30.07.2013

Zur Bindung des Verwalters im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Sicherungsgebers an eine vom Schuldner zuvor getroffene Schiedsvereinbarung

Der Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Sicherungsgebers ist an eine vom Schuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens getroffene Schiedsvereinbarung gebunden, wenn er die Forderung des Sicherungsnehmers nach § 166 Abs. 2 InsO einzieht. Ebenso wie der Sicherungsnehmer hat der Verwalter die vom Schuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wirksam geschaffene Rechtslage insoweit hinzunehmen.

BGH 25.4.2013, IX ZR 49/12
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Verwalter in dem am 1.7. 2009 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der W-GmbH & Co. KG (fortan: Schuldnerin). Mit Vertrag vom 28.10.2008 kaufte die Beklagte bei der Pflanzenschutz W. - B. e.Kfr. (fortan: P) Getreide. Dem Vertrag lagen die "Einheitsbedingungen im deutschen Getreidehandel" zugrunde, die einen verlängerten Eigentumsvorbehalt sowie eine Schiedsgerichtsvereinbarung enthalten.

Aufgrund dieser Bedingungen hatte die P die gegen die Beklagte gerichtete Forderung an die Vorlieferanten abzutreten. In der Folgezeit brachte die Inhaberin der P das Einzelunternehmen in die Schuldnerin ein, wobei die Wirksamkeit dieses (nicht näher beschriebenen) Rechtsgeschäfts streitig ist. Das Getreide wurde im März 2009 geliefert. Der Kläger verlangt Bezahlung des Kaufpreises für das gelieferte Getreide.

Das LG wies die Klage ab; das OLG gab ihr teilweise statt und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von rd. 49.000 € nebst Zinsen. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Wäre die Schuldnerin, wie das Berufungsgericht nach Einsicht in die Handelsregisterakten angenommen hat, Rechtsnachfolgerin der P in Bezug auf die Rechte und Pflichten aus dem Kaufvertrag vom 28.10.2010 geworden, wäre die Klage unzulässig (§ 1032 Abs. 1 ZPO).

Nach den "Einheitsbedingungen im deutschen Getreidehandel", welche in den Vertrag einbezogen worden waren, werden alle Streitigkeiten aus den betroffenen Verträgen unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs durch einen bei einer Deutschen Getreide- und Produktbörse (Warenbörse bzw. Börsenverein) eingerichteten Schiedsgericht entschieden. Die Beklagte hat die Einrede des Schiedsvertrages erhoben. Der Insolvenzverwalter ist an die Schiedsabreden des Insolvenzschuldners gebunden, wenn er vertragliche Rechte geltend macht. Die Schiedsvereinbarung ist weder ein gegenseitiger Vertrag (§ 103 InsO) noch ein Auftrag (§ 114 InsO). Der Verwalter kann daher weder die Erfüllung ablehnen, noch erlischt der Schiedsvertrag durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Die Schiedsabrede gilt auch im Feststellungsrechtsstreit.

Entgegen der Ansicht des OLG gilt dieser Grundsatz auch dann, wenn der Verwalter gem. § 166 Abs. 2 InsO eine zur Sicherheit abgetretene Forderung einzieht. Schiedsabreden aus der Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfassen zwar nicht solche Rechte des Verwalters, die sich nicht unmittelbar aus dem vom Schuldner geschlossenen Vertrag ergeben, sondern auf der InsO beruhen. Dazu gehört insbes. die Insolvenzanfechtung. Um derartige Rechte geht es hier jedoch nicht. Nach § 166 Abs. 2 InsO darf der Verwalter Forderungen einziehen oder verwerten, welche der Schuldner zur Sicherung eines Anspruchs abgetreten hat. Nur dieses Einziehungsrecht ist dem Verwalter von der InsO besonders verliehen. Es geht insoweit über die allgemeine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Verwalters gem. § 80 Abs. 1 InsO hinaus, als es nicht eigene Forderungen des Schuldners erfasst, sondern auch solche Forderungen, welche der Schuldner vor der Eröffnung sicherheitshalber abgetreten hat. Der Schuldner selbst hätte dieses Einziehungsrecht nicht.

Auf die einzuziehende Forderung als solche, welche der Schiedsabrede unterliegt, wirkt sich das besondere Einziehungsrecht des Verwalters gem. § 166 Abs. 2 InsO jedoch nicht aus. Eingezogen wird die vom Schuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete und sicherungshalber abgetretene Forderung. Der Sicherungsnehmer als der Einzelrechtsnachfolger des Schuldners (§ 398 S. 2 BGB) hätte sich gem. § 404 BGB die Schiedsabrede entgegenhalten lassen müssen, wenn er versucht hätte, die abgetretene Forderung vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei den ordentlichen Gerichten einzuklagen. Gleiches gilt für den Verwalter, der gem. § 166 Abs. 2 InsO anstelle des Sicherungsnehmers die Forderung einzieht. Ebenso wie der Sicherungsnehmer hat er die vom Schuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wirksam geschaffene Rechtslage insoweit hinzunehmen.

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