12.08.2014

Zur irreführenden Heilmittelwerbung für eine umstrittene kinesiologische Behandlungen

Kinesiologische Behandlungsverfahren dürfen nicht mit fachlich umstrittenen Wirkungsangaben beworben werden, da gesundheitsbezogene Werbeaussagen nach dem HWG strengen Anforderungen unterliegen sowie wissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen entsprechen müssen. Gibt es diese nicht, ist es jedenfalls unzulässig, mit einer fachlich umstrittenen Meinung zu werben ohne die Gegenmeinung zu erwähnen.

OLG Hamm 20.5.2014, 4 U 57/13
Der Sachverhalt:
Die Beklagte bietet sog. "begleitende Kinesiologie" und "Edu-Kinestetik-BrainGym®" an. Ihre Angebote bewarb sie im Internet in Bezug auf das Behandlungsverfahren "Kinesiologie" u.a. mit den Äußerungen:
"Auf sanfte Art werden die Selbstheilungskräfte aktiviert;
Unterstützung oder Beschleunigung des Genesungsprozesses; Linderung bei körperlichen Beschwerden;
Hilfe bei Allergien, Unverträglichkeiten und toxischen Belastungen;
mit dem Anwendungsgebiet Narbenstörungen, Migräne, Rückenschmerzen, Verdauungsprobleme, Menstruationsschmerzen, Entgiftung, Burnout, Schlafstörungen, Nervosität, Depressionen,
mit sanftem Druck wird der Muskeltonus, zum Beispiel am Arm, getestet. So erfahren wir, wo und wie der natürliche Energiefluss im Körper beeinträchtigt wird. Kinesiologische Balancen bauen Stress ab und regen die Selbstheilungskräfte an."

Das kinesiologische Verfahren "Edu-Kinestetik-BrainGym®" beschrieb sie u.a. mit

"Auflösung von Energieblockaden zwischen beiden Gehirnhälften".

Der klagende Wettbewerbsverein ist der Ansicht, die Werbeaussagen der Beklagten stellten eine irreführende Heilmittelwerbung dar. Die Kinesiologie und ihre Varianten seien zu Diagnosezwecken ungeeignet und in ihrer therapeutischen Wirksamkeit nicht belegt. Von der Beklagten begehrt er die Unterlassung der Werbung.

Das LG gab der Unterlassungsklage statt und untersagte der Beklagten die streitgegenständliche Internetwerbung. Die Berufung der Beklagten hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Das Urteil ist rechtskräftig.

Die Gründe:
Die streitgegenständliche Internetwerbung stellt eine irreführende und damit unzulässige Heilmittelwerbung dar.

Auch wenn die Beklagte mit den Äußerungen keine Heilung von Krankheiten allein durch die Anwendung der (begleitenden) Kinesiologie in Aussicht stellt, suggerieren die Aussagen, dass die angebotenen Leistungen als Ergänzung bzw. Unterstützung einer medizinischen/therapeutischen Behandlung zur Linderung von Krankheiten, Leiden bzw. krankhaften Beschwerden beitragen könnten.

Nach dem Heilmittelwerbegesetz (HWG) unterliegen gesundheitsbezogene Werbeaussagen strengen Anforderungen. Sie müssen wissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen entsprechen. Gibt es diese nicht, ist es u.a. unzulässig, wenn mit einer fachlich umstrittenen Meinung geworben wird, ohne die Gegenmeinung zu erwähnen. Die Wirkungsmöglichkeiten kinesiologischer Behandlungen sind wissenschaftlich umstritten.

Da die Beklagte bei ihrer Internetwerbung auf die die Wirksamkeit der Kinesiologie infrage stellende wissenschaftliche Gegenmeinung nicht hingewiesen hat, muss sie beweisen, dass ihre Werbeaussagen richtig sind und gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprechen. Diesen Nachweis hat sie nicht geführt. Deswegen ist ihre Werbung unzulässig.

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OLG Hamm PM vom 8.8.2014
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