08.08.2012

Zur Verletzung der Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse im Hinblick auf "Sichern" und "Wegnahme"

Ein Sichern i.S.v. § 17 Abs. 2 Nr. 1b UWG liegt nicht vor, wenn ein Mitarbeiter beim Ausscheiden aus einem Dienstverhältnis die Kopie eines Betriebsgeheimnisse des bisherigen Dienstherrn enthaltenden Dokuments mitnimmt, die er im Rahmen des Dienstverhältnisses befugt angefertigt oder erhalten hat. Eine Wegnahme i.S.v. § 17 Abs. 2 Nr. 1c UWG liegt nicht vor, wenn der Täter bereits Alleingewahrsam an der Verkörperung hat.

BGH 23.2.2012, I ZR 136/10
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist die deutsche Vertriebsniederlassung eines Unternehmens, das sich mit Entwicklung, Herstellung und Vertrieb von Medikamenten beschäftigt. Seit 1976 vertreibt es das Abführmittel MOVICOL, das im Wesentlichen aus dem Wirkstoff Macrogol besteht und im Dezember 1995 in Großbritannien zugelassen wurde. Der als wissenschaftlicher Leiter bei der Klägerin angestellte Beklagte zu 1) war seitdem mit dem Zulassungsverfahren in Deutschland befasst. Nachdem er das Beschäftigungsverhältnis im Oktober 1997 beendet hatte, wurde er Geschäftsführer und Gesellschafter der Beklagten zu 2), die u.a. Unternehmen bei der Zulassung und Registrierung von Arzneimitteln berät.

Im August 2007 ließ die K-GmbH in einem Rechtsstreit mit der Klägerin vortragen, dass ihr der Clinical Expert Report aus dem MOVICOL-Zulassungsantrag vorliege. Im November 2007 erhielt eine Schwestergesellschaft der Klägerin die Information, dass die Beklagte zu 2) auf Initiative des Beklagten zu 1) mit der K-GmbH zusammenarbeite, um ein macrogolhaltiges Abführmittel auf den Markt zu bringen.

Die Klägerin behauptete, der Beklagte zu 1) habe sich unbefugt ihren Arzneimittel-Zulassungsantrag für das Abführmittel MOVICOL gesichert und ihn der Beklagten zu 2) zur Verfügung gestellt, die ihn dann unter Verletzung der Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse der Klägerin verwertet habe. Das LG wies die Klage, die auf Unterlassung, Herausgabe, Auskunft und Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichtete war, ab; das OLG gab ihr statt. Auf die Revision der beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Auf Grundlage der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts konnte weder ein Verstoß des Beklagten zu 1) gegen § 17 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 noch ein Verstoß der Beklagten zu 2) gegen § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG angenommen werden.

Das OLG hatte nicht festgestellt, durch welche konkrete Handlung das unbefugte Sichern erfolgt sein soll. Sichern i.S.v. § 17 Abs. 2 Nr. 1b UWG erfordert, dass eine schon vorhandene Kenntnis genauer oder bleibend verfestigt wird. Ein Sichern liegt deshalb nicht vor, wenn ein Mitarbeiter beim Ausscheiden aus einem Dienstverhältnis die Kopie eines Betriebsgeheimnisse des bisherigen Dienstherrn enthaltenden Dokuments mitnimmt, die er im Rahmen des Dienstverhältnisses befugt angefertigt oder erhalten hat. Ebenso wenig stellt ein solcher Vorgang eine Wegnahme i.S.v. § 17 Abs. 2 Nr. 1c UWG dar. Eine Wegnahme gemäß dieser Norm liegt nicht vor, wenn der Täter bereits Alleingewahrsam an der Verkörperung hat.

Die Feststellungen des Berufungsgerichts reichten auch nicht aus, um einen Verstoß der Beklagten gegen § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG anzunehmen. Anders als das Berufungsgericht meint, ist auch die Auswahl und Zusammenstellung veröffentlichter Studien und Informationen zu einem bestimmten Zweck nicht schon deshalb ohne Weiteres als Betriebsgeheimnis für den Betriebsinhaber schützenswert, weil sie auf einer nicht "auf dem freien Markt" erhältlichen wissenschaftlichen Leistung beruht. Bei der Prüfung, ob ein Wettbewerbsverstoß nach § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG vorliegt, ist der Zeitpunkt der Tathandlung, also der unbefugten Verwertung oder Mitteilung, maßgeblich.

Für die Frage, ob die Zusammenstellung der veröffentlichten Unterlagen aus dem MOVICOL-Zulassungsantrag, die im Zulassungsverfahren der K-GmbH verwendet worden waren, einen großen Zeit- oder Kostenaufwand erfordert hat, kam es - vorbehaltlich etwa schon vorher erbrachter Vorarbeiten - grundsätzlich auf die Recherchemöglichkeiten im Jahr 2006 an. Die in diesem Zusammenhang erforderlichen Feststellungen hatte das OLG aber nicht getroffen. Es war daher nicht auszuschließen, dass die weitverbreitete Zugänglichkeit von in- und ausländischen Fachpublikationen im Internet schon zum danach erheblichen Beurteilungszeitpunkt ein einfaches Auffinden der veröffentlichten Publikationen aus dem Antrag der K-GmbH ermöglichte, die der MOVICOL-Zulassung entnommen waren.

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