26.05.2011

Zur Beteiligung ausländischer Broker an vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigungen von Kapitalanlegern

Ausländische Broker beteiligen sich bedingt vorsätzlich an vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigungen von Kapitalanlegern durch inländische Terminoptionsvermittler, wenn sie diesen ohne Überprüfung der Geschäftsmodelle bewusst und offenkundig den unkontrollierten Zugang zu ausländischen Börsen eröffnen. Für Klagen gegen diese Broker - hinsichtlich der Beihilfe zu im Inland begangenen unerlaubten Handlungen - sind deutsche Gerichte international zuständig.

BGH 12.4.2011, XI ZR 101/09
Der Sachverhalt:
Die Beklagte ist ein Brokerhaus mit Sitz in den USA. Sie unterliegt der New Yorker Börsenaufsicht und arbeitet weltweit mit Vermittlern zusammen, denen sie über eine Online-Plattform den Zugang zur Ausführung von Wertpapiergeschäften an Börsen in den USA ermöglicht, den diese mangels einer dortigen Zulassung sonst nicht hätten. Die Vermittler können die Kauf- und Verkaufsorders ihrer Kunden sowie ihre eigenen anfallenden Provisionen und Gebühren in das Online-System der Beklagten eingeben, wo sie vollautomatisch bearbeitet und verbucht werden.

Der Kläger, deutscher Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Deutschland, schloss im Jahr 2005 nach telefonischer Werbung mit einer Agentin eines der Vermittler der Klägerin einen formularmäßigen Geschäftsbesorgungsvertrag über die Besorgung und Vermittlung von Termingeschäften ab. Darin verpflichtete sich die Agentin zur Vermittlung eines Brokereinzelkontos bei der Beklagten und ließ sie sich für ihre Tätigkeit in erheblichem Umfang sowohl fixe Gebühren als auch tätigkeitsabhängige Gebühren versprechen. Später unterzeichnete der Kläger noch ein englischsprachiges Vertragsformular der Beklagten ("Option Agreement and Approval Form"), das eine Schiedsklausel enthielt. Die Beklagte unterzeichnete den Vertrag nicht.

Die zahlreich durchgeführten Terminoptionsgeschäfte des Klägers führten überwiegend zu Verlusten. Der eingezahlte  Betrag i.H.v. 110.000 € auf dem Transaktionskonto minimierte sich auf knapp 1.092 €. Der Kläger verlangte daraufhin von der Beklagten Schadensersatz wegen der Verluste im Zusammenhang mit den Terminoptionsgeschäften i.H.d. Differenzbetrages von 108.908 €.

Das LG wies die Klage ab; das OLG gab ihr statt. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten blieb vor dem BGH erfolglos.

Die Gründe:
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch wegen einer gemeinsam mit dem Vermittler bzw. der Agentin begangenen vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gem. §§ 826, 830 BGB.

Zum einen sind deutsche Gerichte international zuständig für Klagen gegen ausländische Broker, die Beihilfe zu einer im Inland begangenen unerlaubten Handlung leisten. Zum anderen ist der Kläger kein Kaufmann, so dass die Schiedsklausel nach § 37h WpHG unverbindlich war.

Die Beklagte hatte zumindest bedingt vorsätzlich Beihilfe zu der unerlaubten Handlung der Agentin geleistet. Ein ausländischer Broker beteiligt sich bedingt vorsätzlich an einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung von Kapitalanlegern durch einen inländischen Terminoptionsvermittler, wenn er diesem ohne Überprüfung seines Geschäftsmodells bewusst und offenkundig den unkontrollierten Zugang zu ausländischen Börsen eröffnet. Wenn der Broker die Augen bewusst vor der sich aufdrängenden Erkenntnis der Sittenwidrigkeit des Geschäftsmodells des Vermittlers verschließt und diesem das unkontrollierte Betreiben seines Geschäftsmodells ermöglicht, überlässt er die Verwirklichung der erkannten Gefahr dem Zufall und leistet zumindest bedingt vorsätzliche Beihilfe zu der unerlaubten Handlung des Vermittlers.

Beihilfe i.S.v. § 830 BGB setzt weder eine kommunikative Verständigung von Haupttäter und Gehilfen auf einen gemeinsamen Tatplan noch eine Mitwirkung des Gehilfen bei der Tatausführung voraus. Dass die Beklagte das Geschäftsmodell, das die Agentin praktizierte, nicht positiv kannte, stand der Annahme eines bedingten Vorsatzes der Beklagten nicht entgegen. Die Beklagte hat zumindest so leichtfertig gehandelt, dass sie die als möglich erkannte Schädigung des Klägers in Kauf genommen haben muss. Ein Broker muss jedenfalls dann, wenn er - wie hier - eine besondere Gefährdungslage schafft, auch prüfen, ob das Geschäftsmodell seines potenziellen Geschäftspartners zivilrechtlich sittenwidrig ist. Die zivilrechtliche Unbedenklichkeit des tatsächlichen Verhaltens des Erlaubnisinhabers gegenüber Kunden im Rahmen seiner Geschäftstätigkeit kann weder der Erlaubnis nach § 32 KWG noch dem Bestehen der Finanzmarktaufsicht entnommen werden.

Linkhinweis:

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