06.11.2013

Zur Unternehmenseigenschaft der VBL

Die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) ist Unternehmen im Sinne des Kartellrechts, wenn sie gegenüber ausgeschiedenen Beteiligten Gegenwertforderungen geltend macht. Denn die von der VBL als Gruppenversicherungsverträge abgeschlossenen Beteiligungsvereinbarungen sind privatrechtlicher, nicht hoheitlicher Natur und eine Pflichtmitgliedschaft bei der VBL besteht nicht.

BGH 6.11.2013, KZR 58/11 u.a.
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten über die Berechtigung der VBL, nach § 23 Abs. 2 ihrer Satzung (VBLS) von Arbeitgebern, die ihre Beteiligung bei der VBL gekündigt haben, einen sogenannten Gegenwert als Ausgleich für die bei der VBL verbleibenden Versorgungslasten zu fordern. Die beklagten Krankenkassen haben nach Kündigung ihrer Beteiligungen den geforderten Gegenwert jeweils nur teilweise gezahlt.

Das OLG wies die auf Zahlung des restlichen Gegenwerts gerichteten Klagen der VBL ab. Die Widerklagen der Beteiligten auf Rückzahlung bereits geleisteter Zahlungen sah es wegen einer Prozessvereinbarung als unzulässig an. Weiter verurteilte das OLG die VBL u.a. dazu, Zinsen auf bereits geleistete Zahlungen zu erstatten, für die Zeit vor Erhebung der Widerklage allerdings - unter Abweisung der weitergehenden Zinsforderung der Beteiligten - nur nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen (zeitabschnittsweise zwischen 3,3 und 4,3 bzw. 4,1 Prozent); einen Zinsanspruch auf kartellrechtlicher Grundlage verneinte das OLG, weil es sich bei der VBL nicht um ein Unternehmen i.S.d Kartellrechts handele. Gegen diese Urteile legten beide Parteien Revision ein.

Die Revisionen der VBL hatten keinen Erfolg. Die Revisionen der Beteiligten hatten teilweise Erfolg und führten insoweit zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen und Zurückverweisung an das OLG.

Die Gründe:
Hinsichtlich der Revisionen der VBL hat der BGH seine Rechtsprechung bestätigt, wonach die Regelung zum Gegenwert in § 23 Abs. 2 VBLS in der für den Streitfall maßgeblichen Fassung von 2001 als allgemeine Geschäftsbedingung unwirksam ist, weil sie den ausgeschiedenen Beteiligten unangemessen benachteiligt. Die nach Abschluss des Berufungsverfahrens beschlossene Neufassung des § 23 Abs. 2 S. 3 VBLS vom 21.11.2012, die mit Rückwirkung zum 1.1.2001 den gegen die Wirksamkeit dieser Bestimmung bestehenden Bedenken Rechnung tragen soll, konnte in der Revisionsinstanz nicht mehr berücksichtigt werden.

Im Hinblick auf die Revisionen der Beteiligten hat der BGH zwar die Abweisung der Rückzahlungsklagen als unzulässig bestätigt. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass die Beteiligten auf kartellrechtlicher Grundlage weitere Zinsen auf die geleisteten Gegenwertzahlungen verlangen können. Denn die VBL ist jedenfalls im Zusammenhang mit Gegenwertforderungen gegen frühere Beteiligte Unternehmen i.S.d. deutschen Kartellrechts. Die von der VBL als Gruppenversicherungsverträge abgeschlossenen Beteiligungsvereinbarungen sind privatrechtlicher, nicht hoheitlicher Natur; eine Pflichtmitgliedschaft bei der VBL besteht nicht. Die Zusatzversorgung der VBL erfolgt in Form einer auch in der gewerblichen Wirtschaft üblichen Betriebsrente, die auch von privaten Versicherungsunternehmen angeboten werden kann.

Das Ergebnis, die VBL bei der Erhebung von Gegenwertforderungen als Unternehmen im Sinne des deutschen Kartellrechts einzustufen, steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH zum europäischen Kartellrecht. Weiterhin konnte - mangels entgegenstehender Feststellungen des OLG - auch eine marktbeherrschende Stellung der VBL auf dem Markt für die Zusatzversorgung von Beschäftigten des öffentlichen Dienstes nicht ausgeschlossen werden. Daher kam in Betracht, dass die Verwendung der unzulässigen AGB des § 23 Abs. 2 VBLS 2001 einen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung i.S.v. § 19 GWB darstellen könnte. Die Rückzahlungsforderung der Beteiligten wäre dann nach § 33 Abs. 3 S. 4 und 5 GWB entsprechend § 288 BGB zu verzinsen. Der Zinssatz beträgt nach Abs. 1 dieser Vorschrift fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz, im Fall von Rechtsgeschäften, an denen kein Verbraucher beteiligt ist, aber für Entgeltforderungen gem. Abs. 2 acht Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

Eine Verzinsung der Rückzahlungsforderung der Beteiligten wäre nach §33 Abs. 3 S. 4 und 5 GWB gem. § 288 Abs. 1 BGB auf fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz ab Entstehung des Schadens begrenzt. Die entsprechende Anwendung des höheren Zinssatzes in § 288 Abs. 2 BGB nach § 33 Abs. 3 S. 5 GWB ist bei einem Verstoß gegen § 19 Abs. 1 GWB grundsätzlich auf Fälle beschränkt, in denen sich der Missbrauch auf eine Entgeltforderung des Missbrauchsopfers bezieht. Beispiele sind die systematisch verzögerte Bezahlung fälliger Forderungen oder die missbräuchliche Erzwingung zu niedriger Entgelte, etwa durch hohe Bezugsrabatte. Um eine solche Entgeltforderung handelt es sich bei der gegenüber der VBL geltend gemachten Rückzahlungsforderung nicht.

Im zweiten Rechtsgang wird das OLG zur beachten haben, dass es der VBL selbst dann, wenn sich die Geltendmachung der Gegenwertforderung als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung darstellt, aus kartellrechtlichen Gründen nicht verwehrt wäre, die unwirksame Regelung rückwirkend durch eine neue Regelung zu ersetzen, die den beiderseitigen Interessen in angemessener Weise Rechnung trägt.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
  • Für die Pressemitteilung des BGH klicken Sie bitte hier.
BGH PM Nr. 182 vom 6.11.2013
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