25.11.2013

Zum Vorwurf der Sittenwidrigkeit gegenüber einer Bank im Hinblick auf die Mitwirkung an der Verletzung vertraglicher Treuepflichten durch einen Dritten

Ein Verhalten ist nicht allein deshalb sittenwidrig, weil der Handelnde vertragliche Pflichten oder das Gesetz verletzt oder bei einem anderen einen Vermögensschaden hervorruft; vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage tretenden Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Die bloße Mitwirkung an einer Verletzung vertraglicher Treuepflichten, von deren Existenz der Dritte - wenn auch grob fahrlässig - keine Kenntnis hat, rechtfertigt das Urteil der Sittenwidrigkeit nicht.

BGH 15.10.2013, VI ZR 124/12
Der Sachverhalt:
Die Klägerinnen, zwei geschlossene Immobilienfonds, nehmen die beklagte Bank auf Rückzahlung angeblicher Fondsgelder in Anspruch, die ihre frühere Geschäftsführerin, die G-GmbH (GHL), auf eigenen Namen bei der Beklagten angelegt und im Februar/März 2006 für fondsfremde Zwecke an die Beklagte zur Sicherung von Darlehen verpfändet hat. Gegenstand der Geschäftstätigkeit der GHL ist das Halten von Geschäftsbeteiligungen und sonstiger Vermögensgegenstände aller Art, die Verwaltung von geschlossenen Immobilienfonds und das Halten und Verwalten vermögensrechtlicher Beteiligungen aller Art, soweit dazu keine besonderen Genehmigungen erforderlich sind.

In den Jahren 2005 und 2006 war die GHL, deren Geschäftsführer S.L. war, Geschäftsführerin der Klägerinnen. Die GHL unterhielt auf eigenen Namen bei der Münchner Bank zwei Konten mit der Bezeichnung "Sonderkonto Umlage HAT 51" und "Sonderkonto Umlage HAT 58". Im September 2005 eröffnete S.L. für die GHL bei der Beklagten ein Konto. Bei der Kontoeröffnung gab er an, dass die GHL für eigene Rechnung handle. Mitte Dezember 2005 wurden von den Konten der GHL bei der Münchner Bank Beträge i.H.v. von insgesamt 450.000 € auf das Konto der GHL bei der Beklagten überwiesen. Als Auftraggeber der Überweisung war die GHL ausgewiesen. Der Verwendungszweck lautete "Übertrag Festgeld".

Im Januar 2006 richtete die GHL im eigenen Namen und unter Angabe des Handelns auf eigene Rechnung bei der Beklagten ein Wertpapierdepot ein und erwarb Anteile an Geldmarktfonds im Wert von rd. 400.000 €. In der Zeit von Januar bis März 2006 nahmen sowohl die GHL als auch die P-GmbH, deren Geschäftsführer der Sohn von S.L. war, bei der Beklagten Darlehen i.H.v. jeweils 200.000 € auf. Als Sicherheit für die Darlehensrückzahlungsforderungen verpfändete S.L. die Wertpapiere der GHL. Hierbei erklärte er, dass die GHL für eigene Rechnung handle. Nachdem die Darlehen im August 2008 notleidend geworden waren, verwertete die Beklagte die Sicherheiten. Die Klägerinnen verlangen von der Beklagten Schadensersatz. Bei den Konten der GHL bei der Münchner Bank habe es sich um Treuhandkonten gehandelt, auf denen Fondsgelder der Klägerinnen angelegt gewesen seien, was die Beklagte gewusst habe.

Das LG wies die Klage ab; das OLG gab ihr statt. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Die Feststellungen des OLG rechtfertigen nicht die Beurteilung, die Beklagte sei den Klägerinnen wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach §§ 826, 831, 31 BGB zum Schadensersatz verpflichtet.

Sittenwidrig ist ein Verhalten, das insgesamt gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es nicht, dass der Handelnde vertragliche Pflichten oder das Gesetz verletzt oder bei einem anderen einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage tretenden Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. So begründet die Mitwirkung eines Dritten an dem Vertragsbruch einer Partei für sich genommen nicht den objektiven Tatbestand der Sittenwidrigkeit; es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, die sein Verhalten als sittenwidrige Schädigung erscheinen lassen.

In dem Eindringen des Dritten in die Vertragsbeziehungen muss ein besonderes Maß an Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Geschädigten hervortreten. Dies ist etwa der Fall, wenn der Dritte eine Vertragspartei zum Vertragsbruch verleitet, kollusiv mit ihr zusammenwirkt oder die Verletzung vertraglicher Treuepflichten bewusst unterstützt. Erforderlich ist die positive Kenntnis des Dritten von der Existenz der vertraglichen Bindung; die unbewusste Beteiligung an einem Vertragsbruch rechtfertigt das Urteil der Sittenwidrigkeit nicht. Dementsprechend kann die Begründung eines Pfandrechts an treuhänderisch gebundenen Kontoguthaben durch die Bank ein sittenwidriges Verhalten i.S.d. § 826 BGB darstellen, wenn die Bank Kenntnis von der Treuhandbindung hatte und diese missachtet, um ihre eigenen Interessen durchzusetzen.

Vorliegend kann das Verhalten des Mitarbeiters der Beklagten, K, nicht als sittenwidrig qualifiziert werden. Seine Handlungen sind sittlich neutral. Weder die Eröffnung des Kontos und des Wertpapierdepots, noch der Abschluss des Darlehensvertrages, noch die Begründung eines Pfandrechts an den Geldmarktanteilen und deren Verwertung sind für sich genommen verwerflich. Das OLG hat auch nicht festgestellt, dass K kollusiv mit S.L. zusammengewirkt oder Kenntnis von der Treuhandbindung der zugunsten der GHL angelegten Gelder hatte. Der Umstand, dass K sich den für eine Untreuehandlung des S.L. sprechenden Verdachtsmomenten verschlossen und es unterlassen hat, sich durch gezielte Nachfragen Klarheit zu verschaffen, obwohl er hellhörig habe werden müssen, vermag die für die Sittenwidrigkeit erforderliche besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens nicht zu begründen. Denn die bloße Mitwirkung an einer Verletzung vertraglicher Treuepflichten, von deren Existenz der Dritte - wenn auch grob fahrlässig - keine Kenntnis hat, rechtfertigt das Urteil der Sittenwidrigkeit nicht.

Das OLG hat darüber hinaus nicht beachtet, dass eine Haftung der Beklagten aus §§ 831, 826 BGB zusätzlich zu den objektiven und subjektiven Voraussetzungen eines Sittenverstoßes einen Schädigungsvorsatz erfordert und Sittenwidrigkeit und Vorsatz getrennt festzustellen sind. Die Annahme der - vorliegend allein in Betracht kommenden - Form des bedingten Vorsatzes setzt voraus, dass der Handelnde die relevanten Umstände jedenfalls für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat. Entgegen der Auffassung des OLG genügt es dagegen nicht, wenn die relevanten Tatumstände lediglich objektiv erkennbar waren und sich dem Handelnden hätten aufdrängen müssen. In einer solchen Situation ist lediglich ein Fahrlässigkeitsvorwurf gerechtfertigt.

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