen sind; bereits begonnene Maßnahmen wurden einstweilen eingestellt. Im Mai 2025 eröffnete das AG Charlottenburg das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und ordnete Eigenverwaltung an.

Das LG stellte die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil am 27.5.2025 einstweilen ein. Das AG Charlottenburg - Insolvenzgericht - habe im April 2025 eine vorläufige Sicherungsanordnung nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InsO getroffen, von der nur unbewegliches Vermögen ausgenommen sei. Damit sei nach herrschender Meinung die Einzelvollstreckung auch nach §§ 887 ff. ZPO gesperrt. Dies sei sachgerecht, weil anderenfalls den beiden zentralen, das deutsche Insolvenzrecht beherrschenden, Grundprinzipien des Masseerhalts und der Gläubigergleichbehandlung nicht entsprochen würde. Denn auch eine Vollstreckung nach den §§ 887 ff. ZPO könne zu einer Reduzierung des Schuldnervermögens führen.

Hierbei sei auch eine Einzelvollstreckung zur ersatzweisen oder direkten Vollstreckung von Zwangshaft an dem Geschäftsführer der Schuldnerin nicht in Betracht gekommen. Denn von Verfassungswegen könne ein damit verbundener Freiheitsentzug nur dann in Betracht kommen, wenn zuvor durch Verhängung einer Geldauflage kein Vollstreckungserfolg zu erzielen war. Sei eine solche Geldauflage wegen insolvenzrechtlicher Beschränkungen schon nicht endgültig festsetzbar und dem Geschäftsführer daher die Zahlung eines bestimmten Geldbetrages aus dem Schuldnervermögen zur Abwendung von Haft von vornherein verwehrt, könne dies nicht dazu führen, dass das verfassungsrechtlich abgesicherte, gestufte Sanktionssystem mit einem Nachrang des Freiheitsentzugs aufgegeben werde.

Auf die Beschwerde der Gläubigerin hob das OLG den Beschluss des LG vom 27.5.2025 auf.

Die Gründe:
Eine Grundlage für eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des LG ist nicht (mehr) vorhanden.

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung am 16.5.2025 führt nicht zu einer Einstellung der Zwangsvollstreckung. Soweit das LG in der Nichtabhilfeentscheidung darauf hinweist, die Zwangsvollstreckung auch aus einem Titel nach § 888 ZPO, der den Schuldner aufgrund eines akzessorischen Auskunftsanspruchs zur Auskunft verpflichtet, sei unzulässig, wenn die Hauptforderung, deren Durchsetzung der Auskunftsanspruch dient, eine Insolvenzforderung ist, teilt der Senat diese Ansicht nicht. Wesentlicher Normzweck des § 89 InsO ist die Sicherung der par conditio creditorum. 

Das Ziel des Insolvenzverfahrens der gemeinschaftlichen und gleichmäßigen Befriedigung der Insolvenzgläubiger könnte nicht erreicht werden, wenn einzelnen Insolvenzgläubigern während des Verfahrens, über ihren Anspruch auf die Quote hinaus, ein Vollstreckungszugriff auf das Vermögen des Schuldners erlaubt wäre. Die Vorschrift verleiht damit dem Grundsatz Ausdruck, dass das Insolvenzverfahren als Gesamtvollstreckungsverfahren die (Einzel-)Zwangsvollstreckung verdrängt. Um einen solchen, den Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung der Insolvenzgläubiger verletzenden Fall handelt es sich indes nicht.

Zwar handelt es sich bei den in Rechtsprechung und Literatur beschriebenen Fallgestaltungen überwiegend um Fälle, in denen die geschuldete unvertretbare Handlung nicht akzessorisch ist, sondern für sich steht. Dies bedeutet jedoch nicht, dass nicht auch Zwangsvollstreckungen nach § 888 ZPO in der Insolvenz möglich sind, die nur akzessorisch sind und einen insolvenzbefangenen Hauptanspruch vorbereiten sollen. Erst die Hauptforderung stellt nämlich die insolvenzbefangene Forderung dar. Der Schutzzweck des § 89 InsO erfordert es nicht, bereits die Durchsetzung der vorbereitenden Auskunft zu sperren. Darüber hinaus hat der Gläubiger ein berechtigtes Interesse daran, den vorbereitenden Anspruch schon durchzusetzen, um sodann z.B. seine Forderung beziffern und zur Tabelle anmelden zu können.

Mehr zum Thema:

Kommentierung | InsO
§ 89 Vollstreckungsverbot
Kayser in Kayser/Thole, Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 11. Aufl. 2023

Kommentierung | InsO
§ 270 Grundsatz
Brünkmans in Kayser/Thole, Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 11. Aufl. 2023

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Kommentierung | ZPO
§ 888 Nicht vertretbare Handlungen
Seibel in Zöller, Zivilprozessordnung, 36. Aufl. 2026
10/2025

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