07.01.2013

Zur Haftung des Geschäftsführers einer als Emissionshaus tätigen GmbH wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung von Kapitalanlegern

Der BGH hat sich mit der Haftung des Geschäftsführers einer als Emissionshaus tätigen GmbH wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung von Kapitalanlegern durch Abgabe eines Garantieversprechens befasst. Im Streitfall hatte eine beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bestätigt, dass die Bemessung des Risikos aus den gegenüber Wertpapiersparern eingegangenen Kapitalgarantien für die betreffenden Aktien sachgerecht erfolgt und die gebildete Rückstellung insgesamt angemessen seien.

BGH 20.11.2012, VI ZR 268/11
Der Sachverhalt:
Der Beklagte war Geschäftsführer der S-GmbH, die als Wertpapierhandelsbank und Emissionshaus tätig war. Die am Revisionsverfahren nicht beteiligte Beklagte zu 2) vermittelte dem Kläger einen im Juli/August 2000 abgeschlossenen Wertpapiersparvertrag für vermögenswirksame Leistungen mit dem Bankhaus R. Dieser Vertrag sah die Ansparung von 144 Raten zu je 100 DM (51,13 €) mtl., insgesamt mithin eine Ansparsumme von 14.400 DM vor.

In den zusätzlichen Vertragsbedingungen ist u.a. eine "Garantieerklärung" enthalten, wonach "das Emissionshaus jedem vertragstreuen Sparer garantiert, dass er mit dem Erwerb der Aktien per Saldo keinen Verlust erleidet". Weiter heißt es, dass, "sollte der Börsenkurs der Aktien zum vereinbarten Vertragsende unter dem jeweiligen Ausgabekurs der Aktien zum Zeitpunkt des Erwerbs durch den Sparer liegen, dem Sparer der Differenzbetrag erstattet wird".

Die S-GmbH bildete Rückstellungen. Diese betrugen im Jahr 2000 etwa 380.000 € und lagen in den Jahren 2004 und 2005 bei etwa 1 Mio. €. Das Eigenkapital der S-GmbH bzw. ihrer Rechtsvorgängerin betrug in den Jahren 1999 und 2000 etwa 2,5 Mio. € und in den Jahren 2001 bis 2005 zwischen 4 und 5 Mio. €. Das aus den mit Garantien ausgestatteten Wertpapiersparverträgen resultierende Veräußerungsvolumen entwickelte sich von etwa 8,5 Mio. € im Jahr 1999 auf etwa 40 Mio. € in den Jahren 2003 bis 2005.

Im Rahmen einer vom Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen in Auftrag gegebenen Prüfung nach § 44 Abs. 1 KWG bestätigte die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft im November 2001, dass die Bemessung des Risikos aus den gegenüber Wertpapiersparern eingegangenen Kapitalgarantien für Aktien der D-AG sachgerecht erfolgt und die gebildete Rückstellung insgesamt angemessen sei. Der Kurs der von den monatlichen Einlagen zu erwerbenden D-Aktien lag in den Jahren 2001 bis 2006 zwischen 7 € und 9 €. Der Aktienkurs fiel im Zeitraum von Juni bis Oktober 2006 um über 90 Prozent; am 4.9.2007 notierte er bei 0,334 €. Die R-Bank, die D-AG und die S-GmbH sind mittlerweile insolvent.

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Schadensersatz wegen fehlgeschlagener Kapitalanlage mit separatem Garantieversprechen in Anspruch. Er begründet dies damit, die S-GmbH hätte nicht über ausreichend Eigenkapital verfügt und keine ausreichenden Rückstellungen zur Absicherung der gegebenen Kapitalgarantie gebildet. Die Beklagten hätten ihn deshalb durch Vorspiegelung der Garantie arglistig getäuscht und dadurch sittenwidrig geschädigt.

AG und LG gab der Klage statt. Auf die Revision des Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LG zurück.

Die Gründe:
Aufgrund der bisherigen Feststellungen kann die Verurteilung des Beklagten mit der vom OLG dafür gegebenen Begründung keinen Bestand haben. Die Ansicht des LG, aufgrund der bisher festgestellten Tatsachen sei das Handeln des Beklagten als sittenwidrig i.S.d. § 826 BGB zu bewerten, ist rechtsfehlerhaft.

Das OLG stützt den Vorwurf der sittenwidrigen Schädigung darauf, dass die vom Beklagten als Geschäftsführer geleitete S-GmbH bzw. ihre Rechtsvorgängerin nach ihrem Geschäftsmodell niemals die erforderliche finanzielle Absicherung für das Garantieversprechen bilden wollte und dies den Anlegern verschwiegen habe. Für eine solche Wertung fehlen jedoch ausreichende Feststellungen. Dem Berufungsurteil ist zu entnehmen, dass das LG die "erforderliche finanzielle Absicherung" im Hinblick auf das Garantieversprechen nur dann für gegeben hielte, wenn die Garantie über die volle Laufzeit der Anlage in vollem Umfang durch Eigenkapital abgesichert gewesen wäre.

Das Handeln der für die S-GmbH Verantwortlichen könnte unter dem Gesichtspunkt der unzureichenden Ausstattung mit Eigenkapital indes nur dann als sittenwidrig beurteilt werden, wenn dieses Eigenkapital nach handelsrechtlichen und betriebswirtschaftlichen Maßstäben erforderlich gewesen wäre und die Nichtvornahme einer solchen Kapitalausstattung der S-GmbH den Vorwurf der "Verwerflichkeit" rechtfertigte. Dazu reicht die Gegenüberstellung des Eigenkapitals mit dem Veräußerungsvolumen, wie sie das LG vornimmt, nicht aus.

Die Ausführungen des LG dazu, dass der Beklagte vorsätzlich i.S.d. § 826 BGB gehandelt habe, sind nicht rechtsfehlerfrei. Der Beklagte hat vorgetragen, er habe zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses die D-AG für ein stabiles und sicheres Unternehmen halten dürfen. Mit einem völligen Kursverfall der D-Aktie sei nicht zu rechnen gewesen. Im Rahmen des bilanziell Zulässigen seien ab dem Jahre 2000 Rückstellungen gebildet worden und eine nicht unerhebliche Eigenkapitalbildung erfolgt. Die Wirtschaftsprüfer hätten ein Testat erteilt. Im Rahmen der Prüfung nach § 44 Abs. 1 KWG habe die vom damaligen Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen mit der Prüfung beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft im November 2001 bestätigt, dass die aktuelle Bemessung des Risikos aus den gegenüber Wertpapiersparern eingegangenen Kapitalgarantien für Aktien der D-AG sachgerecht erfolgt und die gebildete Rückstellung insgesamt angemessen seien.

In Anbetracht dieses Vortrags kann der Vorsatz des Beklagten nicht rechtsfehlerfrei mit der Begründung bejaht werden, das LG messe dem vertraglichen Garantieversprechen - abweichend von den Beurteilungen anderer Gerichte - die rechtliche Qualität einer Kapitalerhaltungsgarantie zu und unter diesen Voraussetzungen seien strengere Anforderungen an das von dem Beklagten zur Vermeidung des Vorwurfes der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung nach § 826 BGB geschuldete Verhalten zu stellen, so dass das bloße Hoffen bzw. das Vertrauen darauf, es werde kein vollständiger Garantieausfall eintreten, nicht genüge. Insoweit ist bereits nicht ersichtlich, warum der Beklagte als juristischer Laie die Garantieerklärung in einem Sinne hätte verstehen müssen, die - nach Ansicht des LG - von denjenigen dreier Senate eines OLG abweicht. Es ist auch nicht festgestellt, dass der Beklagte aufgrund der Geschäftsentwicklung der S-GmbH bzw. ihrer Vorgängerin einen Totalverlust der angelegten Gelder des Klägers in seinen Vorsatz aufgenommen hat.

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