19.08.2014

Zur Verjährung bei Ansprüchen aus Urheberrechtsverletzung durch Filesharing eines Musikwerkes

Mit der Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ist kein Anerkenntnis i.S.d. § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB verbunden, das einen Neubeginn der Verjährung hervorrufenden würde. Ist dem Gericht kein Anbieter bekannt, der Werke der Musik oder Filmwerke dergestalt lizenziert, dass sie im Wege des Filesharings angeboten werden können, kommt auch nicht die zehnjährige Verjährungsfrist des § 852 S. 2 BGB in Betracht.

AG Kassel 24.7.2014, 410 C 625/14
Der Sachverhalt:
Der Beklagte hatte am 21.8.2009 auf einer Internet-Tauschbörse mittels des Programms eDonkey2000 im Wege des Filesharing das Musikalbum "Vom Selben Stern" der Künstlergruppe "Ich + Ich" auf seinen Computer herunter. In ähnlicher Weise lud er am 25.8.2009 das Doppelalbum "MTV unplugged in New York" der Musikgruppe "Sportfreunde Stiller" herunter. Die Klägerin nahm daraufhin zur Ermittlung des Verletzungsvorgangs die Deutsche Telekom AG vor dem LG Köln auf Auskunft in Anspruch. Diese AG legte den Vorgang nach Auskunftserteilung am 4.12.2009 als abgeschlossen ab. Daraufhin ermittelte die Klägerin weitere vergleichbare Vorgänge zwischen dem 21.10.2009 und dem 28.1.2010, was sie in diesem Verfahren erstmalig mit Schriftsatz vom 2.5.2014, eingegangen am 7.5.2014, vorgetragen hatte.

Mit Schreiben vom 9.2.2010 mahnten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin den Beklagten ab und nahm Bezug auf die beiden Vorgänge vom 21. und 25.8.2009. daraufhin unterzeichnete der Beklagte am 12.2.2010 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung und verpflichtete sich zur Zahlung eines pauschalierten Schadensersatzes nach § 97a UrhG a.F. i.H.v. 100 €. Der Beklagte brachte jedoch unmissverständlich zum Ausdruck, dass er darüber hinausgehende Zahlungsansprüche nicht erfüllen möchte.

Die Klägerin war später der Ansicht, der Beklagte schulde ihr im Wege des Lizenzanalogieschadens ein Betrag von insgesamt 2.500 €, auf den sie den bereits entrichteten Betrag von 100 € anrechnet. Dieser Anspruch unterliege gem. § 852 S. 2 BGB einer zehnjährigen Verjährungsfrist. Auch habe der in dieser Sache ergangene Mahnbescheid vom 2.1.2014 die Verjährung unterbrochen, da der Beklagte gleichartige Rechtsverletzungen im Jahr 2010 begangen habe. Der Beklagte berief sich auf die Verjährung der Ansprüche.

Das AG wies die Klage ab. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Die Gründe:
Die geltend gemachten Ansprüche aus §§ 97, 97a UrhG waren gem. §§ 195, 199 Abs. 1 BGB verjährt. Danach betrug die Verjährungsfrist drei Jahre und begann am Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden war und die Klägerin von allen anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners - hier der Beklagte - Kenntnis erlangt hatte. Verjährungsbeginn betreffend die in der Anspruchsbegründung genannten Vorfälle vom 21. und 25.8.2009 war danach der 31.12.2009, 24.00 Uhr. Diese Verjährungsfrist lief folglich am 31.12.2012 ab. Umstände, die den Ablauf der Verjährungsfrist beeinflusst hätten, waren zuvor nicht eingetreten.

Die Unterlassungserklärung des Beklagten vom 12.2.2010 hatte keinen Einfluss auf die Verjährung des hier geltend gemachten Lizenzanalogieschadensersatzanspruches und Aufwendungsersatzanspruches. Insbesondere lag kein einen Neubeginn der Verjährung hervorrufendes Anerkenntnis i.S.d. § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB vor. Denn mit der Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ist ein Anerkenntnis dieser Art nicht verbunden. Etwas anderes galt auch nicht für die Verpflichtungserklärung des Beklagten, den nach der damaligen Fassung des § 97a UrhG möglicherweise geschuldeten Schadensersatzanspruch i.H.v. 100 € zu zahlen. Schließlich brachte der Beklagte unmissverständlich zum Ausdruck, dass er darüber hinausgehende Zahlungsansprüche gerade nicht erfüllen wollte.

Der Mahnbescheid vom 2.1.2014 entfaltete ebenfalls keine verjährungsrelevante Wirkung. Zwar konnte nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB die ihr am 4.1.2014 erfolgte Zustellung des Mahnbescheides zur Hemmung der Verjährung führen. Dies hätte jedoch vorausgesetzt, dass zu diesem Zeitpunkt die Verjährung noch nicht eingetreten gewesen wäre. Die Verjährung war aber bereits mit Ablauf des 31.12.2012 eingetreten, so dass auch unter Berücksichtigung der Rückwirkungsfiktion des § 167 ZPO keine Hemmung eintreten konnte, weil auch der Mahnantrag vom 23.12.2013 erst weit nach Eintritt der Verjährung gestellt worden war.

Die Klägerin konnte sich letztlich auch nicht auf die zehnjährige Verjährungsfrist des § 852 S. 2 BGB berufen. Danach unterliegen diejenigen Ansprüche einer längeren Verjährung, die auf die Herausgabe des deliktisch Erlangten zielen. Es handelt sich somit um einen quasi deliktischen Bereicherungsanspruch. Die Vorschrift findet wegen § 102 S. 2 UrhG entsprechende Anwendung. Voraussetzung ist aber, dass der Schädiger tatsächlich etwas erlangt hat. Dies kann etwa die ersparte Lizenzgebühr sein, wenn die Wahrnehmung des Urheberrechts typischerweise nur gegen eine Lizenzgebühr eingeräumt wird (BGH-Urt. vom 27.10.2011, Az.: I ZR 175/10 - Bochumer Weihnachtsmarkt). Dies ist etwa dann der Fall, wenn die Rechtewahrnehmung bei einer Verwertungsgesellschaft lizenziert werden kann. Hier lagen jedoch die tatsächlichen Verhältnisse anders, so dass die Grundsätze des BGH-Urteils keine Anwendung finden konnten. Denn dem erkennenden Gericht war kein Anbieter bekannt, der Werke der Musik oder Filmwerke dergestalt lizenziert, dass sie im Wege des Filesharings angeboten werden können.

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