29.10.2012

Zur Erstattungsfähigkeit der Kosten einer Avalbürgschaft im Rahmen der Zwangsvollstreckung

Die Erstattungsfähigkeit der Kosten einer Avalbürgschaft, die der Gläubiger beibringt, um die Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil zu ermöglichen, hängt nicht davon ab, dass dem Schuldner zuvor eine vollstreckbare Ausfertigung des Titels zugestellt wurde. Es reicht aus, dass der Gläubiger im Zeitpunkt der kostenauslösenden Maßnahme im Besitz einer vollstreckbaren Ausfertigung des Schuldtitels ist und der Schuldner in Kenntnis seiner Zahlungsverpflichtung einen Zeitraum von 14 Tagen zur freiwilligen Erfüllung der titulierten Forderung hat verstreichen lassen.

BGH 4.10.2012, VII ZB 11/10
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten über die Erstattungsfähigkeit von Bürgschaftskosten. Unter dem 8.1.2008 verurteilte das LG die Schuldnerin, rd. 40.000 € nebst Zinsen an die Gläubiger zu zahlen. Das vorläufig vollstreckbare Urteil wurde den damaligen Verfahrensbevollmächtigten der Schuldnerin am 11.1.2008 zugestellt. Nachdem den Gläubigern am 18.1.2008 eine vollstreckbare Ausfertigung des Urteils erteilt worden war, beauftragten sie am 28.1.2008 den Gerichtsvollzieher mit der Sicherungsvollstreckung nach § 720a ZPO.

Am 29.1.2008 erhielten die Gläubiger zur Durchführung der endgültigen Zwangsvollstreckung eine Bankbürgschaft. Unter dem 31.1.2008 beauftragten sie den Gerichtsvollzieher unter Nachweis der Bürgschaft mit der endgültigen Vollstreckung. Die vollstreckbare Ausfertigung des Urteils wurde der Schuldnerin am 6.2.2008 zugestellt. Sie bezahlte die titulierten Forderungen am 7.2.2008.

Das AG - Vollstreckungsgericht - sah die Kosten der Bankbürgschaft auf Antrag der Gläubiger als notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung an und setzte diese gem. § 788 Abs. 2 ZPO gegen die Schuldnerin fest. Das LG wies den Festsetzungsantrag der Gläubiger zurück. Auf die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin hob der BGH den Beschluss des LG auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung dorthin zurück.

Die Gründe:
Das LG hat zu Unrecht die Beschaffung einer Bürgschaft wegen der von ihm festgestellten besonderen Umstände des Streitfalles als nicht notwendig i.S.d. § 788 Abs. 1 S. 1, § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO angesehen und schon deshalb die hierdurch angefallenen Kosten insgesamt für nicht erstattungsfähig gehalten.

Kosten auslösende Maßnahmen des Gläubigers, die der Zwangsvollstreckung oder ihrer Vorbereitung dienen, sind notwendig, wenn der Gläubiger sie bei verständiger Würdigung der Sachlage im Zeitpunkt ihrer Vornahme zur Durchsetzung seines titulierten Anspruchs objektiv für erforderlich halten durfte. Der BGH hat entschieden, dass die Erstattungsfähigkeit der durch eine Zahlungsaufforderung mit Vollstreckungsandrohung ausgelösten anwaltlichen Vollstreckungsgebühr nicht davon abhängt, ob der Anwalt zuvor die Zustellung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Titels bewirkt hat. Vielmehr reicht es aus, dass der Gläubiger im Besitz einer vollstreckbaren Ausfertigung des Schuldtitels ist und die schutzwürdigen Belange des Schuldners dadurch gewahrt sind, dass dieser in Kenntnis seiner unbedingten Zahlungsverpflichtung eine Frist von 14 Tagen zur freiwilligen Erfüllung der titulierten Forderung hat verstreichen lassen.

Diese Grundsätze gelten in gleicher Weise für die Kosten einer Avalbürgschaft, die der Gläubiger beibringt, um die Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil zu ermöglichen. Das Gesetz eröffnet ihm ungeachtet der nach § 720a ZPO vorgesehenen Sicherungsvollstreckung gem. §§ 709, 750 Abs. 1 ZPO die Möglichkeit, auch die endgültige, seinen Anspruch befriedigende Vollstreckung eines für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteils schon vor dem Eintritt der Rechtskraft und unabhängig davon einzuleiten, ob dem Schuldner eine vollstreckbare Ausfertigung des Titels zugestellt wurde. Hierzu ist er insbes. ohne Einhaltung der Wartefrist des § 750 Abs. 3 ZPO berechtigt, die nur für den Beginn einer Sicherungsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung maßgebend ist.

Danach erweisen sich die von den Gläubigern zur Festsetzung angemeldeten Bürgschaftskosten dem Grunde nach als erstattungsfähige Kosten der Rechtsverfolgung. Die Beschaffung einer Bürgschaft zur Vorbereitung der Vollstreckung des Schuldtitels war insbes. nicht schon deshalb verfrüht, weil sie vor dem Ablauf der Rechtsmittelfrist und zu einem Zeitpunkt erfolgte, in dem der Schuldnerin eine vollstreckbare Ausfertigung des Urteils noch nicht zugestellt worden war. Die Schuldnerin hatte ausreichende Gelegenheit für eine freiwillige Bezahlung der titulierten Forderung. Ihr war spätestens ab Zustellung des Urteils am 11.1.2008 bewusst, zur unbedingten Bezahlung des dort ausgeurteilten Betrages verpflichtet zu sein. Sie hatte also mehr als zwei Wochen Zeit, die Forderung freiwillig zu begleichen, bevor die Gläubiger am 29.1.2008 die Kosten auslösende Bankbürgschaft erhielten.

Der Senat konnte in der Sache nicht selbst entscheiden. Die Parteien streiten auch über die Erforderlichkeit der Bürgschaftskosten der Höhe nach. Hierzu hat das LG - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - bisher keine Feststellungen getroffen.

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