28.08.2013

Zur abgesonderten Befriedigung des geschädigten Dritten aus dem Freistellungsanspruch des insolventen Versicherungsnehmers gegen den Versicherer

Ein geschädigter Dritter kann wegen des ihm gegen den Versicherungsnehmer zustehenden Anspruchs abgesonderte Befriedigung aus dessen Freistellungsanspruch gegen den Versicherer verlangen, wenn über das Vermögen des Versicherungsnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet ist. Er kann den Anspruch im Fall der Verfahrensunterbrechung durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Wege der Aufnahme des gegen den Schuldner geführten Rechtsstreits verfolgen.

BGH 18.7.2013, IX ZR 311/12
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Verwalter in dem im Dezember 2004 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der B-GmbH, die von der Schuldnerin, einer Steuerberaterin, beraten wurde. Der Beklagte ist Insolvenzverwalter im Verfahren über das Vermögen der Steuerberaterin, das im Juni 2009 eröffnet worden ist.

In einem Vorprozess zwischen dem Kläger und der Schuldnerin erließ das LG Limburg im März 2009 ein Versäumnisurteil gegen die Schuldnerin, in dem u.a. festgestellt wird, dass diese dem Kläger als Insolvenzverwalter den materiellen Schaden zu ersetzen hat, welcher der Masse dadurch entstanden ist, dass sie die Ansprüche in mehreren für die B-GmbH geführten Einspruchsverfahren vor dem Finanzamt nicht begründet, in einem finanzgerichtlichen Verfahren vor dem FG die Klagefrist versäumt und mehrere mit einer Verfügung des Gerichts angeforderte Rechnungen nicht vorgelegt hat. Gegen dieses Versäumnisurteil wurde bislang kein Einspruch eingelegt. Das dazugehörige Kostenfestsetzungsverfahren ist aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin unterbrochen.

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt der Kläger die Verurteilung des Beklagten zur Begleichung der Kosten des Vorprozesses vor dem LG Limburg i.H.v. rd. 2.900 € sowie Schadensersatz i.H.v. 34 €. Den letztgenannten Betrag hat das Finanzamt als Verspätungszuschlag wegen der nicht rechtzeitigen Abgabe der Körperschaftsteuererklärung für das Jahr 2003 durch die Schuldnerin festgesetzt. Der Kläger hat seine Zahlungsansprüche jeweils auf den Deckungsanspruch der Schuldnerin gegen ihren Vermögensschadenshaftpflichtversicherer beschränkt.

AG und LG wiesen die Klage ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die Klage ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, soweit der Kläger den Anspruch auf Bezahlung der Kosten des Vorprozesses im Wege der Absonderungsklage verfolgt.

Der Kläger hat für die gegen den Beklagten erhobene Zahlungsklage unter Beschränkung auf den Freistellungsanspruch gegen den Haftpflichtversicherer der Schuldnerin kein Rechtsschutzbedürfnis. Die Aufnahme des durch die Verfahrenseröffnung unterbrochenen Kostenfestsetzungsverfahrens stellt einen einfacheren und billigeren Weg dar, um zu einer Festsetzung der Kosten des durch die Insolvenzeröffnung unterbrochenen Rechtsstreits unter Beschränkung auf den Freistellungsanspruch der Schuldnerin zu gelangen. Gem. § 110 VVG (§ 157 VVG a.F.) kann der Dritte wegen des ihm gegen den Versicherungsnehmer zustehenden Anspruchs abgesonderte Befriedigung aus dem Freistellungsanspruch des Versicherungsnehmers verlangen, wenn über das Vermögen des Versicherungsnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist.

Diesen Freistellungsanspruch kann der Dritte durch unmittelbare Klage auf Zahlung gegen den Insolvenzverwalter, beschränkt auf die Leistung aus der Versicherungsforderung, geltend machen, ohne Umweg über das insolvenzrechtliche Anmeldungs- und Prüfungsverfahren. Ist hinsichtlich der Schadensersatzforderung des Dritten gegen den Schuldner zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung bereits ein Rechtsstreit anhängig, der durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gem. § 240 ZPO unterbrochen wird, kann der Dritte diesen Rechtsstreit gem. § 86 Abs. 1 Nr. 2 InsO insoweit aufnehmen, als er abgesonderte Befriedigung aus dem Freistellungsanspruch des Versicherungsnehmers gegen die Versicherung geltend macht. Dies folgt aus der Aufwertung des Zahlungsanspruchs durch § 110 VVG.

§ 86 Abs. 1 Nr. 2 InsO sieht vor, dass Rechtsstreitigkeiten, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner anhängig sind, sowohl vom Insolvenzverwalter als auch vom Gegner aufgenommen werden können, wenn sie die abgesonderte Befriedigung betreffen. Es gibt durchgreifende Gründe, die Regelung des § 86 Abs. 1 Nr. 2 InsO auf das Absonderungsrecht des § 110 VVG anzuwenden. Im Übrigen ist die Revision unbegründet, soweit sie geltend macht, das Berufungsgericht hätte den Anspruch auf Zahlung von 34 € nicht zurückweisen dürfen. Die Abweisung der Klage beruht insoweit auf der fehlenden Darlegung einer Schadensersatzforderung des Klägers gegen die Schuldnerin im Hinblick auf die verspätete Abgabe der Körperschaftsteuererklärung für das Jahr 2003. Hiermit setzt sich die Revisionsbegründung nicht auseinander.

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