15.09.2016

Zur Feststellung einer mit andauernden und heftigen Schmerzen begründeten Berufsunfähigkeit

Zwar ist es grundsätzlich richtig, dass als Krankheit i.S.d. Berufsunfähigkeitsversicherung auch Schmerzen, deren Ursache sich nicht klären lässt, in Betracht kommen. In prozessualer Hinsicht stellt sich für den Versicherungsnehmer dort jedoch das Problem der Beweisbarkeit, da es sich bei Schmerzen und deren Ausmaß um subjektive Empfindungen handelt.

OLG Karlsruhe 6.9.2016, 12 U 79/16
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte 2008 bei der Beklagten eine Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen. Voraussetzung für den Versicherungsfall ist eine Berufsunfähigkeit des Klägers von mind. 50 %, § 1 Abs. 1 der ABB. Die Berufsunfähigkeit ist in den ABB wie folgt definiert:

"Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechenden Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich auf Dauer (mindestens sechs Monate) außer Stande ist, ihren zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, auszuüben."

Seit 2009 war der Kläger als Fahrer und Lagerist angestellt. 2011/2012 traten beim ihm verstärkt Rücken- und Schulterschmerzen auf. Der behandelnde Orthopäde attestierte dem Kläger, dass er aufgrund orthopädischer Erkrankungen nicht mehr in der Lage sei, seinen Beruf auszuüben. Daraufhin kündigte der Arbeitgeber des Klägers diesem aus gesundheitlichen Gründen zum 31.1.2013. Der Kläger übte seinen bisherigen Beruf noch bis zum 18.12.2012 aus. Vom 31.1.2013 bis 24.01.2014 absolvierte er eine Ausbildung zum CNC-Anwender; seit dem 01.02.2014 arbeitet er in diesem Beruf.

Erstmals im November 2012 hatte der Kläger Berufsunfähigkeitsleistungen bei der Beklagten beantragt, die dies ablehnte. Das LG hat nach Beweisaufnahme die Zahlungsklage abgewiesen. Dem Kläger sei der Nachweis bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit nicht gelungen. Der orthopädische Sachverständige habe die Schmerzen nicht objektivieren, insbesondere nicht auf eine orthopädische Erkrankung zurückführen können. Psychische Ursachen für die Schmerzen habe der Kläger nicht geltend gemacht. Auch die Berufung des Klägers vor dem OLG blieb erfolglos.

Die Gründe:
Zwar ist es grundsätzlich richtig, dass als Krankheit i.S.d. Berufsunfähigkeitsversicherung auch Schmerzen, deren Ursache sich nicht klären lässt, in Betracht kommen. In prozessualer Hinsicht stellt sich für den Versicherungsnehmer dort jedoch das Problem der Beweisbarkeit, da es sich bei Schmerzen und deren Ausmaß um subjektive Empfindungen handelt. Dabei ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass die Feststellung bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit nach § 2 Abs. 1 ABB über das Vorliegen einer Krankheit und einer damit verbundenen Unfähigkeit zur Berufsausübung hinaus eine dauerhaft ungünstige Prognose erfordert, die bei unklaren Schmerzen entsprechend erschwert ist; gegebenenfalls kommt eine vermutete Berufsunfähigkeit nach § 2 Abs. 3 ABB in Betracht, wenn die versicherte Person sechs Monate ununterbrochen außerstande ist, ihren bisherigen Beruf auszuüben.

Den Nachweis, dass subjektiv empfundene Schmerzen objektiv die Annahme der Berufsunfähigkeit rechtfertigen, kann der Versicherungsnehmer im Wesentlichen auf zwei Wegen führen, nämlich entweder durch den Nachweis körperlicher (vorliegend insbesondere orthopädischer oder neurologischer) Ursachen oder durch den Nachweis psychischer bzw. psychosomatischer Bedingtheit, die ihrerseits Krankheitswert aufweisen kann, wie insbesondere eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung. Der Nachweis körperlicher Ursachen ist dem Kläger aber nicht gelungen. Dass er unter Schmerzen litt, war dabei unerheblich. Entscheidend war vielmehr, ob sich zur Überzeugung des Gerichts objektiv feststellen ließ, dass diese Schmerzen - insbesondere nach ihrem Ausmaß - die Annahme der Berufsunfähigkeit rechtfertigten. Das hat sich aber nicht objektivieren und damit auch nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen lassen.

Nichts anderes ergab sich daraus, dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum von 13 Monaten tatsächlich nicht mehr in seinem früheren Beruf tätig war, sondern eine Umschulung absolvierte. Denn das beweist noch nicht, dass er durchgehend zur Ausübung des früheren Berufs außer Stande war, zumal der Kläger auch nach dem ärztlichen Berufsunfähigkeits-Attest vom 19.11.2012 noch einen Monat weitergearbeitet und erst anschließend seine frühere Tätigkeit beendet hatte.

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