07.10.2011

Zur Haftung des Anlageberaters und des Vorstandes eines Wertpapierhandelshauses bei Täuschung eines Anlegers

Eine Täuschung kann auch darin bestehen, dass die bei dem Getäuschten zuvor vorhandene Kenntnis der maßgeblichen Tatsachen durch deren Entstellung, insbesondere durch Bagatellisierung von Risiken entfällt. Allerdings lässt sich allein aus der Tatsache, dass in einer größeren Anzahl von Fällen gleichartig beraten wurde, nicht hinreichend schließen, dass dies auf einem System beruhte, wenn das Unternehmen mehrere tausend Anleger beraten hatte.

LG Itzehoe 12.5.2011, 7 U 301/10
Sachverhalt:
Die Klägerin hatte bei einem Wertpapierhandelshaus Beträge als Festgeld angelegt. Per E-Mail im Jahr 2007 wurde ihr eine Inhaber-Teilschuldverschreibung als Alternative angeboten. Das Papier wurde mit garantierter Verzinsung vorgestellt. Die Klägerin antwortete darauf, dass sie gerne einen Betrag mit 9 % fest verzinsen wollte. Darauf hin rief der beklagte Anlagenberater (Beklagten zu 3) die Klägerin auf der Arbeitsstelle an. Im Verlauf des Gesprächs beauftragte die Klägerin den Beklagten zu 3) für sie im Wert von 25.000 € die Teilschuldverschreibung zu erwerben. Zuvor hatte die Klägerin auf telefonische Abfrage des Beklagten zu 3.) Angaben zum Fragebogen nach dem WPHG gemacht. Das Gleiche wiederholte sich im Jahr 2008 mit Inhaber-Genussscheinen.

In der Folgezeit hatte die Klägerin hinsichtlich der Sicherheit ihrer Anlagen Bedenken, da sich der Wert des Depots senkte. Infolgedessen fragte sie den Beklagten zu 3.) nach dem Bestand. Dieser erklärte, sie könne das Papier jederzeit zu 100 % wieder verkaufen, alles sei gut. Ab Sommer 2008 wurde die Klägerin unruhig, da sich der Wert des Depots ständig verringerte. Im März wurde ihr mitgeteilt, dass die Zinszahlungen nicht mehr bedient werden könnten. Kurz darauf teilte der Beklagte zu 3.) ihr mit, dass sie wegen des Ausfalls der Zinszahlung ein Kündigungsrecht und einen Anspruch auf den Nennwert, also von 100 % zuzüglich Zinsen habe.

Mit der Klage machte die Klägerin Schadensersatz i.H.d. für die genannten Anlagen aufgewendeten Beträge abzüglich der vereinnahmten Zinsen und Dividenden nebst entgangenem Gewinn und Verzugszinsen geltend. Die Klägerin hatte die Klage zunächst gegen das Wertpapierhandelshaus gerichtet und diese sodann auf deren Vorstände - die Beklagten zu 1) und 2) - sowie den Beklagten zu 3) erweitert. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde der Rechtsstreit abgetrennt.

Das LG gab der Klage gegenüber dem Beklagten zu 3) statt. Im Übrigen wies es die Klage ab.

Gründe:
Der Beklagte zu 3) haftet der Klägerin aus § 823 Abs. 2 i.V.m. § 263 StGB für den Schaden, der ihr durch den Erwerb der streitgegenständlichen Wertpapiere entstand.

Bei sämtlichen Anlagen handelte es sich um spekulative Papiere mit erheblichen Risiken. Diesbezüglich hatte der Beklagte zu 3) gegenüber der Klägerin sowohl in den E-Mails als auch in den Telefongesprächen gerade hinsichtlich der Risiken der einzelnen Kapitalanlagen unrichtige Angaben gemacht. Der Beklagte zu 3.) hatte auch unzutreffende Angaben hinsichtlich der Risiken und der Bedeutung des Wertpapierfragebogens gemacht, der nach dem WPHG vor Durchführung der Geschäfte auszufüllen war. Die Täuschung erfolgte auch vorsätzlich, denn der Beklagte zu 3) war Bankkaufmann und verfügte aufgrund von zahlreichen Schulungen über die notwendige Fachkunde, insoweit den richtigen Rat zu erteilen.

Soweit die Beklagten darauf verwiesen, dass die Staatsanwaltschaft die Ermittlungsverfahren eingestellt habe, verhalf dies nicht zum Erfolg. Dabei konnte dahin stehen ob der Bewertung zu folgen wäre. Sie griff jedenfalls, soweit es die Begründung, die Geschädigten hätten die Risken gekannt, wesentlich zu kurz. Nach ständiger BGH-Rechtsprechung kann nämlich eine Täuschung auch darin bestehen, dass die bei dem Getäuschten zuvor vorhandene Kenntnis der maßgeblichen Tatsachen durch deren Entstellung, insbesondere durch Bagatellisierung von Risiken entfällt.

Soweit sich die Klage gegen die Beklagten zu 1) und 2) richtete, war sie abzuweisen. Voraussetzung für einen Anspruch nach § 823 Abs. 2 StGB etwa i.V.m. § 263 StGB aus dem Gesichtspunkt der arglistigen Täuschung wäre gewesen, dass die Beklagten zu 1) und 2) Beteiligte der Handlung des Beklagten zu 3) wären. Dieses war jedoch unzureichend dargetan. Zwar ließ die Art der Anlageberatung ein organisiertes System seitens des Unternehmens, geleitet durch ihre Vorstände, vermuten. Allerdings ließ sich allein aus der Tatsache, dass in einer größeren Anzahl von Fällen gleichartig beraten wurde, nicht hinreichend schließen, dass dies auf einem von den Beklagten zu verantwortenden System beruhte. Schließlich hatte das Unternehmen mehrere tausend Anleger beraten.

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