24.05.2012

Zum existenzvernichtenden Eingriff durch Gesellschafter-Geschäftsführer

Den Gesellschafter-Geschäftsführern einer GmbH, die in der Liquidation das Gesellschaftsvermögen an eine Gesellschaft, die von ihnen abhängig ist, veräußern, ist nur dann ein existenzvernichtender Eingriff zur Last zu legen, wenn die Vermögensgegenstände unter Wert übertragen werden. Die Gesellschafter sind nicht verpflichtet, den Geschäftsbetrieb der GmbH fortzuführen.

BGH 23.4.2012, II ZR 252/10
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Verwalter in einem im Januar 2005 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen einer GmbH. Die drei Beklagten sind deren Gesellschafter-Geschäftsführer. Die GmbH führte Bildungsmaßnahmen im Auftrag der Arbeitsverwaltung durch. Im Jahr 2003 erzielte sie auf Grundlage eines - zunächst vorläufigen - Jahresabschlusses einen Bilanzgewinn i.H.v. 490.609 €. Im Januar 2004 zahlten sich die Beklagten 480.000 € als Vorabgewinnausschüttung aus. Zu diesem Zeitpunkt standen Darlehen der GmbH an ihre Gesellschafter i.H.v. 136.058 € und an eine AG i.H.v. 112.516 € offen. Diese wurden später teilweise zurückgezahlt.

Durch die sog. Hartz-Gesetze in den Jahren 2003 und 2004 änderte sich das Vergabeverfahren für die Bildungsmaßnahmen und im März 2004 erhielt die Gesellschaft keine Aufträge mehr. Daraufhin beschlossen die Beklagten im Juni 2004, diese zum 31.8.2004 aufzulösen. Umgehend veräußerten die Beklagten die Geschäftsausstattung der Insolvenzschuldnerin an eine Verwertungsgesellschaft und schlossen darüber einen Leasingvertrag ab (Sale-and-lease-back). Im Juli 2004 gründeten sie eine Wirtschaftsakademie in Form einer AG & Co. KG, die ebenfalls von den Beklagten abhängig war. Die Wirtschaftsakademie trat in die Mietverträge der GmbH sowie in die Leasingverträge ein und übernahm die Mitarbeiter.

Im Dezember 2004 beantragten die Beklagten die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen Zahlungsunfähigkeit. Der Kläger ist der Auffassung, die Maßnahmen der Beklagten stellten insgesamt einen existenzvernichtenden Eingriff in das Vermögen der GmbH dar. Deshalb seien die Beklagten verpflichtet, Schadensersatz i.H.v. insgesamt 328.760 € zu zahlen. Außerdem hätten die Darlehensrückzahlungsansprüche im Rahmen der Gewinnausschüttung bei der Prüfung, ob dadurch eine Unterbilanz entstanden sei, nicht berücksichtigt werden dürfen. Von der Gewinnausschüttung seien somit 237.966 € zu Unrecht erfolgt.

Das LG gab der Klage i.H.v. insgesamt 117.966 € statt; das reduzierte den Betrag auf 16.058 €. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Das OLG durfte die Klage aufgrund der getroffenen Feststellungen nicht abweisen, soweit der Kläger beantragt hatte, die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 237.966 € zu verurteilen.

Dem Kläger stand zwar kein Anspruch i.H.v. 328.760 € aus § 826 BGB in der Fallgruppe des existenzvernichtenden Eingriffs zu, da die Beklagten nicht in sittenwidriger Weise die Insolvenz herbeigeführt hatten. Dies galt zum einen für die Ausschüttung im Januar 2004. Denn zu diesem Zeitpunkt konnten die Beklagten noch davon ausgehen, dass die GmbH die gesetzlichen Voraussetzungen für eine neue Beauftragung erfüllte und der Geschäftsbetrieb fortgesetzt werden konnte. Ebenso war der Auflösungsbeschluss zu Recht erfolgt. Die Beklagten waren jedenfalls nicht verpflichtet, den Geschäftsbetrieb der GmbH fortzuführen. Sie durften auch einen im Wesentlichen gleichartigen Geschäftsbetrieb in der Rechtsform einer anderen Gesellschaft, nämlich der Wirtschaftsakademie, aufnehmen. Denn veräußern die Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH in der Liquidation das Gesellschaftsvermögen an eine Gesellschaft, die von ihnen abhängig ist, kann darin nur dann ein existenzvernichtender Eingriff liegen, wenn die Vermögensgegenstände unter Wert übertragen werden. Und dies war hier nicht der Fall.

Der Kläger hat aber möglicherweise einen Anspruch i.H.v. 237.966 € aus § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 1, § 43 Abs. 3 GmbHG, für den die Beklagten als Gesamtschuldner haften. Rechtsfehlerhaft war das OLG u.a. davon ausgegangen, dass die (teilweise) Rückzahlung der Darlehen zu einem Erlöschen des Anspruchs aus § 31 Abs. 1, § 43 Abs. 3 GmbHG geführt hatten. Denn führt eine Ausschüttung an den Gesellschafter einer GmbH zu einer Unterbilanz, weil ein Darlehensrückzahlungsanspruch der Gesellschaft gegen den Gesellschafter nach bilanzrechtlichen Grundsätzen wertberichtigt werden muss, erlischt der Anspruch aus § 31 Abs. 1, § 30 Abs. 1 GmbHG nicht schon durch die Rückzahlung des Darlehens.

Entgegen der Ansicht des Klägers führte eine Berücksichtigung des § 43a GmbHG allerdings nicht zu dem Ergebnis, dass ein Anspruch nach § 31 Abs. 1, § 43 Abs. 3 GmbHG i.H.v. 237.966 € unabhängig von der Werthaltigkeit der Darlehensansprüche bestehen würde. Von § 43a GmbHG wird nur die Ausreichung eines Darlehens erfasst. Gerät die Gesellschaft später in eine Unterbilanz, ist § 43a GmbHG nicht anwendbar. Der Zweck der Vorschrift gebietet keine Ausdehnung auf Vermögensverschlechterungen nach der Auszahlung des Darlehens. Auch die vom Kläger aufgezeigte Gefahr einer Umgehung des Verbots aus § 43a GmbHG gab keinen Anlass zu einer abweichenden Entscheidung.

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