15.02.2013

Zum Übernahmerecht nach § 39a Abs. 1 S. 1 WpÜG und dem Andienungsrecht nach § 39c WpÜG

Ein Übernahmerecht nach § 39a Abs. 1 S. 1 WpÜG und damit ein Andienungsrecht nach § 39c WpÜG besteht nur dann, wenn dem Bieter bei Ablauf der (weiteren) Annahmefrist nach § 16 WpÜG Aktien der Zielgesellschaft i.H.v. mindestens 95 Prozent des stimmberechtigten Grundkapitals gehören oder die Voraussetzungen des § 39a Abs. 4 S. 2 WpÜG erfüllt sind.

BGH 18.12.2012, II ZR 198/11
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Aktionär der Landesbank B. H. AG (LBBH). Er macht gegen die Beklagte ein Recht zur Annahme eines Übernahmeangebots nach § 39c WpÜG (Andienungsrecht) geltend. Das Land B forderte im Januar 2007 öffentlich zur Abgabe einer Interessenbekundung am Kauf des vom Land gehaltenen 80,95 Prozent-Aktienanteils an der LBBH auf. Dazu war bereits im Dezember 2006 die beklagte Kommanditgesellschaft gegründet worden, um an diesem Verfahren als Bieterin teilnehmen zu können. Deren persönlich haftende Gesellschafterin ist die R-mbH, die am Kapital nicht beteiligt, aber allein stimmberechtigt ist. Einziger Kommanditist ist der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV), der zugleich 4 Prozent der Anteile an der R-mbH hält. Die übrigen Anteile werden von regionalen Sparkassen- und Giroverbänden und der H-Sparkasse Beteiligungsgesellschaft mbH gehalten. Mitglieder des DSGV sind sämtliche regionalen Sparkassen- und Giroverbände.

Ende Mai 2007 erwarb der DSGV von der D. Girozentrale Anstalt des öffentlichen Rechts (D) einen 10-prozentigen Anteil an der LBBH, den die D seit Oktober 2006 treuhänderisch für den DSGV gehalten hatte. Am 1.6.2007 legte die Beklagte ein verbindliches Angebot zum Erwerb des Anteils des Landes B an der LBBH vor. Am 14.6.2007 erwarb die D-Bank weitere 0,63 Prozent der Anteile an der LBBH treuhänderisch für den DSGV. Das Land B verkaufte seinen Aktienanteil an der LBBH am 15.6.2007 an die Beklagte. Die Aktien wurden mit dinglicher Wirkung zum 8.8.2007 auf die Beklagte übertragen. Diese hatte zuvor am 1.8.2007 ein (freiwilliges) Übernahmeangebot nach § 29 Abs. 1, § 35 Abs. 3 WpÜG zum Erwerb der restlichen LBBH-Anteile für 6,81 € je Aktie veröffentlicht.

Die Annahmefrist lief bis zum 10.10.2007 und verlängerte sich gem. § 16 Abs. 2 S. 1 WpÜG bis zum 1.11.2007 (weitere Annahmefrist). Bei Ablauf der Annahmefrist hielt die Beklagte 87,2 Prozent der LBBH-Aktien, nach Ablauf der weiteren Annahmefrist 88,01 Prozent. Mit Wirkung zum 1.1.2008 übertrug der DSGV seinen 10,63-prozentigen Anteil an der LBBH auf die "Beteiligungsgesellschaft der S-mbH & Co. KG", eine Tochtergesellschaft der Beklagten, so dass diese (unmittelbar oder mittelbar) insgesamt 98,64 Prozent der Anteile hielt. Mit Schreiben vom 2.1.2008 diente der Kläger der Beklagten die von ihm gehaltenen 643.318 Stückaktien der LBBH für 6,81 € pro Aktie an. In Bezug auf 7.343 Aktien macht er das Andienungsrecht mit seiner im Urkundsverfahren erhobenen Klage geltend. Er beantragte demgemäß, die Beklagte zur Zahlung von rd. 50.000 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übertragung von 7.343 Stückaktien der LBBH zu zahlen.

LG und KG wiesen die Klage ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Der Kläger hatte jedenfalls nach Ablauf der erweiterten Annahmefrist am 1.11.2007 kein Andienungsrecht mehr.

Nach § 39c S. 1 WpÜG können Aktionäre einer Zielgesellschaft, die ein Übernahme- oder Pflichtangebot nicht angenommen haben, das Angebot noch innerhalb von drei Monaten nach Ablauf der Annahmefrist annehmen, sofern dem Bieter Aktien i.H.v. mindestens 95 Prozent des stimmberechtigten Grundkapitals der Zielgesellschaft gehören und er deshalb berechtigt ist, einen Antrag auf Übernahme der übrigen stimmberechtigten Aktien der Zielgesellschaft nach § 39a WpÜG zu stellen. Das Andienungsrecht richtet sich nach dem Übernahmerecht aus § 39a WpÜG. Nur wenn der Bieter (noch) ein Übernahmerecht hat, kann auch der einzelne Aktionär ein Andienungsrecht haben.

Vorliegend war die Beklagte auch nach Ablauf der gem. § 16 Abs. 2 WpÜG verlängerten Annahmefrist nicht berechtigt, nach § 39a WpÜG die Übernahme der verbliebenen LBBH-Aktien zu verlangen. Denn ihr standen zu diesem Zeitpunkt lediglich 88,01 Prozent der Aktien zu. Die zu einem Übernahmerecht nach § 39a Abs. 1 S. 1 WpÜG führende mindestens 95-prozentige Beteiligung oder die Voraussetzungen des § 39a Abs. 4 S. 2 WpÜG, nach dem unter bestimmten Voraussetzungen auch der Abschluss lediglich eines Verpflichtungsgeschäfts genügt muss allerdings nicht durch Erwerbe aufgrund des Übernahme- oder Pflichtangebots erreicht werden. Es kommen etwa auch Paketerwerbe oder andersartige Zukäufe in Betracht. Diese Erwerbe müssen aber jedenfalls noch innerhalb der weiteren Annahmefrist stattfinden. Ob sie darüber hinaus sogar innerhalb der (ursprünglichen) Annahmefrist erfolgen müssen, konnte vorliegend offen bleiben, da schon die weitere Annahmefrist nicht gewahrt ist.

Im Schrifttum ist umstritten, ob die erforderliche Mindestzahl von 95 Prozent der Anteile nur durch Erwerbe während der (weiteren) Annahmefrist erreicht werden kann. Zutreffend ist die Ansicht, nach der Erwerbe allenfalls bis zum Ablauf der erweiterten Annahmefrist zu berücksichtigen sind. Unter systematischen Gesichtspunkten erscheint es zumindest naheliegend, Erwerbsvorgänge nach Ablauf dieser Frist nicht zu berücksichtigen. Auch der Sinn und Zweck des § 39a WpÜG spricht gegen die Einbeziehung von Erwerben innerhalb von drei Monaten nach Ablauf der Frist und aus dem Sinn und Zweck des Andienungsrechts nach § 39c WpÜG ergibt sich ebenfalls nichts gegen diese Auslegung. Die Gesetzesmaterialien stehen dem ebenso wenig entgegen.

Die Beklagte hielt bei Ablauf der weiteren Annahmefrist lediglich 88,01 Prozent der LBBH-Aktien und damit weniger als die für ein Übernahmerecht nach § 39a WpÜG erforderlichen 95 Prozent. Das KG hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass jedenfalls der 10-prozentige Aktienanteil, der dem DSGV bzw. der für ihn als Treuhänderin tätigen D zustand und der erst mit Wirkung zum 1.1.2008 auf eine Tochtergesellschaft der Beklagten übertragen wurde, der Beklagten vor dieser Übertragung nicht zugerechnet werden konnte. Ob der weitere Aktienanteil i.H.v. 0,63 Prozent zugerechnet werden konnte, spielt für die Entscheidung keine Rolle und konnte daher offenbleiben.

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