09.11.2012

Zur unzulässigen Datenerhebung bei minderjährigen Verbrauchern durch ein Gewinnspiel

Eine Krankenkasse darf nicht ohne Zustimmung der Erziehungsberechtigten bei Gewinnspielen persönliche Daten von minderjährigen Verbrauchern ab 15 Jahren erheben, um diese als Kunden werben zu können. Es ist nicht davon auszugehen, dass Minderjährige ab dem 15. Lebensjahr grundsätzlich die nötige Reife haben, um die Tragweite der Einwilligungserklärung zur Datenspeicherung und Datenverwendung zu Werbezwecken abzusehen.

OLG Hamm 20.9.2012, I-4 U 85/12
Der Sachverhalt:
Die beklagte Krankenkasse bot auf einer Job-Messe Gewinnspiele für minderjährige Verbraucher an. Auf der Vorderseite der Gewinnkarte stand unter einer Fotografie mit vier jungen Personen die Angabe "Mitmachen und tolle Preise gewinnen." Direkt darüber fand sich in einem runden Feld die Angabe "Bitte Rückseite ausfüllen und abgeben!"

Auf der Rückseite der "Gewinnkarte" stand groß die Angabe "Gewinnkarte". Darüber hinaus wurden Name, Anschrift, Geburtsdatum und Kontaktdaten abgefragt, und es war die Unterschrift der Teilnehmer vorgesehen. Lediglich bei unter 15-jährigen Minderjährigen sollte diese vom Erziehungsberechtigten geleistet werden. Mit einer ebenfalls auf der Karte abgedruckten Erklärung willigten die Teilnehmer in eine Speicherung und Nutzung der abgefragten Daten ein, um über die Leistungen der Krankenkasse informiert und beraten zu werden.

Der Kläger, eine Verbraucherzentrale, nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch. Er wirft der Beklagten vor, die geschäftliche Unerfahrenheit von Minderjährigen auszunutzen, indem unter dem Vorwand der Teilnahme an einem Gewinnspiel deren personenbezogene Daten zu Wettbewerbszwecken erhoben werden. Es liege ein Verstoß der Beklagten gegen § 4 Nr. 2 UWG unter dem Gesichtspunkt der Ausnutzung des Alters und der geschäftlichen Unerfahrenheit von Verbrauchern vor. Die Beklagte sieht in der Gewinnspielaktion eine zulässige Werbung. Schließlich dürften bereits 15-jährige Minderjährige ihre Krankenkasse selbst wählen.

Das LG wies die Klage ab. Auf die Berufung des Klägers änderte das OLG das Urteil ab und gab der Klage statt.

Die Gründe:
Die von der Beklagten durchgeführte Datenerhebung bei minderjährigen Verbrauchern ist unzulässig.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch gem. §§ 8 Abs. 1, 3, 4 Nr. 2 UWG, es zu unterlassen, im Zusammenhang mit Gewinnspielen, die sie für Minderjährige veranstaltet, die Daten der Teilnehmer in der streitgegenständlichen Art und Weise zu erheben. Die Voraussetzung der Ausnutzung der Schutzbedürftigkeit - hier in Form der Ausnutzung des Alters in Verbindung mit der geschäftlichen Unerfahrenheit und der Leichtgläubigkeit - ist erfüllt.

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass Minderjährige ab dem 15. Lebensjahr grundsätzlich die nötige Reife haben, um die Tragweite der Einwilligungserklärung zur Datenspeicherung und Datenverwendung zu Werbezwecken abzusehen. Zwar ist der mit dem Alter bei Minderjährigen zunehmende Reifeprozess zu berücksichtigen. Abzustellen ist aber auf den Durchschnitt der angesprochenen Personengruppe, die in geschäftlichen Dingen noch unerfahren ist. Beim Lesen der Gewinnkarte überwiegt bei ihnen der Anreiz, etwas zu gewinnen das konsequente Nachdenken darüber, was infolge der Preisgabe der Daten passieren kann.

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass ein Jugendlicher beim Ausfüllen einer Gewinnkarte auf der Messe eine sehr kurzfristige Entscheidung über die Preisgabe seiner personenbezogenen Daten trifft. Dies ist mit der Situation bei der Wahl einer Krankenkasse nicht zu vergleichen. Diese steht regelmäßig im Zusammenhang mit der Wahl eines Ausbildungs- oder Arbeitsplatzes, bei der ein Jugendlicher in der Regel von seinen Eltern, dem neuen Arbeitgeber oder Dritten beraten wird und sich in Ruhe über die in Betracht zu ziehenden Krankenkassen informieren kann.

Linkhinweis:

OLG Hamm PM vom 9.11.2012
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