23.03.2023

Zum Umfang des urheberrechtlichen Schutzes einer Vitrinenleuchte

Der Grundsatz, dass der Umfang des urheberrechtlichen Schutzes eines Werks der angewandten Kunst nicht geringer als bei anderen unter die Richtlinie 2001/29/EG fallenden Werken ist (dazu EuGH v. 12.9.2019 - C-683/17 - Cofemel), besagt allein, dass bei Werken der angewandten Kunst dieselben Ausschließlichkeitsrechte gewährt werden müssen und hinsichtlich der Reichweite dieser Rechte dieselben Rechtsmaßstäbe anzulegen sind wie bei allen anderen Werkkategorien. Auf die im Einzelfall vorzunehmende Bestimmung des konkreten urheberrechtlichen Schutzbereichs eines Werks, der sich aus seiner Gestaltungshöhe ergibt, bezieht sich diese Aussage hingegen nicht.

BGH v. 15.12.2022 - I ZR 173/21
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist ein Lichtplanungsbüro und nahm im Jahr 2009 an einem Wettbewerb der Beklagten für die Entwicklung neuer Vitrinenleuchten für die sog. M-Boutiquen teil. Der Geschäftsführer der Klägerin entwarf Anfang 2009 eine Leuchte mit der Bezeichnung D und räumte der Klägerin die ausschließlichen Nutzungsrechte an der Gestaltung ein. Im Februar 2009 übergab der Geschäftsführer der Klägerin der Beklagten ein Exposé mit Abbildungen des Leuchtenentwurfs sowie im April 2009 einen Prototyp der Leuchte. Die M-Boutiquen wurden ab Mai 2010 mit Leuchten des Modells E der Ma. F. GmbH ausgestattet. Darin erkennt die Klägerin aufgrund der Gestaltung der Leuchten eine Verletzung der ihr eingeräumten urheberrechtlichen Nutzungsrechte an der Leuchte D.

Die Boutiquen wurden jedenfalls teilweise von Franchisenehmern betrieben, die zwecks einheitlicher Gestaltung verpflichtet waren, die Leuchte E zu erwerben und in den Boutiquen einzusetzen. Die Verantwortung der Beklagten für den Betrieb der Boutiquen und den Erwerb der Leuchten steht zwischen den Parteien in Streit. Mit ihrer Klage beantragte die Klägerin, die Beklagte zu Unterlassung, Rückruf, Vernichtung, Auskunft und Ersatz vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten zu verurteilen sowie die Schadensersatzverpflichtung der Beklagten festzustellen. Der Unterlassungsantrag war bezogen auf ein Vervielfältigen sowie Verbreiten der Leuchten.

Das LG gab der Klage ganz überwiegend statt. Das OLG wies die Klage ab, soweit über sie mit Blick auf den in der Berufungsinstanz übereinstimmend für erledigt erklärten Auskunftsantrag noch zu entscheiden war. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Ohne Rechtsfehler ist das OLG zu dem Ergebnis gelangt, dass die geltend gemachten urheberrechtlichen Ansprüche der Klägerin mit Blick auf die angegriffene Leuchte des Serienmodells E. nicht bestehen. Die Annahme des OLG, die Gestaltung des Leuchtenentwurfs D weise, falls es sich dabei um ein Werk der angewandten Kunst i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG handele, im konkreten Fall allenfalls einen engen Schutzbereich auf, unterliegt keinen rechtlichen Bedenken. Das OLG hat rechtsfehlerfrei eine nur geringe Schöpfungshöhe mit der Folge eines engen Schutzbereichs des Klagemusters angenommen.

Die Revision rügt ohne Erfolg, das OLG weiche von der "Cofemel"-Entscheidung des EuGH ab (EuGH v. 12.9.2019 - C-683/17). Soweit der EuGH darin ausführt, der Umfang des Schutzes eines Werks der angewandten Kunst sei nicht geringer als bei anderen unter die Richtlinie 2001/29/EG fallenden Werken, ist damit allein gesagt, dass bei Werken der angewandten Kunst dieselben Ausschließlichkeitsrechte (umfassend die positiven Nutzungsrechte und die negativen Verbietungsrechte) gewährt werden müssen und hinsichtlich der Reichweite dieser Rechte dieselben Rechtsmaßstäbe anzulegen sind wie bei allen anderen Werkkategorien. Gegenstand der Vorlage in der Rechtssache "Cofemel" war allein die Frage, ob bestimmten Erzeugnissen (Werken der angewandten Kunst, Modellen und Designs) der urheberrechtliche Schutz in gleicher Weise zugutekomme wie Werken der Literatur und Kunst. Die Aussage des EUGH bedeutet vor diesem Hintergrund, dass der urheberrechtliche Schutz für alle Kategorien von Werken, die den unionsrechtlichen Werkbegriff erfüllen, nach demselben rechtlichen Maßstab zu bestimmen ist. Auf die im Einzelfall vorzunehmende Bestimmung des konkreten urheberrechtlichen Schutzbereichs eines Werks, der sich aus seiner Gestaltungshöhe ergibt, bezieht sich diese Aussage hingegen nicht.

Ausgehend von einem allenfalls engen Schutzbereich des Werks hält die Beurteilung des OLG, die Herstellung und der Vertrieb der Leuchte des Serienmodells E greife nicht in das der Klägerin eingeräumte ausschließliche Recht zur Vervielfältigung (§ 16 UrhG) und Verbreitung (§ 17 UrhG) der Gestaltung des Leuchtenentwurfs D ein, der rechtlichen Nachprüfung stand.

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung:
Urheberrechtsschutz für Modedesign?
EuGH vom 12.09.2019 - C-683/17
Stefanie Nabrotzki / Ilja Czernik, IPRB 2020, 36

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