05.02.2016

Zur Drittschadensliquidation bei der Inanspruchnahme eines Architekten

In besonders gelagerten Fällen lässt die Rechtsprechung eine Drittschadensliquidation zu, bei der der Vertragspartner den Schaden geltend machen kann, der bei dem Dritten eingetreten ist, der selbst keinen Anspruch gegen den Schädiger hat. Die Anwendung der Drittschadensliquidation scheidet aus, wenn die Drittschadensliquidation zu einer dem allgemeinen Vertragsrecht widersprechenden Schadenshäufung führen würde.

BGH 14.1.2016, VII ZR 271/14
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Eigentümerin einer Halle, die sie an die A-GmbH & Co. KG verpachtet hat; in dieser Halle wird Geflügelfleisch verarbeitet. Im 1991 geschlossenen Pachtvertrags ist u.a. geregelt, das die Pächterin alle während der Pachtzeit erforderlichen Ausbesserungen und Erneuerungen rechtzeitig und ordnungsgemäß ausführen und bezahlen muss.

In den Jahren 2000 und 2001 erweiterte die Klägerin die Halle. Mit den Architektenleistungen beauftragte sie mündlich den Architekten N. Hierbei handelte es sich um den mittlerweile verstorbenen Ehemann der Beklagten. Mit den Bauhauptarbeiten wurde die Nebenintervenientin zu 2) der Beklagten beauftragt. Mit der Erstellung des Hallenfußbodens wurde die Nebenintervenientin zu 1) der Beklagten beauftragt.

Ab Ende 2000 kam es zu Schriftverkehr zwischen dem Architekten N. und der Nebenintervenientin zu 1), in dem Schäden an dem Hallenfußboden thematisiert wurden. Mitte 2006 ließ die A-GmbH & Co. KG den Hallenfußboden sanieren, wobei der Umfang der Sanierungsarbeiten und deren Erforderlichkeit zwischen den Parteien streitig sind. Sämtliche mit der Sanierung zusammenhängenden Arbeiten wurden von der A-GmbH & Co. KG in Auftrag gegeben, ihr in Rechnung gestellt und von ihr beglichen.

Mit der Klage begehrte die Klägerin Ersatz der nach ihrem Vorbringen zur Sanierung erforderlich gewesenen, von der A-GmbH & Co. KG getragenen Kosten i.H.v. insgesamt 840.758 €. LG und OLG wiesen die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH die Urteile auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.

Gründe:
Mit der vom OLG gegebenen Begründung konnte ein Schadensersatzanspruch der Klägerin hinsichtlich der entstandenen Sanierungskosten nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation nicht verneint werden.

Aufgrund einer Vertragspflichtverletzung kann der Vertragspartner zwar den daraus entstehenden Schaden grundsätzlich nur insoweit geltend machen, als er bei ihm selbst eingetreten ist. In besonders gelagerten Fällen lässt die Rechtsprechung allerdings eine Drittschadensliquidation zu, bei der der Vertragspartner den Schaden geltend machen kann, der bei dem Dritten eingetreten ist, der selbst keinen Anspruch gegen den Schädiger hat. Für die Zulassung einer Drittschadensliquidation ist dabei der Gesichtspunkt maßgebend, dass der Schädiger keinen Vorteil daraus ziehen soll, wenn ein Schaden, der eigentlich bei dem Vertragspartner eintreten müsste, zufällig aufgrund eines zu dem Dritten bestehenden Rechtsverhältnisses auf diesen verlagert ist.

Die Anwendung der Drittschadensliquidation scheidet aus, wenn die Drittschadensliquidation zu einer dem allgemeinen Vertragsrecht widersprechenden Schadenshäufung führen würde. Infolgedessen kam hier ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte hinsichtlich der entstandenen Sanierungskosten nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation in Betracht. Der betreffende Schaden war unter Berücksichtigung der Vereinbarung des Pachtvertrags nicht bei der als Auftraggeberin des Architektenvertrags ersatzberechtigten Klägerin, sondern bei der A-GmbH & Co. KG eingetreten, die selbst keinen eigenen vertraglichen oder gesetzlichen Anspruch auf Ersatz der entstandenen Sanierungskosten hatte. Es handelte sich um eine bloße - zufällige - Verlagerung des Schadens.

Eine die Zulässigkeit der Drittschadensliquidation hindernde Schadenshäufung konnte entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht mit der Erwägung angenommen werden, dass bei der Klägerin ein Schaden in Form der von dem Architekten N. schuldhaft verursachten Mängel des Architektenwerks eingetreten sei. Denn um den Ersatz eines solchen Schadens ging es bei dem Schadensersatzbegehren der Klägerin nicht. Dieses bezog sich nur auf die entstandenen Sanierungskosten, bei denen es sich um Folgeschäden der von dem Architekten N. schuldhaft verursachten Mängel des Architektenwerks handelte und aus denen eine Vermögenseinbuße lediglich bei der A-GmbH & Co. KG resultierte.

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