13.01.2012

Zur Entkräftung von Beweisanzeichen für die Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung durch den Einwand eines Sanierungsversuchs

Die Vereinbarung einer Zahlungsverpflichtung entfällt als kongruenzbegründender Schuldgrund für die angefochtene Zahlung, wenn sie selbst der Insolvenzanfechtung unterliegt. Beweisanzeichen für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung werden durch den Einwand eines Sanierungsversuchs nicht entkräftet, wenn es an jeder Darlegung zu den Inhalten und zu den Grundlagen des Sanierungskonzepts fehlt.

BGH 8.12.2011, IX ZR 156/09
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Verwalterin in dem am 3.1.2005 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der G (Schuldnerin). Diese befand sich Ende des Jahres 2003 in einer wirtschaftlichen Krise. Mit Hilfe eines Unternehmensberaters versuchte sie, bei ihren Gläubigerbanken einen teilweisen Forderungsverzicht zu erreichen. Die Beklagte hatte der Schuldnerin ein Darlehen i.H.v. 2,3 Mio. € gewährt. Am 23.3./15.4.2004 schloss die Schuldnerin mit der Beklagten einen Vergleichsvertrag.

Darin verpflichtete sich die Schuldnerin, an die Beklagte 16 Prozent des Darlehens zzgl. der aufgelaufenen Zinsen, insgesamt rd. 400.000 € zu zahlen. Für den Fall fristgerechter Zahlung verzichtete die Beklagte auf ihre weiteren Ansprüche aus dem Darlehensvertrag. Der Vergleich wurde unter den Vorbehalt gestellt, dass die Schuldnerin mit keiner anderen Gläubigerbank eine Vereinbarung schloss, nach der die Bank auf weniger als 84 Prozent ihrer Forderung verzichtete. Im Falle der Vereinbarung eines geringeren Verzichts sollte auch der Vergleich mit der Beklagten entsprechend angepasst und der Unterschiedsbetrag nachbezahlt werden.

Am 20.4.2004 zahlte die Schuldnerin an die Beklagte den Vergleichsbetrag. Zu Vereinbarungen mit anderen Gläubigerbanken über einen teilweisen Forderungsverzicht kam es nicht mehr. Am 8.11.2004 beantragte die Schuldnerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen.

Das LG gab der auf Rückzahlung der 400.000 € nebst Zinsen gerichteten Klage statt. Das OLG wies sie ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil auf verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Ein Rückgewähranspruch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Vorsatzanfechtung nach § 143 Abs. 1, § 133 Abs. 1 InsO kann mit der vom OLG gegebenen Begründung nicht ausgeschlossen werden.

Eine Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO setzt voraus, dass der Schuldner mit dem Vorsatz handelte, seine Gläubiger zu benachteiligen. Ein erhebliches Beweisanzeichen hierfür ist gegeben, wenn der Gläubiger eine inkongruente Befriedigung erhält. Im Streitfall hatte die Beklagte aufgrund des Vergleichsvertrags zwar einen Anspruch auf die geleistete Zahlung. Die im Vergleich von der Schuldnerin eingegangene Zahlungsverpflichtung war jedoch ihrerseits inkongruent, weil die Beklagte aus dem ungekündigten Darlehen keine Zahlung verlangen konnte. Entgegen der Ansicht des OLG kann dieser Umstand dazu führen, dass auch die Zahlung aufgrund des Vergleichs inkongruent war. Denn die Vergleichsvereinbarung entfällt als kongruenzbegründender Schuldgrund für die geleistete Zahlung, wenn sie ihrerseits anfechtbar ist.

Die Indizwirkung der Inkongruenz für einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners kann allerdings durch die Umstände des Einzelfalls ausgeschlossen sein. Das kommt insbes. dann in Betracht, wenn die Gewährung einer inkongruenten Befriedigung Bestandteil eines ernsthaften, letztlich aber fehlgeschlagenen Sanierungsversuchs ist. Es muss hierzu zu der Zeit der angefochtenen Handlung ein schlüssiges, von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgehendes, Aussicht auf Erfolg begründendes Sanierungskonzept vorliegen, das mindestens in den Anfängen schon in die Tat umgesetzt worden ist.

Ein solches schlüssiges Sanierungskonzept, das zum Zeitpunkt der angefochtenen Handlung begründete Aussicht auf Erfolg bot, hat das OLG jedoch nicht festgestellt. Es lässt sich nicht der wesentliche Inhalt des Sanierungskonzepts entnehmen, und es ist auch nicht erkennbar, auf welchen tatsächlichen Grundlagen das Sanierungskonzept beruhte. Im Übrigen begründete weder der Umstand, dass mit der Beklagten die erstrebte Einigung gelungen war, noch die Tatsache, dass die S als eine der weiteren am Sanierungskonzept beteiligten Banken bereit war, die Zahlung an die Beklagte auszuführen, die Erwartung, dass auch die vorgesehenen Vereinbarungen mit den übrigen Banken zustande kommen würden und erfüllt werden konnten.

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