Zur Frage der Einordnung einer Energieanlage als von den Pflichten eines Netzbetreibers befreite Kundenanlage
BGH v. 13.5.2025 - EnVR 83/20
Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin ist ein Energieversorgungsunternehmen. Sie betreibt an mehreren Standorten u.a. Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, Nahwärmenetze und Energieanlagen zur Abgabe von Energie, mit denen sie Letztverbraucher mit Wärme und Strom versorgt. Die Antragsgegnerin ist die örtliche Verteilernetzbetreiberin. Die Antragstellerin versorgte aufgrund eines Wärmelieferungsvertrags mit der Grundstückseigentümerin vier Wohnblöcke mit 96 Wohneinheiten sowie sechs Wohnblöcke mit 160 Wohneinheiten durch jeweils eine Energiezentrale und ein daran angeschlossenes Nahwärmenetz mit Wärme und Warmwasser. Die Stromversorgung der Wohnblöcke erfolgte über das Elektrizitätsverteilernetz der Antragsgegnerin.
2018 plante die Antragstellerin die Errichtung und den Betrieb zweier Blockheizkraftwerke und zweier getrennter elektrischer Leitungssysteme. An diese sollten die in den Wohnblöcken wohnenden Mieter angeschlossen werden. Den in den Blockheizkraftwerken neben Wärme und Warmwasser erzeugten Strom wollte die Antragstellerin an die Mieter verkaufen. Sie meldete bei der Antragsgegnerin Netzanschlüsse für zwei getrennte Kundenanlagen an und beantragte den Anschluss an deren Netz sowie die Bereitstellung der erforderlichen Zählpunkte gem. § 20 Abs. 1d EnWG. Die Antragsgegnerin lehnte die Anträge ab, weil es sich nicht um Kundenanlagen gem. § 3 Nr. 24a EnWG handele. Die bei der Landesregulierungsbehörde gestellten Anträge auf Überprüfung dieses Verhaltens und Verpflichtung der Antragsgegnerin, die Anlagen als Kundenanlagen an ihr Netz anzuschließen und eine Abrechnung gem. § 20 Abs. 1d EnWG zu ermöglichen, blieben erfolglos.
Das OLG wies die gegen die Entscheidung der Landesregulierungsbehörde gerichtete Beschwerde der Antragstellerin zurück. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihren Antrag auf Verpflichtung der Antragsgegnerin weiter. Der BGH hat das Verfahren zwischenzeitlich ausgesetzt und dem EuGH Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Der EuGH folgendermaßen entschieden (C-293/23):
Art. 2 Nr. 28 und 29 sowie die Art. 30 bis 39 der Richtlinie (EU) 2019/944 mit gemeinsamen Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der ein Unternehmen, das anstelle des bisherigen Verteilernetzes eine Energieanlage einrichtet und betreibt, um mit in einem Blockheizkraftwerk erzeugtem Strom mit einer jährlichen Menge an durchgeleiteter Energie von bis zu 1 000 MWh mehrere Wohnblöcke mit bis zu 200 Wohneinheiten zu versorgen, wobei die Kosten der Errichtung und des Betriebs der Energieanlage von den Letztverbrauchern getragen werden, die Mieter dieser Wohneinheiten sind, und dieses Unternehmen den erzeugten Strom an diese Verbraucher verkauft, sofern diese Anlage dazu dient, Elektrizität mit Hoch-, Mittel- oder Niederspannung weiterzuleiten, um sie an Kunden zu verkaufen und keine der in dieser Richtlinie ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmen oder Freistellungen von diesen Verpflichtungen anwendbar ist, nicht den Verpflichtungen eines Verteilernetzbetreibers unterliegt.
Daraufhin wies der BGH die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin zurück.
Die Gründe:
Die hier in Streit stehenden Leitungsanlagen sind nicht als Kundenanlagen gem. § 3 Nr. 24a EnWG an das Verteilernetz anzuschließen. Die Vorschrift ist richtlinienkonform dahin auszulegen, dass eine Kundenanlage nur dann gegeben ist, wenn sie kein Verteilernetz i.S.v. Art. 2 Nr. 28 der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie darstellt. Die Leitungsanlagen der Antragstellerin sind aber Verteilernetze in diesem Sinn. Sie dienen der Weiterleitung von Elektrizität, die zum Verkauf an Endkunden durch die Antragstellerin bestimmt ist. Damit können sie nicht von den für die Regulierung der Netze geltenden Vorschriften ausgenommen werden.
Der Antragstellerin steht auch kein Anspruch gegen die Antragsgegnerin zu, eine Abrechnung über Unterzähler nach dem Summenzählermodell gem. § 20 Abs. 1d EnWG zu ermöglichen und die dafür erforderlichen Zählpunkte bereitzustellen. Nach dem klaren Wortlaut des § 20 Abs. 1d EnWG treffen die entsprechenden Pflichten nur den Betreiber eines Energieversorgungsnetzes, an das eine Kundenanlage angeschlossen ist. Die Anlagen der Antragstellerin sind jedoch gerade keine Kundenanlagen. Die der Antragstellerin nach dem Messstellenbetriebsgesetz obliegenden Pflichten sind daher durch diese selbst, ggf. durch Dienstleister, zu erfüllen.
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Daraufhin wies der BGH die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin zurück.
Die Gründe:
Die hier in Streit stehenden Leitungsanlagen sind nicht als Kundenanlagen gem. § 3 Nr. 24a EnWG an das Verteilernetz anzuschließen. Die Vorschrift ist richtlinienkonform dahin auszulegen, dass eine Kundenanlage nur dann gegeben ist, wenn sie kein Verteilernetz i.S.v. Art. 2 Nr. 28 der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie darstellt. Die Leitungsanlagen der Antragstellerin sind aber Verteilernetze in diesem Sinn. Sie dienen der Weiterleitung von Elektrizität, die zum Verkauf an Endkunden durch die Antragstellerin bestimmt ist. Damit können sie nicht von den für die Regulierung der Netze geltenden Vorschriften ausgenommen werden.
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