17.12.2012

Zur Verpflichtung des Gewerberaummieters Modernisierungsarbeiten zu dulden

Zwar handelt es sich bei Umbauarbeiten überwiegend um Modernisierungsmaßnahmen und um Maßnahmen zur Schaffung von Wohnraum i.S.v. § 554 Abs. 2 BGB, die der Mieter grundsätzlich dulden muss. Dies gilt jedoch gem. § 554 Abs. 2 S. 2 BGB nicht, wenn die Maßnahmen unter Berücksichtigung der vorzunehmenden Arbeiten für ihn eine Härte bedeuten würden, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen sind.

BGH 31.10.2012, XII ZR 126/11
Der Sachverhalt:
Zwischen den Parteien bestand seit 2002 ein Mietvertrag über Räume in einem Gebäudekomplex zur Nutzung als Arzt-Praxis. Die beklagte Vermieterin plante im Oktober 2009 eine umfassende Sanierung und Aufstockung der Gebäude. Infolgedessen kam es zwischen den Parteien zu Gesprächen hierüber, in deren Verlauf die Beklagte den Klägern den Abschluss eines Mietaufhebungsvertrages anbot, der auch eine Entschädigung vorsehen sollte. Im März 2010 teilte die Beklagte den Klägern mit, dass der Baubeginn für Anfang Mai 2010 und das Bauende für Ende Januar 2011 vorgesehen sei. Die Nutzung der Praxisräume war während dieser Zeit praktisch ausgeschlossen.

Die Kläger suchten im Dezember 2009 Ersatzräume. Ende Januar 2010 schlossen sie einen am 1.4.2010 beginnenden Mietvertrag über andere Räume ab. Mit Schreiben vom 12.3.2010 kündigten sie den Mietvertrag mit der Beklagten außerordentlich gem. § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB wegen Gebrauchsentziehung zum 1.4.2010 und räumten das Mietobjekt. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Baumaßnahmen noch nicht begonnen. Die Beklagte widersprach der Kündigung.

Mit ihrer Klage verlangen die Kläger Ersatz des ihnen durch die vorzeitige Beendigung des Mietvertrages entstandenen Schadens, u.a. Ersatz der Umzugskosten, der Renovierungskosten und Erstattung der Mietdifferenz für die Restlaufzeit des Mietvertrages. Das LG wies die Klage ab; das OLG gab ihr dem Grunde nach statt. Die Revision der Beklagten blieb vor dem BGH erfolglos.

Die Gründe:
Das OLG hatte zu Recht einen Anspruch der Kläger gem. § 536a Abs. 1 BGB auf Ersatz des ihnen durch die außerordentliche Kündigung des Mietvertrags entstandenen Schadens dem Grunde nach bejaht.

Es war im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass den Klägern aufgrund der bevorstehenden Baumaßnahmen eine nicht duldungspflichtige Gebrauchsentziehung der Mieträume sicher bevorstand und sie aufgrund dieses Mangels auch ohne Fristsetzung oder Abmahnung gem. § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB zur außerordentlichen Kündigung berechtigt waren. Durch die beabsichtigte umfassende Neugestaltung des Gebäudes war die Tauglichkeit der Mieträume zum vertragsgemäßen Gebrauch für einen längeren Zeitraum aufgehoben. Diesen Mangel hatte die Beklagte auch zu vertreten, da die Kläger nicht zur Duldung der Umbaumaßnahmen verpflichtet waren.

Zwar handelt es sich bei Umbauarbeiten überwiegend um Modernisierungsmaßnahmen und um Maßnahmen zur Schaffung von Wohnraum i.S.v. § 554 Abs. 2 BGB, die der Mieter grundsätzlich dulden muss. Dies gilt jedoch gem. § 554 Abs. 2 S. 2 BGB nicht, wenn die Maßnahmen - wie hier - insbesondere unter Berücksichtigung der vorzunehmenden Arbeiten für ihn eine Härte bedeuten würden, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen sind. Die Nichtbenutzbarkeit der Mieträume hätte hier für die Kläger zur Folge gehabt, dass sie ihre Patienten hätten verlieren und keine neuen Patienten hätten gewinnen können. Die Auferlegung eines solchen existenzbedrohenden wirtschaftlichen Risikos bedeutete für die Kläger somit eine Härte, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen der Beklagten an einer Steigerung der wirtschaftlichen Verwertbarkeit des Mietobjekts nicht zu rechtfertigen war.

Die Kläger waren aufgrund der pflichtwidrigen Entziehung des vertragsgemäßen Gebrauchs durch die Beklagte gem. § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB zur außerordentlichen Kündigung des Mietvertrages berechtigt. Unerheblich war, dass zum Zeitpunkt der Kündigung mangels begonnener Bauarbeiten noch keine Gebrauchsentziehung vorgelegen hatte, denn im Zeitpunkt der Kündigung stand bereits fest, dass die Baumaßnahmen alsbald beginnen würden. Im Hinblick auf den sicher bevorstehenden Beginn und die fehlende Bereitschaft der Beklagten zur Verschiebung oder Unterlassung bedurfte es für die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung auch keiner vorherigen Abmahnung oder Fristsetzung. Unerheblich war insoweit auch, dass die Kläger den neuen Mietvertrag bereits vor ihrer Kündigungserklärung abgeschlossen hatten. Denn steht, wie hier, eine alsbald eintretende Gebrauchsbeeinträchtigung sicher bevor, darf der Mieter die erforderlichen Maßnahmen ergreifen. Er muss schon zur Schadensminderung damit nicht abwarten bis die Gebrauchsbeeinträchtigung tatsächlich eintritt.

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