17.12.2013

Zum Anspruch des Neugläubigers auf Ausgleich einer Nachlassverbindlichkeit gegen den Erben

Nach dem Tod des Schuldners richtet sich der Anspruch des Neugläubigers auf Ausgleich einer Nachlassverbindlichkeit gegen den Erben. Die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandenen Verbindlichkeiten des Schuldners waren keine Insolvenzforderungen und können im Todesfall diese Eigenschaft nicht erhalten.

BGH 26.9.2013, IX ZR 3/13
Der Sachverhalt:
Am 1.9.2008 wurde über das Vermögen der Mutter des Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet. Am 17.12.2008 schloss die Mutter mit dem Kläger einen Mietvertrag über eine Wohnung in einer Seniorenresidenz. Der Beginn des Mietverhältnisses wurde auf den 1.1.2009 festgelegt.

Die monatliche Miete betrug 740 € zzgl. einer Nebenkostenvorauszahlung i.H.v. 140 €. Gleichzeitig ging sie mit einer Gesellschaft, deren Geschäftsführer der Kläger war, ein als "Betreuungsvertrag" bezeichnetes Vertragsverhältnis ein, nach dessen Inhalt für die Grundversorgung ein weiteres Entgelt von 90 € mtl. geschuldet wurde.

Am 30.11.2010 verstarb die Mutter; der Beklagte ist deren Alleinerbe. Mit Schreiben vom 1.12.2010 kündigte er das Mietverhältnis zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Der Kläger macht restliche Mietzahlungen für die Monate Dezember 2010, Januar und Februar 2011 sowie Telefonkosten und vorgerichtliche Anwaltskosten geltend.

AG und OLG gaben der Klage statt. Dem Beklagten wurde die Beschränkung seiner Haftung auf den Nachlass seiner Mutter vorbehalten. Die Revision des Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die begründeten Mietforderungen unterliegen nicht der Durchsetzungssperre (§ 87 InsO). Diese erfasst nur die Gläubiger, die einen bereits zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Anspruch gegen den Schuldner haben (§ 38 InsO).

Neugläubiger sind durch § 87 InsO nicht gehindert, ihre nach Verfahrenseröffnung entstandenen Ansprüche gegen den Schuldner unmittelbar geltend zu machen und in das beschlagnahmefreie Vermögen zu vollstrecken. Die vorliegenden Forderungen sind nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin entstanden. Passivlegitimiert ist der Beklagte. Die Mietforderungen betreffen den Zeitraum nach dem Tod der Schuldnerin bis zum Ende des Mietverhältnisses. Hierbei handelt es sich um eine reine Nachlassverbindlichkeit, sodass der Erbe - hier der Beklagte - seine Haftung auf den Nachlass beschränken kann.

Nach ganz überwiegender Ansicht wird angenommen, dass nur das zwischen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und dem Erbfall erworbene pfändbare Vermögen des Erblassers zur Masse gehört, so dass sich die Neugläubiger des Erblassers an das bisher nicht pfändbare Restvermögen des Schuldners halten müssen. Demgegenüber wird - auch von der Revision - vertreten, § 38 InsO werde durch § 325 InsO insoweit verdrängt, als auch Verbindlichkeiten des Schuldners, die dieser nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet hat und die gem. § 1967 BGB mit dem Erbfall Nachlassverbindlichkeiten werden, gem. § 325 InsO Insolvenzforderungen sind. Der ersten Auffassung ist der Vorzug zu geben.

Das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners steht den Insolvenzgläubigern nicht zu, sondern ausschließlich den am Insolvenzverfahren nicht beteiligten Neugläubigern des Schuldners. Daher haftet der nach "Freigabe" einer selbständigen Tätigkeit gem. § 35 Abs. 2 InsO vom Schuldner durch diese Tätigkeit erzielte Neuerwerb während des eröffneten (Erst-)Verfahrens grundsätzlich nur den Neugläubigern, nicht aber den Insolvenzgläubigern. Der Tod des Schuldners ändert hieran nichts. Dessen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandenen Verbindlichkeiten waren keine Insolvenzforderungen und können im Todesfall diese Eigenschaft nicht erhalten.

Aus der Bestimmung des § 325 InsO kann nichts Gegenteiliges abgeleitet werden. Diese Vorschrift, nach der im Insolvenzverfahren über einen Nachlass nur die Nachlassverbindlichkeiten geltend gemacht werden können, spricht lediglich die Selbstverständlichkeit an, dass Eigenverbindlichkeiten des Erben im Insolvenzverfahren nicht verfolgt werden können. Sie ist die Kehrseite der Trennung zwischen dem Nachlass und dem Eigenvermögen des Erben. Die Bestimmung ist keine Ersatzregelung, welche den Anwendungsbereich des § 38 InsO vom Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung auf den des Todes des Insolvenzschuldners erstreckt.

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