13.05.2011

Zum Abweichen des Treuhänders von der Pflicht zur Offenlegung der Abtretungsanzeige gegenüber dem Arbeitgeber des Schuldners

Sieht der Treuhänder im Fall eines abhängig beschäftigten Schuldners von der gesetzlich gebotenen Offenlegung der Abtretungsanzeige gegenüber dessen Arbeitgeber ab, hat er die vom Schuldner abzuführenden Beträge eigenverantwortlich zu berechnen und monatlich einzuziehen. Zahlungen zu beliebigen Zeitpunkten darf der Treuhänder dem Schuldner nicht gestatten.

BGH 7.4.2011, IX ZB 40/10
 Der Sachverhalt:
Das im November 2004 eröffnete vereinfachte Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners wurde mit Beschluss von November 2008 aufgehoben. Der Schuldner ist seit Mai 2008 als Trainer einer Eishockey-Bundesligamannschaft beschäftigt. Statt seiner Arbeitgeberin die Abtretungserklärung des Schuldners anzuzeigen, vereinbarte der Treuhänder mit dem Schuldner die Zahlung eines mtl. Betrages i.H.v. 321 €, der dem vom Arbeitgeber abzuführenden pfändbaren Betrag entsprechen sollte.

Mit anwaltlichem Schreiben von September 2009 stellte die Gläubigerin den Antrag, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen, weil dieser dem Treuhänder verheimlicht habe, dass er neben seinem mtl. Nettoeinkommen erhebliche geldwerte Sachleistungen sowie Prämienzahlungen für das Erreichen von Play-Off-Runden erhalten habe. Außerdem könne er als Cheftrainer eines Eishockey-Bundesligavereins ein erheblich höheres jährliches Einkommen beziehen, als ihm tatsächlich gezahlt werde.

Nach Eingang des Versagungsantrags führte der Treuhänder eine Nachberechnung der vom Schuldner abzuführenden Beträge durch, die eine Nachzahlung von mehr als 15.000 € ergab, die der Schuldner entrichtete. Soweit der Schuldner geldwerte Vorteile erhielt, gab der Treuhänder gegenüber dem Insolvenzgericht an, hierüber informiert worden zu sein. Der Schuldner habe ihm sämtliche erforderlichen Unterlagen vorgelegt.

AG - Insolvenzgericht - und LG wiesen den Versagungsantrag der Gläubigerin zurück. Auf die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin hob der BGH den Beschluss des LG auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LG zurück.

Die Gründe:
Die Frage, zu welchem Zeitpunkt der Schuldner in der Wohlverhaltensphase die von ihm zu erbringenden Zahlungen an den Treuhänder leisten muss, stellt sich nur für den Schuldner, der eine selbständige Tätigkeit ausübt (§ 295 Abs. 2 InsO). Im Streitfall geht der Schuldner jedoch einer abhängigen Beschäftigung nach. Für ihn gilt § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO. Er darf dem Treuhänder keine von der Abtretungserklärung erfassten Bezüge verheimlichen. Nach § 292 Abs. 1 S. 1 und 2 InsO ist der Treuhänder verpflichtet, den zur Zahlung der Bezüge Verpflichteten über die Abtretung zu unterrichten und die Beträge, die er durch die Abtretung erlangt, und sonstige Leistungen des Schuldners oder Dritter von seinem Vermögen getrennt zu halten und einmal jährlich aufgrund des Schlussverzeichnisses an die Insolvenzgläubiger zu verteilen.

Von dieser Verpflichtung ist der Treuhänder vorliegend abgewichen, indem er im Einvernehmen mit dem Schuldner von der Vorlage der Abtretungserklärung bei dessen Arbeitgeber abgesehen hat. Dies entbindet den Schuldner jedenfalls nicht davon, mtl. die Beträge an den Treuhänder abzuführen, die im Fall der Unterrichtung des Arbeitgebers von der Abtretungserklärung vom Arbeitgeber abzuführen gewesen wären. Den Treuhänder trifft daher die Pflicht, die vom Schuldner mtl. abzuführenden Beträge anhand der jeweils zu aktualisierenden Angaben des Schuldners nach Maßgabe der §§ 850 ff ZPO zu ermitteln und vom Schuldner einzufordern. Zahlungen zu beliebigen Zeitpunkten darf der Treuhänder dem Schuldner nicht gestatten. Dieser Pflicht hat der Treuhänder vorliegend nicht genügt.

Allerdings kann dem Schuldner die Restschuldbefreiung aufgrund der fehlerhaften Verfahrensweise des Treuhänders nicht versagt werden, weil der Schuldner die vom Treuhänder berechneten Beträge an den Treuhänder abgeführt hat. Nach § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO führt nur das "Verheimlichen" von Bezügen, die von der Abtretungserklärung erfasst werden, zur Versagung der Restschuldbefreiung. Berechnet der Treuhänder dagegen die abzuführenden Beträge fehlerhaft, obwohl er durch den Schuldner zutreffend und vollständig informiert worden ist, hat das Zurückbleiben der Zahlungen des Schuldners hinter den bei zutreffender Berechnung geschuldeten Beträge für die Versagung der Restschuldbefreiung mangels Verletzung einer Obliegenheit des Schuldners keine Bedeutung.

Die Gläubigerin macht aber mit Recht geltend, das LG habe ihren Vortrag zum Verheimlichen von Bezügen übergangen. Es hat sich nicht damit auseinandergesetzt, dass der Treuhänder danach trotz regelmäßiger Erhöhung der Nettobezüge des Schuldners auf bis zu 5.138 € ab Januar 2009 noch im Juni 2009 von einem Nettogehalt von 3.800 € ausgegangen ist und eine Nachberechnung der vom Schuldner abzuführenden Beträge erst im Oktober 2009 vorgenommen hat, nachdem der Versagungsantrag der Gläubigerin bereits gestellt worden war. Dies wird im zweiten Rechtsgang nachzuholen sein.

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