23.09.2011

Zum Umfang des Markenschutzes in der EU

Wird im Internet (Suchmaschine) anhand eines Schlüsselworts, das einer bekannten Marke entspricht, eine Werbung gezeigt, mit der eine Alternative zu den Waren oder Dienstleistungen des Inhabers der bekannten Marke vorgeschlagen wird, so fällt dies grundsätzlich unter einen gesunden und lauteren Wettbewerb. Voraussetzung ist, dass keine bloße Nachahmung von Waren oder Dienstleistungen des Inhabers dieser Marke angeboten, die Marke nicht verwässert und ihre Wertschätzung oder Funktion nicht beeinträchtigt wird.

EuGH 22.9.2011, C-323/09
Der Sachverhalt:
British Unit ist Lizenznehmerin von Interflora Inc. Das Netz von Interflora besteht aus Floristen, bei denen Bestellungen aufgegeben werden können, die dann von dem Mitglied des Netzes, das dem Lieferort der Blumen am nächsten ist, ausgeführt werden. INTERFLORA ist eine nationale Marke im Vereinigten Königreich und auch eine Gemeinschaftsmarke. Diese Marken haben im Vereinigten Königreich und in anderen Mitgliedstaaten der EU einen hohen Bekanntheitsgrad.

Marks & Spencer (M & S), eine Gesellschaft englischen Rechts, gehört zu den wichtigsten Einzelhandelsunternehmen im Vereinigten Königreich. Ihre Tätigkeiten umfassen auch den Verkauf und die Lieferung von Blumen. Diese Geschäftstätigkeit erfolgt somit im Wettbewerb mit derjenigen von Interflora.

Im Zusammenhang mit dem "AdWords"-Referenzierungsdienst von Google wählte M & S das Wort "Interflora" und Varianten dieses Wortes wie "Interflora Flowers", "Interflora Delivery", "Interflora.com" und "Interflora co uk" als Schlüsselwörter. Folglich erschien, wenn Internetnutzer das Wort "Interflora" oder eine jener Varianten als Suchbegriff in die Suchmaschine Google eingaben, eine Anzeige von M & S.

Der High Court of Justice (England & Wales), bei dem Interflora gegen M & S wegen Verletzung ihrer Markenrechte Klage erhob, legt dem EuGH zu mehreren Aspekten der Benutzung von mit einer Marke identischen Schlüsselwörtern ohne Zustimmung des Markeninhabers im Rahmen eines Internetreferenzierungsdienstes vor.

Die Gründe:
Die herkunftshinweisende Funktion einer Marke ist beeinträchtigt, wenn aus der anhand eines der Marke entsprechenden Schlüsselworts erscheinenden Anzeige für einen normal informierten und angemessen aufmerksamen Internetnutzer nicht oder nur schwer zu erkennen ist, ob die in der Anzeige beworbenen Waren oder Dienstleistungen von dem Inhaber der Marke oder einem mit ihm wirtschaftlich verbundenen Unternehmen oder vielmehr von einem Dritten stammen. Dagegen beeinträchtigt die Benutzung eines mit einer fremden Marke identischen Zeichens im Rahmen eines Internetreferenzierungsdienstes wie "AdWords" nicht die Werbefunktion der Marke.

Zum ersten Mal hat der EuGH vorliegend auch den Schutz der Investitionsfunktion der Marke geprüft. Diese ist beeinträchtigt, wenn ein Mitbewerber ein mit der Marke identisches Zeichen für identische Waren oder Dienstleistungen benutzt und diese Benutzung es dem Markeninhaber wesentlich erschwert, seine Marke zum Erwerb oder zur Wahrung eines Rufs einzusetzen. Dagegen darf der Markeninhaber einen Mitbewerber nicht an einer solchen Benutzung hindern können, wenn diese lediglich zur Folge hat, dass der Markeninhaber seine Anstrengungen zum Erwerb oder zur Wahrung eines Rufs, anpassen muss oder sich ggf. Verbraucher von Waren oder Dienstleistungen der genannten Marke abwenden könnten.

Im Streitfall ist es Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob die Benutzung des mit der Marke INTERFLORA identischen Zeichens durch M & S die Möglichkeit von Interflora gefährdet, einen Ruf zu wahren. Zur Tragweite u.a. des Begriffs "Trittbrettfahren" ist festzustellen, dass ein solches vorliegen kann, wenn ohne "rechtfertigenden Grund" im Rahmen eines Referenzierungsdienstes Zeichen ausgewählt werden, die mit einer fremden bekannten Marke identisch oder ihr ähnlich sind. Dies kann insbes. für Fälle anzunehmen sein, in denen Werbende im Internet mittels Auswahl von Schlüsselwörtern, die bekannten Marken entsprechen, Waren zum Verkauf anbieten, die Nachahmungen von Waren des Inhabers dieser Marken sind.

Wird dagegen im Internet (Suchmaschine) anhand eines Schlüsselworts, das einer bekannten Marke entspricht, eine Werbung gezeigt, mit der eine Alternative zu den Waren oder Dienstleistungen des Inhabers der bekannten Marke vorgeschlagen wird, so fällt dies grundsätzlich unter einen gesunden und lauteren Wettbewerb. Voraussetzung ist, dass keine bloße Nachahmung von Waren oder Dienstleistungen des Inhabers dieser Marke angeboten, die Marke nicht verwässert und ihre Wertschätzung oder Funktion nicht beeinträchtigt wird.

Linkhinweis:

Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung C-244/10 klicken Sie bitte hier.

EuGH PM Nr. 97 vom 22.9.2011
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