09.01.2014

Zur Ermittlung der Wertgrenze auf der Basis des Mittelkurses der Europäischen Zentralbank

Hat ein Paketdienstunternehmen in seinen Beförderungsbedingungen eine Beförderungsausschlussklausel, wonach der Wert eines Pakets den Gegenwert von 50.000 US-Dollar in der jeweiligen Landeswährung nicht überschreiten darf, muss diese Klausel - wenn die Landeswährung der Euro ist - dahin ausgelegt werden, dass die Wertgrenze auf der Basis des Euro-Referenzkurses (Mittelkurses) der Europäischen Zentralbank zu ermitteln ist.

BGH 4.7.2013, I ZR 156/12
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Transportversicherer der E-GmbH. Die Versicherungsnehmerin hatte im Juni 2008 die Beklagte mit dem Transport eines Messgeräts von Österreich nach Deutschland beauftragt. Dem Beförderungsvertrag lagen die Beförderungsbedingungen der Beklagten (Stand: 2008) zugrunde. In einer der Beförderungsausschlussklauseln war geregelt, dass der Wert eines Pakets den Gegenwert von 50.000 US-Dollar in der jeweiligen Landeswährung nicht überschreiten darf.

Die österreichische Versenderin übergab einem Fahrer der Beklagten das Transportbehältnis, in dem sich nach der Darstellung der Klägerin das Messgerät im Wert von 32.555 € befand. Die Klägerin trug vor, der Spezialkoffer im Wert von 750 € sei unmittelbar nach der Ankunft bei der Versicherungsnehmerin geöffnet worden. Dabei hätten deren Mitarbeiter festgestellt, dass der Transportkoffer leer angeliefert worden sei. Infolgedessen nahm die Klägerin das beklagte Paketdienstunternehmen aus abgetretenem und übergegangenem Recht wegen des Verlustes von Transportgut auf Schadensersatz in Anspruch.

Die Beklagte machte vor allem geltend, der Wert des angeblich an sie zur Beförderung übergebenen Messgeräts nebst Transportkoffer habe die Verbotsgutgrenze von 50.000 US-Dollar gemäß ihren Beförderungsbedingungen überschritten. Dieser Umstand führe zu einem vollständigen Haftungsausschluss.

LG und OLG gaben der Klage statt. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Gründe:
Zwar hatte das Berufungsgericht zutreffend angenommen, dass die mit einem grenzüberschreitenden Straßengütertransport beauftragte Beklagte als Frachtführerin der Haftung nach den Vorschriften der CMR unterliegt. Danach hat die Beklagte gem. Art. 17 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 CMR grundsätzlich Schadensersatz für den Verlust von Transportgut zu leisten, das während ihrer Obhutszeit abhandenkommt. Allerdings wandte sich die Revision mit Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, bei dem an die Beklagte übergebenen Messgerät nebst Transportkoffer habe es sich nicht um Verbotsgut i.S.d. Beförderungsbedingungen der Beklagten gehandelt.

Die Beförderungsbedingungen der Beklagten regelten nicht ausdrücklich, welcher Umrechnungskurs bei der Feststellung des Euro-Betrags zugrunde zu legen war, der dem Wert von 50.000 US-Dollar entsprach, so dass dies im Wege der Auslegung zu ermitteln war. Verbleiben nach Ausschöpfung aller danach in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten Zweifel und sind zumindest zwei Auslegungsergebnisse rechtlich vertretbar, kommt die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB zur Anwendung. Im vorliegenden Fall lagen der Absendeort in Österreich und der Sitz der Auftraggeberin in Deutschland, so dass auch insoweit die jeweilige Landeswährung der Euro war. Somit lag es nahe, die Basis des Euro-Referenzkurses (Mittelkurs) der Europäischen Zentralbank zur Beantwortung der Frage heranzuziehen, ob das zu befördernde Gut den Wert von 50.000 US-Dollar überstieg, zumal es sich hierbei um den gebräuchlichsten und im Übrigen um einen leicht festzustellenden Kurs handelte.

Die vom Berufungsgericht in Erwägung gezogenen Kurse eigneten sich hingegen nicht. So kam der Interbankenkurs nicht in Betracht, weil er für Privatpersonen und Gewerbetreibende grundsätzlich nicht gilt. Ebenso wenig konnte auf die Kurse abgestellt werden, die für den An- und Verkauf von US-Dollar gelten; der Ankaufspreis muss deutlich über, der Verkaufspreis deutlich unter dem Mittelwert liegen, weil Kostenfaktoren - wie etwa die Marge der Bank, die Kosten des Vorhaltens der Fremdwährung und ein Risikoabschlag für Währungsschwankungen - zu berücksichtigen sind, die für die Ermittlung des Gegenwerts in dem hier interessierenden Kontext keine Rolle spielen. Entsprechendes galt für den Kreditkartenkurs, der nur in einem speziellen Marktsegment von Bedeutung ist und zum Geschäftsbereich der Beklagten keinen Bezug aufweist.

Der Mittelkurs der Europäischen Zentralbank betrug im Juni 2008 für einen Euro 1,5336 US-Dollar, so dass sich der Wert des zu befördernden Gutes auf 50.271,40 US-Dollar belief und damit die Verbotsgutgrenze überschritt. Der Umstand, dass der Beklagten Verbotsgut i.S. ihrer Beförderungsbedingungen zum Transport übergeben worden war, ohne sie darüber in Kenntnis zu setzen, führte allerdings nicht ohne weiteres dazu, dass die Haftung der Beklagten nach § 311 Abs. 2, §§ 280, 249 Abs. 1 BGB vollständig entfiel. Dieser Umstand ist vielmehr als Schadensmitverursachungsbeitrag des Auftraggebers in die Haftungsabwägung nach § 425 Abs. 2 HGB, § 254 Abs. 2 S. 1 BGB einzustellen. Die Abwägung der Mitverschuldensanteile obliegt grundsätzlich dem Tatrichter. Sie hat durch eine Bewertung und Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile zu erfolgen.

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