05.01.2016

Zur Einordnung einer Mundspüllösung als Funktionsarzneimittel

Die Einordnung eines Präparats als Funktionsarzneimittel kann nicht auf eine Angabe gestützt werden, die nur für die Einordnung als Präsentationsarzneimittel spricht.

BGH 25.6.2015, I ZR 205/13
Der Sachverhalt:
Die Parteien sind Wettbewerber beim Vertrieb von Mundspüllösungen, die Chlorhexidin enthalten. Die Klägerin vertreibt die als Arzneimittel zugelassene, nicht verschreibungspflichtige Mundspüllösung "D. PR. ® 0,2 % CHX", die den Wirkstoff Chlorhexidin in einer Konzentration von 0,2 % enthält. Die Beklagte vertreibt die Mundspüllösung "GUM® P. ® 0,2 %", die ebenfalls den Wirkstoff Chlorhexidin in einer Konzentration von 0,2 % enthält. Sie bringt diese Mundspüllösung als Kosmetikum in den Verkehr und verfügt für sie über keine Zulassung als Arzneimittel.

Die Anwendungsempfehlung auf der Umverpackung des Erzeugnisses der Beklagten lautet "Gebrauchsfertige Lösung. Zweimal täglich nach dem Zähneputzen anwenden. Die Dosierkappe mit 10 ml füllen und 30 Sekunden gründlich spülen, danach ausspucken. Nicht mit Wasser nachspülen". Unter den Warnhinweisen und Vorsichtsmaßnahmen heißt es "unter zahnärztlicher Aufsicht anwenden".

Nach Ansicht der Klägerin ist die von der Beklagten vertriebene Mundspüllösung ein nicht zugelassenes Arzneimittel, weil sie pharmakologisch wirke und sich aufgrund ihrer Verpackung und der dieser beigefügten Produktinformationen für den Durchschnittsverbraucher zudem als Arzneimittel darstelle. Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage u.a. Unterlassung, Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten.

LG und OLG gaben der Klage bis auf einen geringen Teil der geltend gemachten Zinsen statt. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Urteil des OLG auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück.

Die Gründe:
Auf der Grundlage der vom OLG bislang getroffenen Feststellungen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die beanstandete Mundspüllösung nachweislich ein Funktionsarzneimittel i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AMG ist, das ohne arzneimittelrechtliche Zulassung gem. § 21 Abs. 1 AMG, § 3a S. 1 HWG weder vertrieben noch beworben werden darf.

Beide Vorinstanzen haben bei der Einordnung des Produkts der Beklagten als Funktionsarzneimittel zumindest teilweise unberücksichtigt gelassen, dass das Vorliegen eines Funktionsarzneimittels i.S.v. Art. 1 Nr. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83/EG und § 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AMG von demjenigen dargelegt und im Bestreitensfall bewiesen werden muss, der sich hierauf beruft. Dasselbe ergibt sich auch aus den eigenen Ausführungen des OLG, das LG habe mangels stichhaltiger Gegenargumente keiner weitergehenden sachverständigen Unterstützung für seine Schlussfolgerung bedurft, dass die verkürzte Spüldauerempfehlung keine erheblichen Auswirkungen auf die Übertragbarkeit der Untersuchungsergebnisse habe, die 1994 für Mundspülungen von einer Minute Dauer mit 10 ml einer 0,1 bis 0,2 %igen Chlorhexidin-Lösung gewonnen worden seien.

Das OLG hat in diesem Zusammenhang nicht in Rechnung gestellt, dass die für die Einordnung eines Produkts als Funktionsarzneimittel erforderliche pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wissenschaftlich festgestellt werden muss, wobei von Fall zu Fall die nach dem jeweiligen Stand der Wissenschaft feststellbaren pharmakologischen, immunologischen oder metabolischen Eigenschaften des Produkts zu berücksichtigen sind. Die Ausführungen des OLG und die von ihm in Bezug genommenen Ausführungen im Urteil des LG lassen i.Ü. erkennen, dass die Gerichte Erwägungen, die allenfalls für eine Einordnung des beanstandeten Produkts als Präsentationsarzneimittel i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG (Art. 1 Nr. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/83/EG) hätten sprechen können, für die Begründung seiner davon unabhängigen Einordnung als Funktionsarzneimittel mit herangezogen haben.

So hat das LG aus dem Umstand, dass die Beklagte die Anwendung ihres angegriffenen Produkts durch entsprechende Hinweise auf Schachtel und Packungsbeilage der Aufsicht eines Zahnarztes unterstellt hat, geschlossen, dass es bei dem Mittel nicht um die Vorsorge bei gesunden Personen, sondern um arzneiliche zahnärztliche Behandlungen eines bereits bestehenden Krankheitszustandes geht. Das OLG selbst hat seine Annahme, beim streitgegenständlichen Produkt führe die pharmakologische Wirkung zu einer nennenswerten Beeinflussung der physiologischen Funktionen des Körpers, auch damit begründet, dass das Produkt der Beklagten nach deren eigenen Angaben auf der Verpackung zur unterstützenden Behandlung bei bakteriell bedingten Entzündungen des Zahnfleisches (Gingivitis) und der Mundschleimhaut sowie nach chirurgischen Eingriffen am Zahnhalteapparat eingesetzt werden kann. Das OLG hat daraus geschlossen, dass die Wirkung dieses Produkts deswegen über die antibakterielle Reinigungswirkung herkömmlicher kosmetischer Produkte hinausgeht.

Das angefochtene Urteil konnte danach weder mit der vom OLG gegebenen Begründung noch i.Ü. auch gem. § 561 ZPO mit anderer Begründung aufrechterhalten werden; es war deshalb aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache an das OLG zurückzuverweisen. Dieses wird im zweiten Rechtsgang dem wechselseitigen Vortrag der Parteien zu den Auswirkungen der Mundspüllösung der Beklagten bei bestimmungsgemäßer Anwendung auf die physiologischen Funktionen des Menschen nachzugehen haben.

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