31.01.2013

Zur Annahme einer faktischen Geschäftsführerstellung gegenüber einem abhängigen Unternehmen

Zwar ist es für die Annahme einer faktischen Geschäftsführerstellung gegenüber einem abhängigen Unternehmen im Einzelfall ausreichend, wenn der faktische Geschäftsführer den förmlich bestellten Geschäftsführer anweisen kann und er durch ihn die Geschäftspolitik des Unternehmens tatsächlich bestimmt. Beruht die Macht des Dritten allerdings allein darauf, dass er sich gegenüber dem formellen Geschäftsführer in den wesentlichen unternehmerischen Fragen durchsetzen kann, bedarf das Verhältnis zur Gesellschafterebene vertiefter Betrachtung.

BGH 13.12.2012, 5 StR 407/12
Der Sachverhalt:
Der Angeklagte hatte die "S-Unternehmensgruppe", die im Bereich Sanierung und Vermarktung von Immobilien tätig war. Im Tatzeitraum war er Geschäftsführer der VA-GmbH, die als Komplementärin in verschiedenen und für jedes Bauvorhaben gesondert gegründeten Bauherren-KG"s fungierte. Diese beauftragten als Generalübernehmer für Sanierungsarbeiten die A-GmbH, deren Geschäftsführerin im Tatzeitrum die Mitangeklagte N. war. Gesellschafterin der A-GmbH war die C-GmbH. Zur Durchführung der Bauvorhaben beauftragte die A-GmbH ihrerseits Generalunternehmer und verschiedene Subunternehmer, wobei sie faktisch als "Schutzschild vor den Bauherren-KG"s" agierte, um die Ansprüche der unbezahlten oder nur zum Teil bezahlten Leistungserbringer abzufangen. Sie erteilte teilweise Aufträge, ohne dass die Absicht bestand, diese vollständig zu bezahlen. Überdies veranlasste die A-GmbH kleine unerfahrene Handwerksunternehmen dazu, trotz Ausbleibens ihrer Bezahlung weitere Leistungen zu erbringen.

Die Bauherren-KG"s finanzierten die Vorhaben durch Darlehen, die auf der Grundlage von Abschlagsrechnungen der A-GmbH direkt an die Generalübernehmerin ausgezahlt wurden. Von diesen Beträgen überwies die Mitangeklagte N. auf Veranlassung des Angeklagten und einem gemeinsamen Tatplan entsprechend größere Summen aufgrund rechtsgrundloser Stornierungen der Abschlagsrechnungen direkt an die Bauherren-KG"s. Den Angeklagten war dabei bewusst, dass der stornierte Betrag nicht ausgeglichen werden würde und die Stornierung deshalb einen Verzicht auf die Forderung bedeutete. Durch die so veranlassten Stornierungen geriet die A-GmbH zunehmend in Liquiditätsschwierigkeiten und konnte Handwerksleistungen nicht mehr bezahlen. Am Ende führten sechs Stornierungen über einen Betrag von insgesamt mehr als 820.000 € zur Insolvenz der A-GmbH, was die Angeklagten zumindest billigend in Kauf nahmen.

Das LG war davon ausgegangen, dass der Angeklagte faktischer Geschäftsführer der A-GmbH war und seine Vermögensbetreuungspflicht ihr gegenüber verletzt habe, indem er die Mitangeklagte N. zu den rechtsgrundlosen Stornierungen angewiesen habe. Es verurteilte ihn deshalb wegen Untreue in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung. Auf die Revision des Angeklagten hob der BGH das Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurück.

Die Gründe:
Die Feststellungen des LG trugen nicht die Annahme, dass der Angeklagte gegenüber der A-GmbH nach § 266 Abs. 1 StGB vermögensbetreuungspflichtig war.

Grundlage einer Vermögensbetreuungspflicht kann neben Gesetz, behördlichem Auftrag oder Rechtsgeschäft auch ein sog. "tatsächliches Treueverhältnis", was dadurch begründet sein kann, dass der Betreffende die organschaftlichen Aufgaben eines Geschäftsführers übernommen und diese ausgeführt hat. Den Urteilsgründen ließ sich zwar entnehmen, dass der Angeklagte einen erheblichen Einfluss gegenüber der Geschäftsführerin der A-GmbH hatte, die nahezu keine eigenständigen Entscheidungen traf. Dies reichte aber für sich genommen nicht aus, um eine faktische Organstellung zu begründen. Insofern fehlten dem Angeklagten die für eine organschaftliche Stellung typischen Befugnisse.

Zwar lässt es die die Rechtsprechung im Einzelfall auch ausreichen, wenn der faktische Geschäftsführer den förmlich bestellten Geschäftsführer anweisen kann und er durch ihn die Geschäftspolitik des Unternehmens tatsächlich bestimmt. Beruht die Macht des Dritten allerdings allein darauf, dass er sich gegenüber dem formellen Geschäftsführer in den wesentlichen unternehmerischen Fragen durchsetzen kann, bedarf das Verhältnis zur Gesellschafterebene vertiefter Betrachtung. Diesem Erfordernis wurden die Urteilsgründe gleichfalls nicht gerecht.

Dass ein außenstehender Dritter, der weder Mitgesellschafter noch Angestellter ist, sondern vielmehr auf der Seite des - wenngleich wirtschaftlich einflussreichen - Auftraggebers steht, über seine wirtschaftliche Macht als Auftraggeber hinaus ermächtigt ist, die Geschäfte seines Vertragspartners zu führen und damit auch verpflichtet ist, dessen Vermögensinteressen zu schützen, erklärt sich aufgrund der bloß faktischen Einflussnahme nicht selbst. Vielmehr wird in solchen Fällen der Abhängigkeit des Geschäftspartners die übermächtige Vertragsgegenseite häufig die Geschäftstätigkeit des abhängigen Geschäftspartners bestimmen können. Dies genügt aber nicht für die Annahme einer "faktischen Geschäftsführung". Um bewerten zu können, dass der Angeklagte im "Einvernehmen" mit der Gesellschafterin die Geschäfte für die A-GmbH faktisch geführt hat, hätte es einer eingehenden Darlegung der Hintergründe sowie der Art und des Umfanges dieses "Einvernehmens" bedurft.

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