16.09.2019

Zum Widerrufsrecht bei im Fernabsatz geschlossenen Verbraucherdarlehensverträgen

Der EuGH hat sich vorliegend mit dem Widerrufsrecht des Verbrauchers bei einem im Fernabsatz geschlossenen Darlehensvertrag auseinandergesetzt. Hintergrund ist eine Vorlage des LG Bonn, das sich mit einem Darlehensvertrag zur Finanzierung einer privat eigengenutzten Immobilie zu befassen hat.

EuGH v. 11.9.2019 - C-143/18
Der Sachverhalt:
Die Kläger schlossen im Oktober 2007 mit der beklagten DSL Bank einen Darlehensvertrag zur Finanzierung ihrer privat eigengenutzten Immobilie. Dieser als Annuitätendarlehen ausgestaltete Vertrag sah einen bis zum 31.12.2017 festgeschriebenen Zinssatz vor. Gemäß dem Vertrag sollte der Darlehensnehmer eine anfängliche Tilgung i.H.v. 2 % leisten und in der Folge mtl. Raten zur Rückführung von Zins und Tilgung i.H.v. rd. 550 € erbringen. Die Rückzahlung sollte zum 30.11.2007 mit der Zahlung der ersten Rate beginnen. Die Gewährung des Darlehens war von der Stellung einer Grundschuld als Sicherheit an der in Rede stehenden Immobilie abhängig.

Der Vertragsschluss kam wie folgt zustande. Die Beklagte überließ den Klägern ein vorformuliertes, als "Darlehensantrag" bezeichnetes Dokument sowie als Anlage dazu eine Widerrufsbelehrung, eine Übersicht über die Auszahlungsvoraussetzungen, die Finanzierungsbedingungen sowie ein Dokument mit der Bezeichnung "Information und Merkblatt zum Baufinanzierungsdarlehen für den Verbraucher". In der Widerrufsbelehrung hieß es: "Das Widerrufsrecht erlischt vorzeitig, wenn der Vertrag vollständig erfüllt ist und der Darlehensnehmer dem ausdrücklich zugestimmt hat."

Die Kläger unterzeichneten den Darlehensantrag, die Widerrufsbelehrung und die Empfangsbestätigung für das Merkblatt und ließen das unterschriebene Exemplar dieser Unterlagen der Beklagten zukommen. Diese nahm in der Folge den Darlehensantrag der Kläger in einem Schreiben an. Die Kläger stellten die vereinbarte Sicherheit. Auf ihren Wunsch hin brachte die Beklagte das Darlehen zur Auszahlung. In der Folge begannen die Kläger mit der Leistung der vereinbarten Rückzahlungen. Mit Schreiben vom 8.6.2016 widerriefen die Kläger den 2007 geschlossenen Darlehensvertrag und machten geltend, die Widerrufsbelehrung sei nach deutschem Recht fehlerhaft.

Das mit der Sache befasste LG Bonn bitten den EuGH nun um Auslegung der Richtlinie 2002/65 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher. Nach dieser Richtlinie tragen die Mitgliedstaaten dafür Sorge, dass der Verbraucher innerhalb einer Frist von 14 Kalendertagen einen im Fernabsatz geschlossenen Vertrag über eine Finanzdienstleistung widerrufen kann, ohne Gründe nennen oder eine Vertragsstrafe zahlen zu müssen. Die Richtlinie sieht jedoch vor, dass das Widerrufsrecht bei Verträgen, die auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers von beiden Seiten bereits voll erfüllt sind, bevor der Verbraucher sein Widerrufsrecht ausübt, ausgeschlossen ist.

Dementsprechend sieht nach Ansicht des LG Bonn auch die Vorschrift des § 312d Abs. 3 Nr. 1 BGB, mit der dieser Ausschluss ins deutsche Recht umgesetzt wurde, vor, dass das Widerrufsrecht erlischt, wenn der Vertrag über eine Finanzdienstleistung von beiden Seiten auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers vollständig erfüllt ist, bevor der Verbraucher sein Widerrufsrecht ausgeübt hat. Laut LG Bonn ist diese Vorschrift des BGB nach der Rechtsprechung des BGH nicht auf Verbraucherdarlehensverträge anwendbar, auch wenn sie im Fernabsatz geschlossen worden sind, und dass bei diesen Verträgen das Widerrufsrecht in dem hier maßgeblichen Fall nicht erlischt.

Die Gründe:
Die Richtlinie steht einer nationalen Regelung in ihrer Auslegung durch die nationale Rechtsprechung entgegen, die bei einem im Fernabsatz zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher geschlossenen Vertrag über eine Finanzdienstleistung nicht das Widerrufsrecht dieses Verbrauchers für den Fall ausschließt, dass dieser Vertrag auf seinen ausdrücklichen Wunsch von beiden Seiten bereits voll erfüllt ist, bevor er sein Widerrufsrecht ausübt. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, das gesamte innerstaatliche Recht zu berücksichtigen und die darin anerkannten Auslegungsmethoden anzuwenden, um zu einer mit dieser Vorschrift im Einklang stehenden Lösung zu gelangen. Dabei hat es erforderlichenfalls eine gefestigte nationale Rechtsprechung abzuändern, wenn sie auf einer Auslegung des nationalen Rechts beruht, die mit dieser Vorschrift unvereinbar ist.

Weiterhin ist die Richtlinie dahin auszulegen, dass die Pflicht eines Unternehmers, der im Fernabsatz mit einem Verbraucher einen Vertrag über eine Finanzdienstleistung schließt, die Information über das Bestehen eines Widerrufsrechts in einer für einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher im Sinne der unionsrechtlichen Anforderungen klaren und verständlichen Weise zu erteilen, bevor der Verbraucher durch einen Fernabsatzvertrag oder durch ein Angebot gebunden ist, nicht verletzt wird, wenn der Unternehmer dem Verbraucher mitteilt, dass das Widerrufsrecht bei einem Vertrag, der auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers von beiden Seiten bereits voll erfüllt ist, bevor der Verbraucher sein Widerrufsrecht ausübt, ausgeschlossen ist, selbst wenn diese Information nicht dem nationalen Recht in seiner Auslegung durch die nationale Rechtsprechung entspricht, wonach in einem solchen Fall das Widerrufsrecht besteht.

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