27.05.2013

Zur konkludenten Übertragung des Rechts auf Inanspruchnahme der Priorität innerhalb eines Konzerns

Die Übertragung des Rechts auf Inanspruchnahme der Priorität einer deutschen Patentanmeldung ist auch dann nicht formbedürftig, wenn die Priorität für eine europäische Patentanmeldung in Anspruch genommen werden soll.

BGH 16.4.2013, X ZR 49/12
Der Sachverhalt:
Die Beklagte ist Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 240 041 (Streitpatents), das am 21. Dezember 2000 unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Voranmeldung 199 61 706 vom 21. Dezember 1999 angemeldet worden ist und eine Anordnung zum Verbinden einer Fahrzeugscheibe mit einem angrenzenden Bauteil betrifft.

Die Klägerin hat das Streitpatent mit Ausnahme von Anspruch 11 mit der Begründung angegriffen, sein Gegenstand sei nicht patentfähig.

Das BatG erklärte das Streitpatent im beantragten Umfang für nichtig. Auf die Berufung der Beklagten hob der BGH das Urteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das BPatG zurück.

Die Gründe:
Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass die deutsche Anmeldung 199 61 706 die Lehre des Streitpatents vorwegnimmt. Das führt jedoch nicht zur Nichtigkeit des Streitpatents, weil die Beklagte die Priorität dieser Anmeldung in Anspruch nehmen kann.

Anmelderin des Streitpatents ist die Beklagte. Die deutsche Anmeldung 199 61 706 wurde von SG Deutschland eingereicht. Dabei handelt es sich um eine Gesellschaft, die zum gleichen Konzern gehört wie die Beklagte. Letztere kann die Priorität der deutschen Anmeldung für den Zeitrang des Streitpatents nach Art. 87 Abs. 1 EPÜ in Anspruch nehmen, weil ihr das Recht auf Inanspruchnahme der Priorität dieser Anmeldung rechtzeitig - das heißt vor Einreichung der Nachanmeldung - und wirksam von SG Deutschland übertragen worden ist. Nach welchem nationalen Recht die Wirksamkeit einer Übertragung des Rechts zur Inanspruchnahme der Priorität einer Patentanmeldung zu beurteilen ist, bestimmt sich nach den Regelungen des internationalen Privatrechts.

Da hier eine Übertragung des Prioritätsrechts im Jahr 2000 in Rede steht, findet Art. 33 Abs. 2 EGBGB Anwendung. Danach unterfällt die Übertragung des Rechts auf Inanspruchnahme der Priorität dem Recht des Staates der ersten Anmeldung, hier also dem deutschen Recht. Nach deutschem Recht ist die Übertragung des Rechts auf Inanspruchnahme der Priorität gem. §§ 413, 398 BGB nicht formbedürftig. Weitergehende Formerfordernisse lassen sich auch aus dem Europäischen Patentübereinkommen nicht ableiten. Art. 87 EPÜ sieht vor, dass das Prioritätsrecht nicht nur von demjenigen in Anspruch genommen werden kann, der eine nationale Patentanmeldung vorschriftsmäßig eingereicht hat, sondern auch durch seinen Rechtsnachfolger. Formerfordernisse enthält die Bestimmung nicht.

Aus den von der Beklagten vorgelegten Unterlagen ergibt sich unter Berücksichtigung der Interessenlage der Beteiligten, dass SG Deutschland das Recht zur Inanspruchnahme der Priorität aus der deutschen Patentanmeldung 199 61 706 übertragen hat. Das BPatG hat die Anforderungen an den Nachweis einer konkludenten Übertragung des Prioritätsrechts überspannt. Die Gesellschaften des SG-Konzerns haben im Dezember 1991 einen Vertrag über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Forschung und Entwicklung geschlossen. Dieser sieht vor, dass die Konzerngesellschaften sich gegenseitig über ihre jeweiligen Rechte an geistigem Eigentum informieren, diese untereinander zur Verfügung stellen und sie ggf. an eine als Koordinator bezeichnete Stelle übertragen.

Einem vorgelegten Schreiben ist zu entnehmen, dass SG Deutschland die zuständige Stelle darüber informiert, dass sie am 21.12.1999 eine nationale Patentanmeldung eingereicht hat, und dass die französische Zentrale in die Lage versetzt wird, die ihr nach dem Vertrag vorbehaltene Entscheidung darüber zu treffen, ob eine Ausweitung der Anmeldung der Erfindung auf andere Staaten erfolgen solle, wer diese vorzunehmen habe und wer die Kosten trage. Hierin ist das Angebot zu sehen, ggf. das Recht auf Inanspruchnahme der Priorität aus der deutschen Patentanmeldung auf die Konzerngesellschaft zu übertragen. Der hierfür zuständige M.L. hat sich am 4.12.2000 - und damit vor Ablauf der Prioritätsfrist nach Art. 87 Abs. 1 EPÜ - für eine Ausweitung des Schutzes auf zahlreiche Staaten und für eine Anmeldung durch die Beklagte entschieden. Darin liegt zugleich die Annahme des Angebots zur Übertragung des Rechts auf Inanspruchnahme der Priorität aus der deutschen Anmeldung.

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