19.03.2020

Zum Meinungsäußerungsrecht von Handwerkskammern

Das Neutralitäts- und Zurückhaltungsgebot verbietet es Handwerkskammern, polemisch überspitzte Meinungsäußerungen zu veröffentlichen.

VG Frankfurt, 27.02.2020, 12 K 1039/19
Der Sachverhalt

Die Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main hatte in der Diskussion um Dieselfahrverbote und anderweitige Maßnahmen zur Luftreinhaltung im August und September 2018 mehrere Pressemitteilungen veröffentlicht, in denen sie sich unter anderem wie folgt geäußert hatte:

"Es kann nicht sein, dass wir an allen Ecken und Enden der Stadt Verkehrsversuche starten, sperren und verlangsamen, wenn das auf Kosten der Bevölkerung (...) geht."

"Fahrverbote schaden der Region, der Bevölkerung (...)"

"Die Situation ist für die Mitarbeiter unserer Unternehmen und die Unternehmen selbst eine Katastrophe."

Hiergegen wandte sich die Klägerin, welche eine Motorradwerkstatt betreibt und Mitglied der besagten Handwerkskammer ist, mit ihrem Antrag bei dem VG Frankfurt. Sie ist der Ansicht, dass die Beklagte mit diesen Stellungnahmen ihren gesetzlichen Aufgabenbereich überschreitet und zudem gegen das ihr auferlegte Zurückhaltungs- und Neutralitätsgebot verstößt.

Die Gründe

Das Verwaltungsgericht hat der Klage hinsichtlich der Äußerung zu 1) stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Industrie- und Handelskammern als Körperschaften des öffentlichen Rechts haben die Gesamtinteressen der Mitglieder ihres Bezirks wahrzunehmen. Da sie durch ihre Position ein besonderes Vertrauen für sich in Anspruch nehmen, sind sie zu Objektivität und Sachlichkeit verpflichtet. Hierzu gehört insbesondere, überspitzte Formulierungen zu unterlassen. Die Formulierung "an allen Ecken und Enden der Stadt" stellt eine solche unzulässige polemische Überspitzung dar. Dagegen sei der Begriff der "Katastrophe" ausdrucksstark, zähle aber zum allgemeinen Sprachgebrauch. Die Formulierung "Fahrverbote schaden der Region" ist aus dem Kontext gerissen. Insoweit ist die Klage nur hinsichtlich der Äußerung zu 1) erfolgreich.
Dr. Karolin Nelles LL.M., Kanzlei Schindhelm Frankfurt
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