18.05.2018

Zur Gültigkeit der Beschränkungen für verschiedene Insektizide zur Eindämmung der von ihnen ausgehenden Gefahren für Bienen

Das EuG hat die Gültigkeit der Beschränkungen festgestellt, die 2013 auf EU-Ebene für die Insektizide Clothianidin, Thiamethoxam und Imidacloprid wegen der von diesen ausgehenden Gefahren für Bienen eingeführt worden sind. Dagegen gibt es der Klage von BASF weitgehend statt und erklärt die Maßnahmen zur Beschränkung der Verwendung des Pestizids Fipronil für nichtig, da sie ohne vorherige Folgenabschätzung ergangen waren.

EuG 17.5.2018, T-429/13 u.a.
Der Sachverhalt:
Nach dem Verlust von Bienenvölkern aufgrund mehrerer Fälle unsachgemäßer Verwendung von Pestiziden beschloss die Kommission im Jahr 2012, die Zulassungen zu überprüfen, die auf Unionsebene für die (zur Gruppe der Neonicotinoide zählenden) Wirkstoffe Clothianidin, Thiamethoxam und Imidacloprid und den (zur Gruppe der Phenylpyrazole zählenden) Wirkstoff Fipronil erteilt worden waren. Insbesondere ersuchte sie die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), die von diesen Stoffen für die Gesundheit von Bienen ausgehenden Gefahren zu überprüfen.

Aufgrund der von der EFSA festgestellten Gefahren erließ die Kommission im Mai 2013 die Durchführungsverordnung Nr. 485/20131, die für Clothianidin, Thiamethoxam und Imidacloprid das Verbot

  • aller nicht gewerblichen Anwendungen im Innen und Außenbereich;
  • aller Verwendungen für die Saatgutbehandlung oder Bodenbehandlung für folgende Getreidearten, wenn diese Getreidearten zwischen Januar und Juni ausgesät werden: Gerste, Hirse, Hafer, Reis, Roggen, Sorghum, Triticale, Weizen,
  • aller Blattbehandlungen für folgende Getreidearten: Gerste, Hirse, Hafer, Reis, Roggen, Sorghum, Triticale, Weizen,
  • aller Anwendungen zur Saatgutbehandlung, Bodenbehandlung oder Blattbehandlung für rund hundert Kulturen, u. a. Raps, Soja, Sonnenblume und Mais, außer bei Anwendung in Gewächshäusern und außer zur Blattbehandlung nach der Blüte,

vorsieht.

Diese Durchführungsverordnung verbietet ab dem 1.12.2013 auch die Verwendung und das Inverkehrbringen von Saatgut bestimmter Kulturpflanzen (u. a. Sommergetreide, Raps, Soja, Sonnenblume und Mais), das mit diese Wirkstoffe enthaltenden Pflanzenschutzmitteln behandelt worden ist, außer Saatgut, das in Gewächshäusern verwendet wird. Darüber hinaus erließ die Kommission im August 2013 die Durchführungsverordnung Nr. 781/20132 über Fipronil.

Diese Durchführungsverordnung

  • beschränkt die Verwendung von Fipronil enthaltenden Pflanzenschutzmitteln auf Kulturpflanzen im Gewächshaus sowie auf Saatgut für Lauch-, Zwiebel-, Schalotten- und Kohlpflanzen, die im Freien kultiviert und vor der Blüte geerntet werden sollen, und
  • verbietet ab März 2014 die Verwendung und das Inverkehrbringen von Saatgut, das mit Fipronil enthaltenden Pflanzenschutzmitteln behandelt wurde, mit Ausnahme von Saatgut für Kulturpflanzen, die in Gewächshäusern verwendet werden sollen, und für Lauch-, Zwiebel-, Schalotten- und Kohlpflanzen, die im Freien kultiviert und vor der Blüte geerntet werden sollen.

Darüber hinaus verpflichten diese beiden Durchführungsverordnungen die Mitgliedstaaten, geltende Zulassungen für Pflanzenschutzmittel, die Clothianidin, Thiamethoxam oder Imidacloprid als Wirkstoff enthalten, bis zum 30.9.2013 (mit einer möglichen Aufbrauchfrist bis spätestens 30.11.2013) zu ändern oder zu widerrufen. Was Fipronil enthaltende Pflanzenschutzmittel betrifft, ist die gleiche Verpflichtung für den 31.122013 (mit einer möglichen Aufbrauchfrist bis spätestens 28.2.2014) vorgesehen.

Der Bayer-Konzern, der in der Union Imidacloprid und Clothianidin herstellt und vertreibt, der Syngenta-Konzern, der Thiamethoxam (sowie behandeltes Saatgut) herstellt und vertreibt, und der BASF-Konzern, der Fipronil herstellt und vertreibt, erhoben beim EuG Klage auf Nichtigerklärung dieser Verbote und Beschränkungen. Syngenta beantragte zudem Schadensersatz i.H.v. mindestens rd. 370 Mio. €.

Das EuG wies die Klagen von Bayer und Syngenta, die die Neonicotinoide Clothianidin, Thiamethoxam und Imidacloprid betreffen, in vollem Umfang ab. Die Klage von BASF hatte teilweise Erfolg. Gegen die Entscheidungen des EuG kann innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Zustellung ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel beim EuGH eingelegt werden.

Die Gründe:
Mit Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1107/20093 am 14.6.2011 wurden die Anforderungen in Bezug auf das Fehlen unannehmbarer Auswirkungen auf Bienen auf Unionsebene erheblich verstärkt. Es wird inzwischen ausdrücklich verlangt, dass Bienen den fraglichen Wirkstoffen nur in vernachlässigbarer Weise ausgesetzt werden dürfen oder die Verwendung dieser Wirkstoffe unter Berücksichtigung der Auswirkungen auf Honigbienenlarven und das Verhalten von Honigbienen keine unannehmbaren akuten oder chronischen Auswirkungen auf das Überleben und die Entwicklung der Bienenvölker haben darf. Diese neuen Anforderungen gelten auch bei Überprüfung der geltenden Zulassungen.  Angesichts des Vorliegens neuer Studien, deren Ergebnisse gegenüber dem bei der vorangehenden Beurteilung vorhandenen Wissensstand Bedenken hinsichtlich der Frage aufwarfen, ob die Zulassungsvoraussetzungen noch erfüllt sind, konnte die Kommission zutreffend davon ausgehen, dass die Zulassung der fraglichen Wirkstoffe zu überprüfen sei. Im Übrigen war die Frist von etwa acht Monaten, über die die EFSA vorliegend für die neue Risikobeurteilung verfügte, weder ausnehmend kurz noch ungewöhnlich.

Was die im Jahr 2013 beschränkten oder verbotenen Verwendungen betrifft, so konnte die Kommission darlegen, dass in Anbetracht der erheblichen Verschärfung der Anforderungen die von der EFSA festgestellten Gefahren den Schluss zuließen, dass die drei fraglichen Wirkstoffe nicht mehr den Zulassungskriterien entsprächen. Bei der Prüfung der von Bayer und Syngenta insoweit vorgebrachten Argumente haben sich weder Fehler noch eine falsche Anwendung des Vorsorge- oder des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ergeben. Hinsichtlich des Vorsorgegrundsatzes können die Organe, wenn wissenschaftliche Ungewissheiten bzgl. der Existenz oder des Umfangs von Risiken für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt bestehen, Schutzmaßnahmen treffen, ohne abwarten zu müssen, bis das tatsächliche Vorliegen und die Schwere dieser Risiken in vollem Umfang nachgewiesen sind oder bis die nachteiligen Wirkungen für die Gesundheit eintreten. Außerdem räumt der Vorsorgegrundsatz den Anforderungen in Verbindung mit dem Schutz der öffentlichen Gesundheit, der Sicherheit und der Umwelt Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen ein.

Im Hinblick auf das Verbot der Verwendung und des Inverkehrbringens behandelten Saatguts ist festzustellen, dass nur mit diesem Verbot die praktische Wirksamkeit der Beschränkung der Zulassung der fraglichen Wirkstoffe sichergestellt werden konnte. Ohne ein solches Verbot hätten nämlich die vorhandenen Saatgutvorräte, die vor dem Widerruf oder der tatsächlichen Änderung der auf nationaler Ebene bestehenden Zulassungen ohne Rechtsverstoß behandelt worden sind, in den Mitgliedstaaten, die keine nationalen Maßnahmen ergriffen hatten, frei zirkulieren und verwendet werden können.

In Bezug auf Fipronil war die Durchführungsverordnung Nr. 781/2013 für nichtig zu erklären, soweit diese erstens ab dem 16.8.2013 die Verwendung von diesen Wirkstoff enthaltenden Pflanzenschutzmitteln auf Kulturpflanzen im Gewächshaus sowie auf Saatgut für Lauch-, Zwiebel-, Schalotten- und Kohlpflanzen, die im Freien kultiviert und vor der Blüte geerntet werden, beschränkt und zweitens die Mitgliedstaaten verpflichtet, geltende Zulassungen für Fipronil enthaltende Pflanzenschutzmittel zu ändern oder zu widerrufen. Die Kommission hat diese Beschränkungen nämlich erlassen, ohne zuvor die Folgen ihres Handelns nach Maßgabe der möglichen Folgen ihrer Untätigkeit für die verschiedenen beteiligten Interessen abgeschätzt zu haben. Was dagegen das Verbot betrifft, ab dem 1.3.2014 mit Fipronil enthaltenden Pflanzenschutzmitteln behandeltes Saatgut zu verwenden und in Verkehr zu bringen, war die Klage von BASF abzuweisen. Da dieser Konzern mit diesen Stoffen behandeltes Saatgut nämlich nicht selbst vertreibt, betrifft ihn das Verbot nicht unmittelbar, so dass der Antrag auf dessen Nichtigerklärung unzulässig ist.

Linkhinweis:

Für die auf den Webseiten des EuGH veröffentlichte Pressemitteilung klicken Sie bitte hier.

EuG PM Nr. 68 vom 17.5.2018
Zurück