14.04.2016

Zur Schadensersatzpflicht von Führungskräften bei verlustreichem Betrieb eines Schwimmbades

Geschäftsführer bzw. Prokuristen sind verpflichtet, ihr unternehmerisches Handeln auf eine sorgfältige Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen zu stützen sowie alle verfügbaren Informationsquellen auszuschöpfen und aufgrund dessen die Vor- und Nachteile der bestehenden Handlungsmöglichkeiten sorgfältig abzuschätzen und so den erkennbaren Risiken Rechnung zu tragen. Orientieren sie sich dabei an einer Machbarkeitsstudie die gut 3 ½ Jahre alt ist und die bei den zu erwartenden Besucherzahlen deutlich von den tatsächlich erreichten Besucherzahlen abweicht, können sie sich schadensersatzpflichtig machen.

OLG Schleswig 17.2.2016, 9 U 58/15
Der Sachverhalt:
Die Beklagten waren als Geschäftsführer bzw. Prokurist der Mittelzentrumsholding Verwaltungs GmbH (MZH) tätig. Diese wiederrum war die geschäftsführende Gesellschafterin der Rechtsvorgängerin der Klägerin, der Stadtwerke Wahlstedt GmbH & Co. KG. Im Jahr 2006 hatten die Beklagten für die Klägerin mit der Stadt Fehmarn einen Pachtvertrag über den Betrieb eines neu zu errichtenden Meerwasserwellenbades abgeschlossen. Im März 2009 nahm das Schwimmbad seinen Betrieb auf.

In der Folgezeit kam es zu erheblichen Verlusten. Die Klägerin war der Ansicht, die Beklagten hätten frühzeitig erkannt, dass es sich bei der Übernahme des Schwimmbadbetriebes um ein verlustreiches Geschäft handeln würde. Aus diesem Grund verlangte sie einen Teil des ihr entstandenen Schadens unter dem Gesichtspunkt der Untreue und der Pflichtverletzung ersetzt.

Das LG wies die Teilklage über 1 Mio. € gegen beide Beklagte ab. Auf die Berufung der Klägerin bestätigte das OLG die Klagabweisung gegen den Beklagten zu 1 (dem ehemaligen Geschäftsführer). Hinsichtlich der Klage gegen den Beklagten zu 2 (dem ehemaligen Prokuristen) gab es der Klage jedoch i.H.v. 10.000 € statt.

Die Gründe:
Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagten wegen einer Untreuehandlung schied aus. Diesbezüglich fehlte es schlicht an dem erforderlichen Schädigungsvorsatz der Beklagten. Bei beiden Handelnden war kein Motiv für eine Schädigung der Klägerin erkennbar. Der Beklagte zu 1 war nicht nur Geschäftsführer der MZH, sondern zugleich auch in der kommunalen Verwaltung der Stadt Wahlstedt tätig, die wiederrum Gesellschafterin der Klägerin ist. Warum er dem Vermögen der Klägerin und damit zugleich dem Vermögen der Stadt Wahlstedt Schaden hätte zufügen sollen, war insofern nicht erkennbar.

Auch der Beklagte zu 2 hatte keinen Anlass, ein verlustreiches Geschäft abzuschließen, denn dadurch wäre u.a. die Höhe der ihm zustehenden Tantieme negativ beeinflusst worden. Fehlte es aber an einem Motiv zur Schädigung der Klägerin und rechneten die Beklagten für die Gesamtdauer des Pachtvertrages mit einem wirtschaftlichen Vorteil für die Klägerin, so reichte allein das Erkennen eines Verlustrisikos für das Vorliegen eines Schädigungsvorsatzes nicht aus.

Demgegenüber haften die Beklagten jedoch grundsätzlich wegen einer Pflichtverletzung aus ihren Anstellungsverhältnissen zur MZH. Im Rahmen ihrer Tätigkeiten als Geschäftsführer bzw. Prokurist waren sie nämlich verpflichtet, ihr unternehmerisches Handeln auf eine sorgfältige Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen zu stützen und alle verfügbaren Informationsquellen auszuschöpfen und auf dieser Grundlage die Vor- und Nachteile der bestehenden Handlungsmöglichkeiten sorgfältig abzuschätzen und so den erkennbaren Risiken Rechnung zu tragen. Dem waren die Beklagten aber nicht ausreichend nachgekommen. Bei ihrer Kalkulation hatten sie sich an einer Machbarkeitsstudie orientiert. Diese Studie war jedoch gut 3 ½ Jahre alt und wich bei den zu erwartenden Besucherzahlen deutlich von den tatsächlich erreichten Besucherzahlen ab. Diese widersprüchlichen Zahlen hätten die Beklagten durch weitere Ermittlungen aufklären und möglichst weitgehend auflösen müssen.

Soweit sich deshalb ein Anspruch gegen den Beklagten zu 1 auf Zahlung von Schadensersatz wegen sorgfaltswidriger Geschäftsführung ergab, war dieser jedoch bereits gem. § 43 Abs. 4 GmbHG verjährt. Denn eine hinreichende Schadenswahrscheinlichkeit bestand bereits zum Zeitpunkt, als die Beklagten das bindende Angebot zur Übernahme des Schwimmbades im Jahre 2006 abgaben. Da es auf eine Kenntnis der Klägerin von den genauen Umständen nicht ankam, begann die Verjährungsfrist zu diesem Zeitpunkt zu laufen. Der Schadensersatzanspruch war deshalb nach fünf Jahren bereits im Laufe des Jahres 2011 verjährt.

Allerdings kann die Klägerin von dem Beklagten zu 2 die Zahlung von 10.000 € Schadensersatz verlangen, da ihr durch dessen nicht sorgfältige Handlungsweise ein Schaden entstanden war. Denn die eingetretenen Verluste beruhten darauf, dass nur etwas mehr als die Hälfte der kalkulierten Badegäste tatsächlich gekommen waren. Der Anspruch der Klägerin ist jedoch aufgrund einer Regelung im Anstellungsvertrag auf 10.000 € begrenzt, weil das Verhalten grob fahrlässig, nicht aber vorsätzlich war. Dieser Schadensersatzanspruch der Klägerin ist auch noch nicht verjährt. Denn im Rahmen des § 195 BGB kam es auf die Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin von den genauen Umständen an. Es konnte jedoch nicht festgestellt werden, dass die Klägerin über diese Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis bereits zu einem Zeitpunkt verfügte, der zu einer Anspruchsverjährung vor Klagerhebung im Jahr 2013 geführt hätte.

OLG Schleswig PM vom 12.4.2016
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