21.11.2011

Zur Rechtmäßigkeit der Vertretung durch Einzelhandelsverbände bei gegen Mitglieder gerichteten markenrechtlichen Abmahnungen

Einem Einzelhandelsverband, zu dessen satzungsgemäßen Zwecken es gehört, seinen Mitgliedern durch Beratung und Hilfe in mit ihrer beruflichen Tätigkeit im Zusammenhang stehenden Rechtsangelegenheiten Rechtsschutz zu gewähren, ist es nicht verwehrt, ein Mitgliedsunternehmen, das mit der Begründung abgemahnt worden ist, es habe durch seine Werbung die Marke eines Dritten verletzt, bei der Abgabe einer Unterwerfungserklärung zu beraten.

BGH 1.6.2011, I ZR 58/10
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine als GbR betriebene bundesweit tätige Rechtsanwalts- und Patentanwaltskanzlei. Sie nimmt den beklagten Einzelhandelsverband wegen eines Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) in Anspruch. Die Verbandssatzung des Beklagten enthält folgende Zweckbestimmung:

Zweck des Verbandes
§ 2

1. Der Zweck des Verbandes ist die Wahrung und Förderung der wirtschaftlichen, beruflichen und sozialen Interessen des Einzelhandels, insbes. bezweckt er:

  • a) den Mitgliedern in allgemeinen Wirtschafts-, Rechts- und Steuerfragen, vor allem in allen Einzelhandelsfragen, Rat und Auskunft zu erteilen und ihre berechtigten Anliegen bei den zuständigen Stellen zu unterstützen;
  • c) den Mitgliedern Rechtsschutz zu gewähren durch Vertretung vor den Arbeits- und Sozialgerichten sowie Beratung und Hilfe in Rechtsangelegenheiten, die mit deren beruflicher Tätigkeit im Zusammenhang stehen;
  • d) lauteren Wettbewerb zu fördern und unlauteren Wettbewerb jeder Art zu bekämpfen.

Die Klägerin mahnte ein Mitglied des Beklagten im Auftrag eines Mandanten wegen einer Markenrechtsverletzung in einer Werbeanzeige ab und forderte zur Abgabe einer vorformulierten Unterlassungsverpflichtungserklärung auf. Der Beklagte zeigte der Klägerin daraufhin an, das abgemahnte Mitgliedsunternehmen satzungsgemäß zu vertreten, und fügte eine abgeänderte Unterwerfungserklärung bei. Nachdem die Klägerin moniert hatte, dass diese nicht den mit dem Mitglied der Beklagten getroffenen Vereinbarungen entsprach, übersandte der Beklagte eine entsprechend geänderte Unterlassungsverpflichtungserklärung.

Nach Ansicht der Klägerin hat der Beklagte damit gegen § 3 RDG verstoßen und zugleich wettbewerbswidrig gehandelt. Die rechtliche Vertretung in Angelegenheiten des Markenrechts sei weder nach § 7 RDG erlaubnisfrei, noch gehöre sie zu den satzungsmäßigen Aufgaben des Beklagten. Die Klägerin hat beantragt, dem Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verbieten, Rechtsdienstleistungen auf dem Gebiet des Markenrechts, insbes. des Gemeinschaftsmarkenrechts, zu erbringen, insbes. Mitglieder des Beklagten im Zusammenhang mit gegen diese Mitglieder gerichteten markenrechtlichen Abmahnungen zu vertreten. Daneben begehrt sie Feststellung der Schadensersatzverpflichtung, Auskunft und Zahlung von Abmahnkosten.

LG und OLG wiesen die Klage ab. Die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die beanstandete Verhaltensweise des Beklagten ist nicht nach § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 3 RDG unzulässig.

Das OLG hat zu Recht angenommen, dass die angegriffene Rechtsberatung des Beklagten nicht gegen das in § 3 RDG geregelte Verbot verstößt, Rechtsdienstleistungen ohne entsprechende Erlaubnis zu erbringen, weil sie gem. § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG zulässig ist. Diese Bestimmung erlaubt insbes. Rechtsdienstleistungen, die berufliche oder andere zur Wahrung gemeinschaftlicher Interessen gegründete Vereinigungen im Rahmen ihres satzungsmäßigen Aufgabenbereichs für ihre Mitglieder erbringen, soweit sie gegenüber der Erfüllung ihrer übrigen satzungsmäßigen Aufgaben nicht von übergeordneter Bedeutung sind.

Die beanstandete Rechtsberatung des Beklagten fällt in dessen satzungsmäßigen Aufgabenbereich. Das OLG hat mit Recht darauf verwiesen, dass nach § 2 Nr. 1 Buchst. c der Satzung zum Zweck des Verbandes nicht nur die Beratung und Unterstützung seiner Mitglieder in allgemeinen Wirtschafts-, Rechts- und Steuerfragen gehört, sondern auch die Gewährung von Beratung und Hilfe in Rechtsangelegenheiten, die mit der beruflichen Tätigkeit der Mitglieder im Zusammenhang stehen. Damit ist es Teil des satzungsmäßigen Aufgabenbereichs des Beklagten, seine Mitglieder außergerichtlich zu beraten, sofern die Rechtsberatung im Zusammenhang mit diesem Verbandszweck steht. Der dem Mitgliedsunternehmen des Beklagten vorgeworfene Rechtsverstoß ist diesem bei der Werbung für sein Angebot unterlaufen. Damit bezog sich die Rechtsberatung auf einen Kernbereich der beruflichen Tätigkeit des Mitgliedsunternehmens.

Das OLG hat zu Recht angenommen, dass die angegriffene markenrechtliche Beratung des Beklagten vom Verbandszweck umfasst ist. Die in den einzelnen Unterabsätzen des § 2 Abs. 1 der Satzung aufgezählten Verbandszwecke stehen gleichwertig nebeneinander. Für dieses Verständnis spricht bereits der Gleichrang der Gliederungspunkte. Die von der Revision befürchtete Ausuferung der Beratungsbefugnis des Beklagten in sämtliche Spezialgebiete besteht schon deshalb nicht, weil die Zulässigkeit der Beratung in konkreten Rechtsangelegenheiten auf Sachverhalte beschränkt ist, die mit der beruflichen Tätigkeit der Mitglieder im Zusammenhang stehen.

Nr. 1 Buchst. c der Satzung des Beklagten umfasst entgegen der Ansicht der Revision auch die außergerichtliche Vertretung seiner Mitglieder. Die Satzung bringt zudem zum Ausdruck, dass der Begriff der "Vertretung" dem gerichtlichen Tätigwerden vorbehalten ist. "Beratung und Hilfe in Rechtsangelegenheiten" schließt dann entsprechend dem allgemeinen Wortsinn eine außergerichtliche Vertretung ein. Das OLG hat schließlich auch mit Recht angenommen, dass die beanstandete Rechtsberatung gegenüber der Erfüllung der satzungsmäßigen Aufgaben des Beklagten nicht von übergeordneter Bedeutung ist, da der Schwerpunkt der Tätigkeit des Beklagten in der allgemeinen Interessenvertretung für den Einzelhandel liegt.

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