15.07.2025

Zum Beweis der Forderung bei allein auf eine Forderung aus einem vollstreckbaren Endurteil gestütztem Insolvenzantrag

Stützt ein Gläubiger seinen Insolvenzantrag allein auf eine Forderung aus einem vollstreckbaren Endurteil, entfällt der mit dem Urteil erbrachte Beweis der Forderung als Voraussetzung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch in diesem Fall, wenn der Schuldner auf dem Prozessweg - sei es auch nur vorläufig - die Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil erreicht und die ggf. an die Einstellung gestellten Voraussetzungen erfüllt.

BGH v. 22.5.2025 - IX ZB 38/24
Der Sachverhalt:
Der Schuldner und seine Ehefrau waren Miteigentümer einer Immobilie zu je 1/2. Aufgrund eines sie als Erben der Ehefrau ausweisenden Erbscheins sind die weiteren Beteiligten zu 1) und 2) in Erbengemeinschaft neben dem Schuldner als hälftige Eigentümer dieser von dem Schuldner bewohnten Immobilie im Grundbuch eingetragen. Sie betreiben die Zwangsversteigerung des hälftigen Miteigentumsanteils des Schuldners an der Immobilie und die Zwangsversteigerung zur Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft. Am 27.10.2022 erwirkten sie vor dem OLG Karlsruhe ein rechtskräftiges Urteil über Miete und Nutzungsentschädigung in Bezug auf das Anwesen gegen den Schuldner. Wegen der Forderung sind die Beteiligten nicht dinglich an der Immobilie gesichert.

Der Schuldner verweigert die Begleichung dieser Forderung genauso wie die Bedienung weiterer zugunsten der Beteiligten gegen ihn titulierter Forderungen mit der Begründung, die Beteiligten seien nicht Erben nach seiner Ehefrau geworden. Sie seien daher zu Unrecht im Grundbuch als Miteigentümer der Immobilie eingetragen worden. Das sie begünstigende Testament seiner verstorbenen Ehefrau vom 9.1.2008 sei unwirksam. Am 2.1.2023 erhob der Schuldner eine dahingehende Erbenfeststellungsklage vor dem LG Mainz. Am 25.1.2023 stellten die Beteiligten Insolvenzantrag gegen ihn. Am 4.5.2023 erhob der Schuldner wegen der Forderung aus dem rechtskräftigen Urteil des OLG Karlsruhe vom 27.10.2022 Vollstreckungsgegenklage. Mit Beschluss vom 17.10.2023 stellte das LG Karlsruhe die Zwangsvollstreckung aus dem genannten Urteil einstweilen ein.

Das AG - Insolvenzgericht - eröffnete das Verfahren mit Beschluss vom 5.6.2023 und bestellte den weiteren Beteiligten zu 3) zum Insolvenzverwalter. Das LG hob die Entscheidung auf die sofortige Beschwerde des Schuldners mit Beschluss vom 15.8.2023 auf und verwies die Sache an das AG zurück. Mit Beschluss vom 20.3.2024 eröffnete das AG das Verfahren erneut. Das LG wies die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Schuldners zurück. Mit der von dem Einzelrichter zugelassenen Rechtsbeschwerde wendet sich der Schuldner weiterhin gegen den Eröffnungsbeschluss. Mit Beschluss vom 21.11.2024 setzte der Senat antragsgemäß die weitere Vollziehung des Eröffnungsbeschlusses bis zur Entscheidung über die Rechtsbeschwerde einstweilen aus.

Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners hob der BGH den Beschluss des Einzelrichters des LG auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung dorthin zurück.

Die Gründe:
Der angefochtene Beschluss unterliegt der Aufhebung, weil er unter Verletzung des verfassungsrechtlichen Gebots des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) ergangen ist. Der Einzelrichter hat bei Rechtssachen, die grundsätzliche Bedeutung haben oder besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweisen, das Verfahren gem. § 568 Satz 2 ZPO zwingend dem Kollegium zu übertragen. Bejaht er wie im Streitfall mit seiner Entscheidung, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, entscheidet er aber zugleich in der Sache als Einzelrichter, so ist seine Entscheidung objektiv willkürlich und verstößt gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters, was von dem Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen zu beachten ist.

Hängt das Vorliegen des Eröffnungsgrunds - wie nach den bisherigen Feststellungen des LG im Streitfall - vom Bestand der Forderung des antragstellenden Gläubigers dergestalt ab, dass der Schuldner nur dann zahlungsunfähig oder überschuldet ist, wenn die von dem antragstellenden Gläubiger geltend gemachte Forderung besteht, reicht die Glaubhaftmachung der Forderung nicht aus. In diesem Fall hat der Gläubiger den Bestand seiner Forderung zu beweisen, wenn ihr der Schuldner substantiiert widerspricht. Der Beweis kann durch die Vorlage eines Titels über die Forderung geführt werden. Ist die Forderung dagegen nicht tituliert, gehen Zweifel zu Lasten des antragstellenden Gläubigers. Es gehört nicht zu den Aufgaben des Insolvenzgerichts, den Bestand ernsthaft bestrittener, rechtlich zweifelhafter Forderungen zu überprüfen. Fällt die tatsächliche oder rechtliche Beurteilung nicht eindeutig aus, ist der Gläubiger in diesem Fall auf den Prozessweg zu verweisen.

Dem Insolvenzgericht obliegt es auf der anderen Seite ebenso wenig, rechtlich und tatsächlich zweifelhaften Einwänden des Schuldners gegen eine titulierte Forderung nachzugehen. Insoweit ist der Schuldner ebenfalls auf den Prozessweg zu verweisen, dem - in Eilfällen auch kurzfristig - hinreichende Möglichkeiten zur Verfügung stehen, die Vollstreckbarkeit auf den dafür vorgesehenen prozessualen Wegen zu beseitigen. Ist es dem Schuldner gelungen, die Vollstreckbarkeit der titulierten Forderung auf diese Weise - sei es auch nur vorläufig - zu beseitigen, fehlt es an dem erforderlichen Beweis der Forderung des antragstellenden Gläubigers. Allein der darauf abzielende Antrag des Schuldners genügt insoweit allerdings nicht. Erforderlich ist eine stattgebende Entscheidung des Prozessgerichts und ggf. die Erfüllung der darin bestimmten Voraussetzungen für die (vorläufige) Einstellung der Zwangsvollstreckung.

In der in Frage stehenden Fallgestaltung geht die Bedeutung des Titels über die Frage der bloßen Betreibungslast für eine zur Tabelle angemeldete und bestrittene Forderung hinaus, weil von ihm die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit seinen weitreichenden Folgen in entscheidender Weise abhängt. Insoweit ist es angemessen, den Schuldner mit Blick auf die Eröffnungsvoraussetzungen nicht anders als bei (sonstigen) vollstreckbaren Schuldtiteln zu behandeln und keine höheren Anforderungen an die Beseitigung der Beweiswirkung des Titels zu stellen. Gelingt es dem Schuldner auf dem Prozessweg, die Einzelzwangsvollstreckung aus dem Endurteil vorläufig einstellen zu lassen und erfüllt er die in dem Einstellungsbeschluss ggf. bestimmten Voraussetzungen, steht dieser Umstand daher dem Betreiben der Gesamtvollstreckung mittels Insolvenzantrags ebenfalls (einstweilen) entgegen, wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens lediglich und gerade auf diese eine Forderung gestützt werden soll. Der Schuldner würde ansonsten bei einem Insolvenzantrag seines Gläubigers wegen der Eilbedürftigkeit des Insolvenzeröffnungsverfahrens in vielen Fällen faktisch rechtlos gestellt, wenn er darauf verwiesen würde, erst das gegen ihn erwirkte Urteil in der Hauptsache, etwa durch ein erfolgreiches Rechtsmittel oder eine erfolgreiche Vollstreckungsgegenklage, zu Fall zu bringen.

Dies gilt anders als das LG meint auch in den Fällen, in denen der Gläubiger - wie im Streitfall - sich auf ein rechtskräftiges Urteil stützt und der Eröffnungsgrund vom Bestand dieser Forderung des antragstellenden Gläubigers dergestalt abhängt, dass der Schuldner nur dann zahlungsunfähig oder überschuldet ist, wenn diese Forderung besteht. Daher war das LG grundsätzlich nicht befugt, trotz der vom Schuldner mit Beschluss des Landgerichts Karlsruhe vom 17.10.2023 erreichten einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem rechtskräftigen Urteil des OLG Karlsruhe vom 27.10.2022 zu prüfen, ob die vom Schuldner gegen dieses Urteil erhobene Vollstreckungsgegenklage gem. § 767 ZPO und die Klage gem. § 826 BGB Erfolg haben würden.

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Kommentierung | InsO
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Sternal in Kayser/Thole, Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 11. Aufl. 2023

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