29.10.2012

Zur Vertretung der AG in einem Rechtsstreit gegen eine GmbH durch den Aufsichtsrat

§ 112 AktG ist auch dann anzuwenden, wenn es um die gerichtliche oder außergerichtliche Vertretung der AG gegenüber einer anderen Gesellschaft geht, die mit einem (gegenwärtigen oder ehemaligen) Vorstandsmitglied der AG wirtschaftlich identisch ist. In einem Rechtsstreit zwischen einer AG und einer GmbH, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer ein früheres Vorstandsmitglied der AG ist, um Ansprüche der GmbH aus einem mit der AG geschlossenen Beratungsvertrag wird die AG insoweit durch den Aufsichtsrat vertreten.

OLG Saarbrücken 11.10.2012, 8 U 22/11 - 6
Der Sachverhalt:
Die klagende GmbH ist ein Beratungsunternehmen, dessen alleiniger Gesellschafter und alleiniger Geschäftsführer seit seiner Gründung im Jahr 2000 S ist. Sie war seit April 2007 für die beklagte Aktiengesellschaft beratend tätig. Im Juni 2008 wurde S auch zum (weiteren) Vorstandsmitglied der Beklagten für Vertrieb und Marketing bestellt. Der Vorstand der Beklagten bestand nunmehr aus S, L und N. Im Dezember 2008 wurden S und L mit sofortiger Wirkung als Vorstandsmitglieder der Beklagten abberufen und von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt.

Mit ihrer gegen die Beklagte, "gesetzlich vertreten durch deren Vorstandsvorsitzenden N"", erhobenen Klage nimmt die Klägerin die Beklagte auf Zahlung der Vergütung für Beratungsleistungen i.H.v. rd. 386.000 € in Anspruch. Bei dem geltend gemachten Betrag handelt es sich um die zweite Hälfte der Vergütung für von der Klägerin im Zeitraum von Juli bis Dezember 2008 erbrachte Beratungsleistungen. Die erste, bereits mit früheren Rechnungen abgerechnete Hälfte der Vergütung (50 Prozent) hat die Beklagte gezahlt. Nach Zustellung der Klage an die - "durch deren Vorstandsvorsitzenden N" vertretene - Beklagte haben sich für diese, "gesetzlich vertreten durch das alleinige Vorstandsmitglied N" zunächst die Rechtsanwälte S und sodann M bestellt, von der die Beklagte bis jetzt vertreten wird.

Die Parteien streiten insbes. darum, ob der Beratungstätigkeit der Klägerin ein wirksamer Beratungsvertrag zugrunde liegt. Der zwischen den Parteien am 4.11.2008 geschlossene Beratungsvertrag wurde auf Seiten der Beklagten von L und N sowie auf Seiten der Klägerin von deren alleinigem Geschäftsführer S unterzeichnet. Die Beklagte hält diesen Vertrag gem. § 112 AktG, § 134 BGB für nichtig, weil die Beklagte bei dessen Abschluss im Hinblick auf die wirtschaftliche Identität der Klägerin mit dem damaligen Vorstandsmitglied der Beklagten S durch den Aufsichtsrat hätte vertreten werden müssen.

Das LG wies die Klage ab. Die Berufung der Klägerin hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Die Revision zum BGH wurde nicht zugelassen.

Die Gründe:
Die Klage ist bereits unzulässig, da die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit nicht nach den Vorschriften der Gesetze vertreten ist.

Gem. § 112 AktG wird eine AG gegenüber Vorstandsmitgliedern gerichtlich und außergerichtlich durch den Aufsichtsrat vertreten. Gesetzlicher Zweck der Vorschrift ist es, eine unvoreingenommene Vertretung der Gesellschaft sicherzustellen, welche von möglichen Interessenkollisionen und darauf beruhenden sachfremden Erwägungen unbeeinflusst ist und sachdienliche Gesellschaftsbelange wahrt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Gesellschaft im Einzelfall auch vom Vorstand angemessen vertreten werden könnte. Vielmehr ist im Interesse der Rechtssicherheit eine typisierende Betrachtungsweise geboten.

Entsprechend seinem vorgenannten Zweck findet § 112 AktG nicht nur auf die Fälle des Widerrufs der Organbestellung, der Beendigung des Dienstvertrags, der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aus der Amtsführung des Vorstands und der Regelung von Vorstandsbezügen und Pensionen Anwendung. Vielmehr gilt er grundsätzlich für alle Verträge oder Rechtsstreitigkeiten zwischen einer AG und einem amtierenden oder ehemaligen Vorstandsmitglied, jedenfalls soweit sie ihren Ursprung in der Vorstandstätigkeit haben bzw. einen sachlichen Zusammenhang mit der Vorstandstätigkeit aufweisen. Dies ist insbes. bei zwischen der AG und einem Vorstandsmitglied geschlossenen Beraterverträgen sowie hieraus resultierenden Rechtsstreitigkeiten der Fall.

Die (abstrakte) Gefahr einer Interessenkollision, die die Anwendung des § 112 AktG erfordert, ist gleichermaßen in einem Fall wie dem vorliegenden gegeben, in dem eine AG von einer GmbH, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer ein früheres Vorstandsmitglied der AG ist, aus einem mit dieser geschlossenen Beratungsvertrag auf Zahlung einer Vergütung in Anspruch genommen wird, die während der früheren Vorstandstätigkeit angefallen sein soll. Nach der herrschenden und vom Senat für zutreffend erachteten Auffassung ist § 112 AktG seinem auf unbefangene Wahrung der Gesellschaftsbelange gerichteten Schutzzweck entsprechend auch dann anzuwenden, wenn es um die gerichtliche oder außergerichtliche Vertretung der AG gegenüber einer anderen Gesellschaft geht, die mit einem (gegenwärtigen oder ehemaligen) Vorstandsmitglied der AG wirtschaftlich identisch ist.

Ein solcher Fall der wirtschaftlichen Identität ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn es sich - wie hier - bei der anderen Gesellschaft um eine Ein-Personen-Gesellschaft des Vorstandsmitglieds der AG handelt. Danach ist die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit nicht ordnungsgemäß vertreten. Der Vertretungsmangel ist auch nicht geheilt worden. Hierfür ist erforderlich, dass der Aufsichtsrat die Prozessführung des nicht vertretungsberechtigten Vertreters genehmigt und als gesetzlicher Vertreter in den Prozess eintritt. Beide Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

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