19.07.2011

Zur Neutralisierung phonetischer Übereinstimmungen bei regelmäßigem Kauf auf Sicht

Eine nach dem Klang zu bejahende Identität oder Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen (hier: "Kappa") kann allenfalls dann durch Abweichungen im Bild in einem Maße neutralisiert werden, dass eine Zeichenähnlichkeit und damit eine Verwechslungsgefahr ausscheidet, wenn die mit den Zeichen gekennzeichneten Waren regelmäßig nur auf Sicht gekauft werden. In den Fällen, in denen die mit dem Zeichen versehenen Waren auf Nachfrage gekauft werden, kommt eine solche Neutralisierung nicht in Betracht.

BGH 20.1.2011, I ZR 31/09
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Inhaberin der im Jahr 1996 international registrierten Wort-/Bildmarke "Kappa". Die IR-Marke genießt in Deutschland u.a. Schutz für Waren der Klasse 18: Reise- und Handkoffer, Sporttaschen, Handtaschen, Rucksäcke und Seesäcke, Geldbörsen, Regenschirme, Sonnenschirme. Bei der Klagemarke ist das sog. "Gemini-Logo" - die Seitenansicht zweier Rücken an Rücken sitzender unbekleideter Menschen (Mann und Frau) prägend.

Die Beklagte ist Inhaberin der im Jahr 2001 eingetragenen deutschen Wort-/Bildmarke "KAPPA". Sie genießt u.a. Schutz für Waren der Klasse 18: Leder- und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit in der Klasse 18 enthalten, Reise- und Handkoffer, Motorradkoffer, Regenschirme, Sonnenschirme, Sattlerwaren. Die Beklagte ist ferner Inhaberin der im Jahr 1992 international registrierten Wort-/Bildmarke "KAPPA". Diese Marke genießt in Deutschland Schutz für Gepäckträger für Fahrzeuge, Handkoffer, Taschen und Koffer für Motorräder. Bei den Beklagtenmarken ist jeweils der Buchstabe "K" stilisiert.

Die Klägerin hatte zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen, gegenüber dem Deutschen Patent- und Markenamt im Wege der Teillöschung hinsichtlich der Warenklasse 18 auf die nachfolgenden Waren zu beschränken: Gepäckträger für Fahrzeuge, Handkoffer, Taschen und Koffer für Motorräder. Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat die Einrede der Nichtbenutzung und die Einrede der Löschungsreife der Klagemarke erhoben.

LG und OLG wiesen die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH die Urteile auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Mit der vom OLG gegebenen Begründung konnte der von der Klägerin gestützte Anspruch auf teilweise Löschung aus § 51 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG nicht verneint werden.

Das Berufungsgericht hatte angenommen, Zeichen dürften nicht allein auf ihre klangliche Übereinstimmung geprüft werden. Vielmehr sei zu beachten, dass auch dem Bildbestandteil unter Umständen eine prägende Bedeutung zukomme. Maßgeblich sei dann der Gesamteindruck der Marke. Da sich das die Klagemarke jedenfalls mitprägende "Gemini-Logo" nahezu vollständig von dem in der Beklagtenmarke stilisierten Buchstaben "K" unterscheide, sei trotz der phonetischen Übereinstimmung des Wortbestandteils "Kappa" keine Zeichenähnlichkeit und damit keine Verwechslungsgefahr gegeben. Diese Beurteilung hielt der rechtlichen Nachprüfung allerdings nicht stand.

Im vorliegenden Fall war die Zeichenähnlichkeit grundsätzlich zu bejahen, weil die einander gegenüberstehenden Zeichen in klanglicher Hinsicht im Wortbestandteil "Kappa" bzw. "KAPPA" miteinander übereinstimmen. Auch bei der Klagemarke ist in klanglicher Hinsicht allein auf den Wortbestandteil "Kappa" abzustellen, selbst wenn der Bildbestandteil gemeinhin als "Gemini-Logo" bezeichnet wird. Eine Verwechslungsgefahr in klanglicher Hinsicht kommt hinsichtlich des Bildbestandteils eines Wort-/Bildzeichens nicht in Betracht.

Unerheblich war, ob der EuGH die Ansicht billigt, dass eine klangliche Ähnlichkeit durch visuelle Unterschiede neutralisiert werden kann, wenn die mit den Zeichen gekennzeichneten Waren so vermarktet werden, dass die maßgebenden Verkehrskreise die Zeichen beim Erwerb der Waren gewöhnlich auch optisch wahrnehmen. Denn im vorliegenden Fall wurde von keiner Seite vorgetragen, dass die mit dem Zeichen der Klägerin versehenen Waren der Klasse 18 in der Regel nur auf Sicht gekauft werden. In den Fällen, in denen die mit dem Zeichen versehenen Waren nicht auf Sicht, sondern auf Nachfrage gekauft werden, kommt eine Neutralisierung der klanglichen Übereinstimmung durch visuelle Unterschiede nicht in Betracht, weil die maßgebenden Verkehrskreise die Zeichen beim Erwerb der Waren nicht optisch wahrnehmen.

Im weiteren Verfahren muss das OLG die Frage der Verwechslungsgefahr erneut beurteilen. Gegebenenfalls wird es sich auch mit den Einreden der Nichtbenutzung und der Löschungsreife der Klagemarke befassen müssen, zu denen es bislang - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - noch keine Feststellungen getroffen hat.

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