08.11.2012

Zur Amtshaftung aufgrund nicht durchgeführter BSE-Tests an Rindern in einem Schlachthof

Die den Veterinärbehörden im Zusammenhang mit BSE-Tests an Rindern in einem Schlachthof obliegenden Amtspflichten entfalten grundsätzlich keine drittgerichtete Schutzwirkung zugunsten von Unternehmen, die die Schlachtprodukte kaufen, um diese weiter zu veräußern oder zu verarbeiten. Unterrichtet die Veterinärbehörde allerdings einen Abnehmer über das Ergebnis ihrer Untersuchung und gibt sie die bereits dort befindliche, sichergestellte Ware frei, schafft sie dadurch einen unmittelbaren Vertrauenstatbestand für die ordnungsgemäße Durchführung der BSE-Tests und haftet dem Abnehmer auf Ersatz seines Vertrauensschaden.

BGH 8.11.2012, III ZR 293/11 u.a.
Der Sachverhalt:
Die Klägerin im Verfahren III ZR 151/12 betreibt eine Fettschmelze. Sie bezieht Schlachtfette von einem Schlachthof und verarbeitet diese weiter. Im Schlachthof unterhält das Veterinäramt eine Fleischhygienestelle, die u.a. BSE-Tests durchführt. Solche waren ab 1.1.2009 für im Inland geborene und gehaltene Rinder vorgeschrieben, soweit diese älter als 48 Monate waren. In der Zeit vom 12. bis 21.1.2009 wurden im Schlachthof u.a. sieben Rinder geschlachtet, die altersgemäß auf BSE hätten untersucht werden müssen, versehentlich aber nicht untersucht wurden. Das aus den Schlachtungen der jeweiligen Tage stammende Rohfett lieferte der Schlachthof an die Klägerin auf Sicherungsschein, d.h. zur Verwahrung bis zur Aufhebung der Beschlagnahme.

Zwischen dem 12./13. und 21./22.1.2009 erstellte das Veterinäramt im Rahmen sog. Begleitscheine fünf Ergebnismitteilungen, wonach die durchgeführten Untersuchungen auf BSE negativ verlaufen seien und die Beschlagnahme der bereits an die Klägerin ausgelieferten Rohware aufgehoben werde. Hierüber informierte das Veterinäramt auch die Klägerin. Die Klägerin verarbeitete das Rohfett und verkaufte es teilweise weiter, so u.a. an die Klägerin im Verfahren III ZR 293/11. Nachdem der Fehler festgestellt worden war, mussten die Fettprodukte vernichtet werden.

LG und OLG wiesen die auf Schadensersatz gerichteten Klagen - die Klägerin im Verfahren III ZR 151/12 macht neben eigenen Schäden auch Schäden anderer Abnehmer aus abgetretenem Recht geltend - ab. Der BGH wies die Revision der der Klägerin im Verfahren III ZR 293/11 zurück. Im Verfahren III ZR 151/12 hob der BGH unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Berufungsurteil insoweit auf, als die dortige Klägerin eigene Schäden geltend gemacht hat, und verwies die Sache in diesem Umfang zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Amtshaftungsansprüche nach § 839 Abs. 1 S. 1 BGB, Art. 34 S. 1 GG setzen die Verletzung einer gerade einem Dritten gegenüber obliegenden Amtspflicht voraus. Die rechtlichen Bestimmungen über die Durchführung von BSE-Tests dienen aber dem Gesundheitsschutz; ihnen lässt sich kein Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass die hier betroffenen wirtschaftlichen Interessen der Klägerinnen geschützt werden sollen.

Zwar sind nach BGH-Rechtsprechung die bei der Durchführung einer BSE-Untersuchung bestehenden Amtspflichten im Verhältnis zum betroffenen Schlachtbetrieb drittbezogen und kommen Schadensersatzansprüche in Betracht, wenn ein Schlachthofbetreiber durch Fehler der zuständigen Behörden unmittelbar an der (gewinnbringenden) Verwertung seines Eigentums gehindert wird. Vorliegend ist Streitgegenstand aber der Schaden von in der weiteren Abnehmer- und Verarbeitungskette stehenden Unternehmen. Insoweit besteht grundsätzlich keine Drittwirkung; die einschlägigen Amtspflichten schützen nicht die individuellen Vermögensinteressen dieser Gruppe am Absatz von Tierprodukten zum Zwecke der Gewinnerzielung.

Anderenfalls würde die Haftung des Staates konturlos und wäre letztlich nur noch eine Frage der Kausalität. Allein der Umstand, dass jemand durch eine Amtspflichtverletzung kausal geschädigt wird, genügt aber nicht, um ihn als Dritten anzusehen. Insbes. bei denjenigen, die in ihren eigenen Interessen erst als Folge ihrer schuldrechtlichen Beziehungen zu den unmittelbar von der Ausübung der Amtspflicht betroffenen Personen und Unternehmen berührt werden, kann regelmäßig keine Drittwirkung zuerkannt werden.

Der der geschützte Dritte hat es grundsätzlich nicht in der Hand, durch den Abschluss von Verträgen den Schutzbereich der ihm gegenüber obliegenden Amtspflichten auf den Vertragspartner zu erstrecken. Abgesehen davon wären vorliegend die potenziellen Schäden und die damit verbundenen Haftungsrisiken kaum absehbar und ausufernd, da die Verarbeitung selbst geringer Mengen von verkehrsunfähigen Fleischbestandteilen oder Nebenprodukten dazu führen kann, dass große Mengen der mit Hilfe dieser Stoffe hergestellten End- oder Fertigprodukte unbrauchbar werden.

Bei der Klägerin im Verfahren III ZR 151/12 stellt sich die Situation allerdings anders dar. Die Auslegung der in den Begleitscheinen enthaltenen Ergebnismitteilungen ergibt, dass die hiervon erfassten Rohfettlieferungen von Rindern stammen, bei deren Schlachtung die Vorgaben der BSE-Verordnung eingehalten worden sind. Die Klägerin, bei der sich zum Zeitpunkt der Mitteilungen die fraglichen Rohfette tatsächlich befunden haben und aufgrund der ausgesprochenen vorläufigen Sicherstellungen auch nur befinden durften, konnte als Adressat dieser Mitteilungen auf deren Richtigkeit vertrauen und entsprechend wirtschaftlich disponieren; insoweit ist sie auch als geschützte Dritte i.S.d. § 839 Abs. 1 S. 1 BGB anzusehen.

Linkhinweis:

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  • Für die Pressemitteilung des BGH klicken Sie bitte hier.
BGH PM Nr. 188 vom 8.11.2012
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