29.04.2013

Zur Wirksamkeit von Kündigungs- und Vertragsstrafenklauseln in Vertriebsverträgen

Eine gegenüber einem Handelsvertreter im Nebenberuf verwendete Formularbestimmung, die eine Vertragskündigung nach einer Laufzeit von drei Jahren nur unter Einhaltung einer Frist von zwölf Monaten auf das Ende eines Kalenderjahres vorsieht, ist wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam. Auch eine Vereinbarung in den AGB, wonach eine Vertragsstrafe unabhängig von dem Verschulden des Vertragspartners verwirkt werden kann, benachteiligt diesen unangemessen.

BGH 21.3.2013, VII ZR 224/12
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine Gesellschaft, die für andere Unternehmen Versicherungen, Bausparverträge und Kapitalanlagen vermittelt. Die Parteien hatten im August 2004 einen formularmäßigen "Finanzdienstleistungsvermittlungsvertrag" abgeschlossen, wonach die Beklagte als Handelsvertreterin ("Finanzdienstleister") für die Klägerin tätig wurde. Der Vertrag enthielt außerdem ein vertragliches Wettbewerbsverbot sowie eine Regelung über "Vertragsdauer, Kündigung, Vertragsbeendigung". Danach sollte eine Vertragskündigung nach einer Laufzeit von drei Jahren nur unter Einhaltung einer Frist von zwölf Monaten auf das Ende eines Kalenderjahres zulässig sein.

Im Jahr 2007 schlossen die Parteien im Rahmen eines formularmäßigen Zusatzvertrages u.a. eine Vereinbarung über einen Vertragsstrafenanspruch der Klägerin bei Wettbewerbsverstößen des Handelsvertreters. Danach sollte der Handelsvertreter eine Vertragsstrafe unabhängig vom Verschulden verwirken. Die Klägerin, die in erster Instanz vorgetragen hatte, dass die Beklagte nebenberuflich für sie tätig gewesen sei, hat für den Zeitraum von August 2010 bis Dezember 2011 Stufenklage erhoben und Auskunft verlangt, wie viele konkurrierende Versicherungs- und sonstige Anlageprodukte die Beklagte in dem genannten Zeitraum für die Konkurrenz vermittelt hatte.

Das LG gab dem Auskunftsanspruch durch Teilurteil hinsichtlich des Monats August 2010 statt und wies die Klage auf der Auskunftsstufe im Übrigen ab; das OLG gab der Klage im Ganzen statt. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Der Klägerin stand der geltend gemachte Auskunftsanspruch für den gesamten begehrten Zeitraum nicht zu, weil die formularmäßige Vereinbarung der Kündigungsfrist von zwölf Monaten zum Jahresende unwirksam war. Die Kündigungsfrist wurde durch von der Klägerin gestellte AGB Vertragsbestandteil. Die Klausel unterlag damit der Inhaltskontrolle gem. § 307 Abs. 1 BGB. Dieser hielt sie nicht stand. Die Vereinbarung benachteiligte die für die Klägerin im Nebenberuf tätigen Handelsvertreter entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen.

Ein nebenberufliches Handelsvertreterverhältnis soll nach der gesetzlichen Regelung rascher beendet werden können als das Vertragsverhältnis eines Handelsvertreters im Hauptberuf, für den bei vergleichbarer Vertragsdauer von über fünf Jahren eine Kündigungsfrist von sechs Monaten für den Schluss eines Kalendermonats maßgeblich wäre. Zu Unrecht hat das OLG seine entgegenstehende Auffassung in erster Linie mit der geringeren Schutzbedürftigkeit des Handelsvertreters im Nebenberuf begründet. Zudem kann ein Handelsvertreter im Nebenberuf durch die lange Kündigungsfrist in unbilliger Weise daran gehindert werden, einen existenzsichernden Hauptberuf bei einem konkurrierenden Unternehmer zu ergreifen.

Infolgedessen können der Klägerin gegen die nebenberuflich tätige Beklagte allenfalls Ansprüche für den Monat August 2010 zustehen. Soweit sie mit dem Auskunftsverlangen aber einen Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe vorbereiten will, setzt dies voraus, dass ihr ein solcher Anspruch zustehen kann. Das ist indessen nicht der Fall. Schließlich hält die Vertragsstrafenvereinbarung der von der Klägerin verwendeten AGB der Inhaltskontrolle am Maßstab des § 307 Abs. 1 BGB ebenfalls nicht stand. Denn eine Vereinbarung in den AGB, wonach eine Vertragsstrafe unabhängig von dem Verschulden des Vertragspartners verwirkt werden kann, benachteiligt diesen unangemessen.

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