Zur Pfändbarkeit der Ansprüche des Schuldners auf Auszahlung von im Rahmen eines Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrags verwahrter Gelder
BGH v. 16.1.2025 - IX ZR 91/24
Der Sachverhalt:
Am 13.6.2020 beauftragte O (Schuldnerin) die Streithelferin der Beklagten (Streithelferin) mit der "Vornahme aller im Zusammenhang mit der Durchführung der Bestattung anfallenden Dienstleistungen und Lieferungen" entsprechend einer Kostenzusammenstellung ("Bestattungsvorsorgevertrag"). Aus Anlass dieses Bestattungsvorsorgevertrags trafen die Schuldnerin, die Streithelferin der Beklagten und die Beklagte am 9.7.2020 eine als "Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag" bezeichnete Vereinbarung. Darin verpflichtete sich die Beklagte, die von der Schuldnerin zur Finanzierung ihrer dereinstigen Bestattung bei ihr eingezahlten und noch einzuzahlenden Beträge nach den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung anzulegen und treuhänderisch zu verwalten.
Die Schuldnerin leistete hierauf eine Einmalzahlung i.H.v. 2.500 €. Aufgrund weiterer Ratenzahlungen der Schuldnerin belief sich der bei der Beklagten gem. der vertraglichen Abrede zweckgebunden zu der anteiligen Finanzierung der Bestattung der Schuldnerin verwahrte Betrag am 23.4.2021 auf 2.740 €. Die Vereinbarung regelte verschiedene Fälle der Auszahlung des verwahrten Betrags nebst Zinsen. Weiter enthielt die Vereinbarung eine Bestimmung, wonach die Schuldnerin zur Sicherung der dereinstigen Bestattungskosten ihre gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche gegen die Beklagte aus dem Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag an die Streithelferin abtrat und diese die Abtretung annahm.
Auf den am 16.3.2021 bei Gericht eingegangenen Eigenantrag wurde mit Beschluss des AG vom 9.4.2021 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Kläger zum Verwalter bestellt. Mit Schreiben vom 6.9.2021 forderte der Kläger die Beklagte unter Hinweis auf das Erlöschen der Treuhand mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens gem. § 115 Abs. 1 InsO erfolglos zur Rückzahlung des bei ihr verwahrten Betrags auf. Ferner kündigte der Kläger vorsorglich den Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag mit der Beklagten sowie den Bestattungsvorsorgevertrag mit der Streithelferin.
AG und LG wiesen die auf Auszahlung des verwahrten Betrags gerichtete Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Urteil des LG auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück.
Die Gründe:
Entgegen der Auffassung des LG fällt das Guthaben aus dem Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag nicht in analoger Anwendung von § 850b Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 ZPO i.V.m. § 36 Abs. 1 InsO wegen Unpfändbarkeit nicht in die Insolvenzmasse. Auch wenn ein Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag grundsätzlich eine einer Sterbegeldversicherung entsprechende Funktion erfüllen könnte, stehen der insoweit klare und eindeutige Wortlaut des § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO sowie der Umstand, dass die Pfändbarkeit von Renten und rentenähnlichen Bezügen sowie Kleinlebensversicherungen in § 850b Abs. 1 ZPO geregelt wird, einer analogen Anwendung entgegen.
Eine direkte Anwendung des § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO auf von einem Unternehmen treuhänderisch für eine zukünftige Bestattung gehaltene Gelder scheidet aus. Der Pfändungsschutz nach § 850b Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 1 ZPO setzt voraus, dass dem Schuldner Bezüge ausschließlich oder zu einem wesentlichen Teil zu Unterstützungszwecken gewährt werden. Das ist vorliegend nicht der Fall. Gem. § 850b Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 ZPO werden sogenannte Klein-lebensversicherungen, die nur auf den Todesfall abgeschlossen worden sind, für nur bedingt pfändbar erklärt. Ein Vertrag über eine Lebensversicherung liegt mit dem Treuhandvertrag aber ebenfalls nicht vor. Auch eine analoge Anwendung von § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO auf von einem Unternehmen treuhänderisch für eine zukünftige Bestattung gehaltene Gelder scheidet aus. Es lässt sich nicht feststellen, dass die fehlende Erwähnung aufgrund eines Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrags verwahrter Gelder in § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO auf einer planwidrigen Regelungslücke beruht.
Der Gesetzgeber will mit der Pfändungsschutzbestimmung des § 850b Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 ZPO Versicherungen erfassen, die dazu dienen, beim Tode des Versicherungsnehmers anfallende Ausgaben, vor allem Bestattungskosten, abzudecken. Eine solche Todesfallversicherung entlastet jene Personen, von denen gem. § 1968 BGB die Kosten der Bestattung eines Schuldners zu tragen sind. Angesichts dieses - auch auf die Vermeidung von Armenbestattungen gerichteten - Schutzzwecks genügt es für die Anwendbarkeit der Vorschrift, dass der Versicherungsnehmer und der Versicherte identisch sind. Begünstigter kann aber auch ein Dritter, selbst ein Nichtangehöriger, sein, dem die Bestattung des Versicherungsnehmers obliegt. Damit erfasst die Vorschrift insbesondere sog. Sterbegeldversicherungen, welche die eigenen Beerdigungskosten des Versicherten abdecken sollen, aber zugunsten eines Angehörigen abgeschlossen werden.
Der Gesetzgeber hat daher Ansprüche aus Lebensversicherungen, die nur auf den Todesfall des Versicherungsnehmers abgeschlossen sind, mit § 850b Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 ZPO für bedingt pfändbar erklärt. Entsprechend den Gesetzesmaterialien ist der Gesetzgeber dabei aber nur von Leistungen auf Grund von Versicherungsverträgen ausgegangen. Ansprüche des Schuldners auf Auszahlung von im Rahmen eines Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrags verwahrter Gelder sind grundsätzlich pfändbar und gehören zur Insolvenzmasse. Sie stehen weder nur bedingt pfändbaren Bezügen noch Ansprüchen aus Lebensversicherungen gleich, die nur auf den Todesfall abgeschlossen sind und deren Versicherungssumme 5.400 € nicht übersteigt.
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Am 13.6.2020 beauftragte O (Schuldnerin) die Streithelferin der Beklagten (Streithelferin) mit der "Vornahme aller im Zusammenhang mit der Durchführung der Bestattung anfallenden Dienstleistungen und Lieferungen" entsprechend einer Kostenzusammenstellung ("Bestattungsvorsorgevertrag"). Aus Anlass dieses Bestattungsvorsorgevertrags trafen die Schuldnerin, die Streithelferin der Beklagten und die Beklagte am 9.7.2020 eine als "Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag" bezeichnete Vereinbarung. Darin verpflichtete sich die Beklagte, die von der Schuldnerin zur Finanzierung ihrer dereinstigen Bestattung bei ihr eingezahlten und noch einzuzahlenden Beträge nach den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung anzulegen und treuhänderisch zu verwalten.
Die Schuldnerin leistete hierauf eine Einmalzahlung i.H.v. 2.500 €. Aufgrund weiterer Ratenzahlungen der Schuldnerin belief sich der bei der Beklagten gem. der vertraglichen Abrede zweckgebunden zu der anteiligen Finanzierung der Bestattung der Schuldnerin verwahrte Betrag am 23.4.2021 auf 2.740 €. Die Vereinbarung regelte verschiedene Fälle der Auszahlung des verwahrten Betrags nebst Zinsen. Weiter enthielt die Vereinbarung eine Bestimmung, wonach die Schuldnerin zur Sicherung der dereinstigen Bestattungskosten ihre gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche gegen die Beklagte aus dem Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag an die Streithelferin abtrat und diese die Abtretung annahm.
Auf den am 16.3.2021 bei Gericht eingegangenen Eigenantrag wurde mit Beschluss des AG vom 9.4.2021 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Kläger zum Verwalter bestellt. Mit Schreiben vom 6.9.2021 forderte der Kläger die Beklagte unter Hinweis auf das Erlöschen der Treuhand mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens gem. § 115 Abs. 1 InsO erfolglos zur Rückzahlung des bei ihr verwahrten Betrags auf. Ferner kündigte der Kläger vorsorglich den Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag mit der Beklagten sowie den Bestattungsvorsorgevertrag mit der Streithelferin.
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Die Gründe:
Entgegen der Auffassung des LG fällt das Guthaben aus dem Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag nicht in analoger Anwendung von § 850b Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 ZPO i.V.m. § 36 Abs. 1 InsO wegen Unpfändbarkeit nicht in die Insolvenzmasse. Auch wenn ein Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag grundsätzlich eine einer Sterbegeldversicherung entsprechende Funktion erfüllen könnte, stehen der insoweit klare und eindeutige Wortlaut des § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO sowie der Umstand, dass die Pfändbarkeit von Renten und rentenähnlichen Bezügen sowie Kleinlebensversicherungen in § 850b Abs. 1 ZPO geregelt wird, einer analogen Anwendung entgegen.
Eine direkte Anwendung des § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO auf von einem Unternehmen treuhänderisch für eine zukünftige Bestattung gehaltene Gelder scheidet aus. Der Pfändungsschutz nach § 850b Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 1 ZPO setzt voraus, dass dem Schuldner Bezüge ausschließlich oder zu einem wesentlichen Teil zu Unterstützungszwecken gewährt werden. Das ist vorliegend nicht der Fall. Gem. § 850b Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 ZPO werden sogenannte Klein-lebensversicherungen, die nur auf den Todesfall abgeschlossen worden sind, für nur bedingt pfändbar erklärt. Ein Vertrag über eine Lebensversicherung liegt mit dem Treuhandvertrag aber ebenfalls nicht vor. Auch eine analoge Anwendung von § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO auf von einem Unternehmen treuhänderisch für eine zukünftige Bestattung gehaltene Gelder scheidet aus. Es lässt sich nicht feststellen, dass die fehlende Erwähnung aufgrund eines Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrags verwahrter Gelder in § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO auf einer planwidrigen Regelungslücke beruht.
Der Gesetzgeber will mit der Pfändungsschutzbestimmung des § 850b Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 ZPO Versicherungen erfassen, die dazu dienen, beim Tode des Versicherungsnehmers anfallende Ausgaben, vor allem Bestattungskosten, abzudecken. Eine solche Todesfallversicherung entlastet jene Personen, von denen gem. § 1968 BGB die Kosten der Bestattung eines Schuldners zu tragen sind. Angesichts dieses - auch auf die Vermeidung von Armenbestattungen gerichteten - Schutzzwecks genügt es für die Anwendbarkeit der Vorschrift, dass der Versicherungsnehmer und der Versicherte identisch sind. Begünstigter kann aber auch ein Dritter, selbst ein Nichtangehöriger, sein, dem die Bestattung des Versicherungsnehmers obliegt. Damit erfasst die Vorschrift insbesondere sog. Sterbegeldversicherungen, welche die eigenen Beerdigungskosten des Versicherten abdecken sollen, aber zugunsten eines Angehörigen abgeschlossen werden.
Der Gesetzgeber hat daher Ansprüche aus Lebensversicherungen, die nur auf den Todesfall des Versicherungsnehmers abgeschlossen sind, mit § 850b Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 ZPO für bedingt pfändbar erklärt. Entsprechend den Gesetzesmaterialien ist der Gesetzgeber dabei aber nur von Leistungen auf Grund von Versicherungsverträgen ausgegangen. Ansprüche des Schuldners auf Auszahlung von im Rahmen eines Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrags verwahrter Gelder sind grundsätzlich pfändbar und gehören zur Insolvenzmasse. Sie stehen weder nur bedingt pfändbaren Bezügen noch Ansprüchen aus Lebensversicherungen gleich, die nur auf den Todesfall abgeschlossen sind und deren Versicherungssumme 5.400 € nicht übersteigt.
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