19.05.2011

Zum Anspruch auf rechtliches Gehör im Einspruchsverfahren vor dem Patentgericht

Hält das Patentgericht den Gegenstand eines mit dem Einspruch angegriffenen Patents im Hinblick auf eine Entgegenhaltung für nahegelegt, die bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt worden ist und in der Einspruchsbegründung zwar angeführt, aber eher beiläufig behandelt wird, reicht es zur Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör grundsätzlich aus, wenn dem Patentinhaber in der mündlichen Verhandlung ein entsprechender Hinweis erteilt wird.

BGH 12.4.2011, X ZB 1/10
Der Sachverhalt:
Die Rechtsbeschwerdeführerin ist Inhaberin des deutschen Patents 197 57 493 (Streitpatents), das im Dezember 1997 unter Inanspruchnahme der Priorität einer koreanischen Anmeldung von Dezember 1996 angemeldet worden ist. Das Streitpatent betrifft einen modularen Fernseher und ein Steuerungsverfahren dafür.

Die Rechtsbeschwerdegegnerin erhob gegen das Streitpatent Einspruch. Sie macht geltend, der Gegenstand des Streitpatents beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Die Patentinhaberin hat das Schutzrecht in erster Linie in der erteilten Fassung und hilfsweise in geänderter Fassung verteidigt.

Das BPatG widerrief das Streitpatent mit der angefochtenen Entscheidung. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Patentinhaberin hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das BPatG hat den Anspruch der Patentinhaberin auf rechtliches Gehör nicht verletzt.

Das Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) ist verletzt, wenn das Patentgericht die Patentfähigkeit unter Berufung auf eine zum Stand der Technik gehörende Veröffentlichung verneint, die der Einsprechende nur beiläufig in Zusammenhang mit einem zusätzlich geltend gemachten Widerrufsgrund erwähnt hat, ohne zuvor den Patentinhaber darauf hinzuweisen, dass diese Veröffentlichung der Patentfähigkeit entgegenstehen könnte. Im Streitfall war das BPatG gehalten, die Patentinhaberin darauf hinzuweisen, dass der Gegenstand des Streitpatents durch die US-Patentschrift 5 274 455 nahegelegt sein könnte. Dieser Hinweispflicht hat das BPatG genügt, indem es zu Beginn der mündlichen Verhandlung über den Einspruch darauf hingewiesen hat, dass es gegenüber der Entgegenhaltung D3 der Einsprechenden keine erfinderische Tätigkeit sehe.

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde war das BPatG nicht gehalten, einen Hinweis dieses Inhalts bereits vor der mündlichen Verhandlung zu erteilen. Ein in der mündlichen Verhandlung erteilter Hinweis ist zur Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör allerdings nicht ausreichend, wenn der Beteiligte keine angemessene Möglichkeit hat, im Rahmen der Verhandlung zu dem Hinweis Stellung zu nehmen. Hat das Gericht in solchen Konstellationen den Hinweis nicht bereits in angemessenem zeitlichem Abstand vor der mündlichen Verhandlung erteilt, ist es von Verfassungs wegen gehalten, die Verhandlung zu vertagen oder dem Beteiligten ein Schriftsatzrecht einzuräumen.

Diese Voraussetzungen lagen im Streitfall indes nicht vor. Die Patentinhaberin hatte in der mündlichen Verhandlung auch ohne einen schon im Vorfeld erteilten Hinweis ausreichend Gelegenheit, zum Offenbarungsgehalt der Entgegenhaltung D3 und den sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen für die Patentfähigkeit Stellung zu nehmen. Die Entgegenhaltung wird in der Beschreibung des Streitpatents ausdrücklich erwähnt und ist im Erteilungsverfahren für die Beurteilung der Patentfähigkeit in Betracht gezogen worden. Auch die Einsprechende hat diese Veröffentlichung in ihrer Einspruchsbegründung als eine von vier Entgegenhaltungen aufgeführt. Vor diesem Hintergrund durfte das BPatG davon ausgehen, dass die Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung auch ohne vorherigen Hinweis zu dieser Entgegenhaltung Stellung nehmen kann.

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