13.07.2012

Zum Umfang des Verbraucherschutzes bei Kreditverträgen

Der EuGH hat den Umfang des Verbraucherschutzes bei Kreditverträgen präzisiert. Danach kann ein Mitgliedstaat die Bankprovisionen beschränken, die ein Kreditgeber erheben darf.

EuGH 12.7.2012, C-602/10
Der Sachverhalt:
In Rumänien wurde die Verbraucherkreditrichtlinie durch eine am 22.6.2010 in Kraft getretene Verordnung in innerstaatliches Recht umgesetzt. Diese Verordnung sieht u. a. vor, dass der Kreditgeber für den gewährten Kredit nur eine Provision für die Prüfung der Unterlagen, eine Provision für die Kredit- oder Kontokorrentbearbeitung, eine Vorfälligkeitsentschädigung, Kosten für Versicherungen, ggf. Verzugskosten sowie eine einmalige Provision für im Zusammenhang mit dem Antrag des Verbrauchers erbrachte Dienstleistungen erheben darf.

Im vorliegenden Fall ist in den Allgemeinen Bedingungen der zwischen der Volksbank România und ihren Kunden vor Inkrafttreten der Verordnung geschlossenen Verträgen vorgesehen, dass der Kreditnehmer der Bank für die Einräumung des Kredits eine "Risikoprovision" i.H.v. 0,2 Prozent des Kreditbetrags schuldet, die monatlich während der gesamten Laufzeit des Kredits zu zahlen ist. Die Nationale Verbraucherschutzbehörde (CJPC), die der Auffassung ist, dass die Erhebung dieser Provision von der Verordnung nicht vorgesehen sei, verhängte gegen die Volksbank ein Bußgeld und weitere Sanktionen.

Die Volksbank machte bei dem zuständigen AG in Rumänien geltend, dass bestimmte Vorschriften der Verordnung gegen die Richtlinie verstießen. Dieses Gericht bittet den EuGH daher, die Tragweite dieser Richtlinie zu bestimmen.

Die Gründe:
Die Mitgliedstaaten können die Bestimmungen der Richtlinie nach Maßgabe des Unionsrechts auf Bereiche anwenden, die nicht in deren Geltungsbereich fallen. So können sie für nicht in den sachlichen Geltungsbereich fallende Kreditverträge innerstaatliche Maßnahmen beibehalten oder einführen, die den Bestimmungen dieser Richtlinie entsprechen, wie im vorliegenden Fall für durch Grundpfandrechte gesicherte Kreditverträge. Hinsichtlich der Einbeziehung solcher, am Tag des Inkrafttretens der innerstaatlichen Regelung bereits laufender Kreditverträge in den zeitlichen Anwendungsbereich dieser Regelung gilt, dass die Mitgliedstaaten Übergangsmaßnahmen festlegen können, wonach die genannten innerstaatlichen Rechtsvorschriften auch auf zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens bereits laufende Verträge anwendbar sind.

Die Richtlinie verbietet es auch nicht, dass ein Mitgliedstaat den Kreditinstituten Pflichten auferlegt, die in der Richtlinie nicht vorgesehen sind, was die Arten von Provisionen betrifft, die diese Kreditinstitute im Rahmen von Verbraucherkreditverträgen erheben dürfen. Denn im vorliegenden Fall stellt die in der rumänischen Verordnung vorgesehene Regelung, soweit sie eine erschöpfende Liste der Bankprovisionen enthält, die der Kreditgeber vom Verbraucher erheben darf, eine Verbraucherschutzregelung in einem von der Richtlinie nicht harmonisierten Bereich dar.

Weiterhin stellt eine Regelung eines Mitgliedstaats nicht allein deshalb eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs dar, weil andere Mitgliedstaaten in ihrem Gebiet ansässige Erbringer gleichartiger Dienstleistungen weniger strengen oder wirtschaftlich interessanteren Vorschriften unterwerfen. Es ist nicht ersichtlich, dass eine innerstaatliche Vorschrift wie die im rumänischen Recht vorgesehene den Zugang zum Markt nicht weniger attraktiv macht und die Möglichkeit der betroffenen Unternehmen, ohne Weiteres mit den traditionell in Rumänien ansässigen Unternehmen wirksam in Wettbewerb zu treten, nicht erheblich verringert.

Die Richtlinie steht nicht der rumänischen Regelung entgegen, die es den Verbrauchern bei Verbraucherkrediten ermöglicht, sich unmittelbar an eine Verbraucherschutzbehörde zu wenden, die daraufhin gegen die Kreditinstitute wegen Verstoßes gegen diese innerstaatliche Regelung Sanktionen verhängen kann, ohne zuvor ein für derartige Rechtsstreitigkeiten vorgesehenes Verfahren zur außergerichtlichen Streitbeilegung wie das im nationalen Recht vorgesehene in Anspruch nehmen zu müssen. Die Richtlinie verlangt, dass die im Bereich der außergerichtlichen Streitbeilegung vorgesehenen Verfahren angemessen und wirksam sind. Folglich ist es Sache der Mitgliedstaaten, die Modalitäten dieser Verfahren einschließlich ihres möglichen obligatorischen Charakters zu regeln; dabei haben sie die praktische Wirksamkeit der Richtlinie zu gewährleisten.

Linkhinweis:

Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

EuGH PM Nr. 99 vom 12.7.2012
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