24.05.2012

Zum Verteilungsanspruch des Insolvenzgläubigers nach einer Teilaufrechnung

Im Fall, dass die Aufrechnung eines Insolvenzgläubigers gegen Forderungen des Schuldners, die von seiner Abtretungserklärung nicht erfasst sind, während ihrer Laufzeit zu einer teilweisen Befriedigung führt, darf der Insolvenzgläubiger an den weiteren Verteilungen nur nach dem Berücksichtigungswert seiner Restforderung teilnehmen. Schließlich wird in der allgemeinen insolvenzrechtlichen Interessenwertung der Gläubiger durch eine Aufrechnungsmöglichkeit in ähnlicher Weise geschützt wie durch ein Absonderungsrecht.

BGH 29.3.2012, IX ZR 116/11
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Treuhänder in einem Restschuldbefreiungsverfahren. Gegen den Schuldner bestand nach dem Schlussverzeichnis des am 19.12.2008 aufgehobenen Insolvenzverfahrens über sein Vermögen eine Steuerforderung des beklagten Landes von rund 125 €. Mit dieser Forderung rechnete das Land gegen den Einkommensteuererstattungsanspruch des Jahres 2007 i.H.v. rund 105 € auf.

Das AG hat antragsgemäß die weitere Teilnahme des beklagten Landes an Verteilungen des Treuhänders für unzulässig erklärt, soweit seine in das Schlussverzeichnis aufgenommene Forderung den Betrag von 20 € übersteige. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte Erfolg. Auf die zugelassene Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Berufung zurück.

Die Gründe:
Revision und Klage waren ebenso zulässig wie begründet.

Die Klage des Treuhänders ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts zulässig. Der Treuhänder ist während der Laufzeit der Abtretungserklärung des Schuldners kraft Amtes befugt, das nachträgliche Erlöschen von Forderungen, die in das Schlussverzeichnis des Insolvenzverfahrens aufgenommen worden sind, gegen den jeweiligen Insolvenzgläubiger im Klagewege geltend zu machen (Verteilungsabwehrklage). Auch der Treuhänder während des Restschuldbefreiungsverfahrens ist zur Erhebung dieser Abwehrklage befugt.

Der Klage fehlte auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Denn ihr Ziel war nicht die unstreitige Feststellung, dass die in das Schlussverzeichnis aufgenommene Forderung des beklagten Landes jedenfalls i.H.v. 105 € erloschen war oder die Abwehr einer nach § 294 Abs. 1 InsO unzulässigen und nicht beabsichtigten Zwangsvollstreckung. Es ging vielmehr um die offene Streitfrage, welches Verteilungsanrecht dem beklagten Land nach den erklärten Aufrechnungen noch zustand und die danach womöglich notwendige Umgestaltung in der Bindungswirkung des Schlussverzeichnisses.

Letztlich hatte das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft angenommen, dass der Verteilungsanspruch des beklagten Landes nach § 292 Abs. 1 InsO trotz der Teilaufrechnung bis zum gänzlichen Erlöschen seiner in das Schlussverzeichnis nach § 197 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO aufgenommenen Forderung unverändert fortbestand. Denn führt die Aufrechnung eines Insolvenzgläubigers gegen Forderungen des Schuldners, die von seiner Abtretungserklärung nicht erfasst sind, während ihrer Laufzeit zu einer teilweisen Befriedigung, so darf der Insolvenzgläubiger an den weiteren Verteilungen nur nach dem Berücksichtigungswert seiner Restforderung teilnehmen. Schließlich wird in der allgemeinen insolvenzrechtlichen Interessenwertung der Gläubiger durch eine Aufrechnungsmöglichkeit in ähnlicher Weise geschützt wie durch ein Absonderungsrecht.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BGH veröffentlicht.
  • Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.
BGH online
Zurück